Neue Zürcher Zeitung, 14.09.2000

Irakischer Bericht über Massengräber

Lebendig begrabene Opfer des Kuwait-Kriegs?

vk. Limassol, 13. September

Die irakische Regierungszeitung «Al-Jumhuriya» hat am Dienstag unter Berufung auf das Komitee für Märtyrer berichtet, in der Nähe der kuwaitischen und saudischen Grenze seien Massengräber aus dem Kuwait-Krieg mit teilweise lebendig begrabenen irakischen Soldaten gefunden worden. Nach dem Bericht des Basra-Korrespondenten des Blattes wollen die Lokalbehörden die Leichen in noch unbekannter Anzahl exhumieren, um die Identitäten festzustellen. Die Massengräber liegen von Safwan westwärts bei der Grenze, wo seinerzeit vom 24. Februar 1991 an die alliierte Landstreitmacht zur Befreiung Kuwaits in den Südirak vorgestossen war.

Mit Sand zugedeckt

Die Zeitung zitiert das behördliche Märtyrer- Komitee mit der Angabe, man habe bei jedem der in voller Uniform und samt der Ausrüstung bestatteten Soldaten einen Glasbehälter mit persönlichen Papieren gefunden; das lasse darauf schliessen, dass die Soldaten lebendig begraben worden seien. Die Massengräber seien auf Hinweise von irakischen Bewohnern der Gegend durch eine Umweltschutz-Equipe entdeckt worden. Das Komitee zitiert solche Anwohner als Augenzeugen der Kriegsereignisse von 1991. Die amerikanischen und britischen Truppen seien damals mit Panzerfahrzeugen gegen die abziehenden irakischen Einheiten vorgegangen, hätten die wehrlosen Soldaten umgebracht und mit Bulldozern in Massengräbern verscharrt. Diese Aussagen treffen sich einigermassen mit Berichten amerikanischer Teilnehmer jenes Feldzugs; ob sie von irakischen Propagandisten nochmals zurechtgerückt sind, lässt sich bis zur Präsentation der entsprechenden Leichen nicht beurteilen. Die amerikanische Zeitung «Newsday» berichtete am 12. September 1991 auf Grund von Zeugenaussagen, während der ersten beiden Tage der Landoffensive hätten drei Brigaden der 1. Infanteriedivision gepanzertes Gerät benutzt, um irakische Bunker und Schützengräben in der Wüste zu überrollen. Von den 8000 irakischen Verteidigern hätten sich 2000 ergeben; die Toten, Verwundeten und Widerstand Leistenden seien kurzerhand in den Gräben mit Sand zugedeckt worden.

Fortschritte im Kampf gegen Sanktionen

Den Beweis für die Massengräber dürften die Iraker wohl antreten. Er entspringt jener Widerstandsstrategie gegen die Amerikaner und Briten, wie sie auch im dauernden Beschuss der alliierten Patrouillenflugzeuge durch die irakische Flugabwehr zum Ausdruck kommt. Ob aber auch das genannte Kriegsverbrechen mit den Bulldozern glaubwürdig belegt wird, ist offen. Jedenfalls macht Bagdad langsam Fortschritte bei seinem Kampf gegen die zehnjährigen Uno-Sanktionen. Am Mittwoch verkündete der Aeroflot-Regionaldirektor anlässlich eines Besuchs in der irakischen Hauptstadt, per Ende Oktober eröffne seine Gesellschaft wieder den Flugverkehr zwischen Moskau und Bagdad. Das wäre ein Schlag gegen das Luftverkehrsembargo.

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