taz 15.9.2000

rüstungsexporte

Grünes Kanonenboot

Kanonenbootpolitik gilt eigentlich als Spezialität von Kaiser Wilhelm Zwo. Seit gestern müssen die Grünen sich mit dem Verdacht herumschlagen, durch das Verhökern von Kanonenbooten und anderlei Rüstungsgütern den deutschen Einfluss in der Welt fördern zu wollen. Dass ein internes Papier der grünen Bundestagsfraktion diesen Eindruck erwecken konnte, liegt zuerst einmal an grünen Reflexen.

Kommentar von PATRIK SCHWARZ

Manche Worte sollten Grüne wirklich besser nicht verwenden - zu sicher ist, dass sie von anderen Grünen missverstanden werden. "Interessenpolitik" ist so eine Vokabel. Die Autoren der Analyse werfen die Frage auf, ob Rüstungsexporte nicht künftig als Instrument deutscher Interessenpolitik verstanden werden müssten - und ernten dafür prompt Empörung.

Doch zu keinem Zeitpunkt wollten irgendwelche Grünen den Schutz der Menschenrechte als Maßstab für Regierungshandeln aufgeben. Das Papier drängt vielmehr die Fraktion dazu, eine unangenehme Frage zu beantworten: Gibt es auch Rüstungsexporte, zu denen Grüne Ja sagen können?

Die Frage ist durchaus berechtigt. Derzeit entscheidet sich die Partei weder für ein Ja noch ein Nein. Auf diese Weise haben sich die Grünen im Fall der Munitionsfabrik für die Türkei in eine absurde Position manövriert: Einerseits lehnen sie per formellen Fraktionsbeschluss die Lieferung als Verstoß gegen die Rüstungsexportrichtlinien ab - andererseits lassen sie zu, dass die rot-grüne Bundesregierung der Fabrik ihren Segen erteilt.

Durchaus zu Recht regen die Autoren des Papiers mehr Mut zur Klarheit an. Entweder entscheiden sich die Grünen bei Rüstungsexporten für Fundamentalopposition. Damit ersparen sie sich in Zukunft die Qualen der Entscheidung bei jedem neuen Rüstungsgeschäft. Oder aber sie unterscheiden künftig zwischen guten und schlechten Waffenexporten - für Grüne zugegeben schwierige Kategorien. Als Handreichung für diese Unterscheidung zwischen Gut und Böse war das fatale Wort von den deutschen Interessen gemeint - wobei die Menschenrechte ausdrücklich als Teil der Interessen der rot-grünen Bundesrepublik verstanden werden.

Bei allen Problemen, die dieser Zugang aufwirft, bietet er eine Chance: Wer gute Exporte in gute Staaten befürwortet, kann bei den bösen Exporten in böse Staaten hoffentlich wirkungsvoller protestieren. Fragt sich nur, ob eine Munitionsfabrik für die Türkei gut oder böse ist.