Frankfurter Rundschau, 12.9.2000

Ein Flugzeug für Irak

Pariser Menschenrechtler wollen Embargo brechen

Von Florence Hervé (Penmarch)

Die französische Regierung hat zugestimmt, eine Air France-Maschine für einen Flug in die irakische Hauptstadt Bagdad bereitzustellen. Das gab Yves Buannic, Präsident der Menschenrechtsorganisation "Enfants du Monde - Droits de l'Homme", am Montag in Paris bekannt.

Zehn Jahre nach dem Beginn des Wirtschaftsembargos gegen Irak ist die Bilanz grausam: 600 000 tote Kinder - weitere 8000 sterben jeden Monat. Die Sterblichkeit der Kinder unter fünf Jahren, so Unicef-Studien, hat sich mehr als verdoppelt. Mehr als eine Million Kinder und Jugendliche können nicht zur Schule gehen, weil sie arbeiten müssen. 83 Prozent der Schulen müssten außerdem instandgesetzt werden. Yves Buannic, der mehrmals jährlich nach Irak reist, spricht von einem "Genozid", von einem "Verbrechen gegen die Menschheit": "Kein menschliches Gewissen kann dies dulden."

Seine Organisation bereitet zusammen mit der französischen Koordinierung für das Embargo einen Flug nach Irak vor - eine Chartermaschine soll Ende September von Paris nach Bagdad fliegen. Die französische Regierung sei wohlwollend, sagt Buannic: "Das Quai d'Orsay blickt auf uns nicht ohne Sympathie, ermunterte uns fast, dahin zu fliegen". Vor wenigen Monaten hatte der französische Außenminister Hubert Védrine erklärt: "Wir glauben, dass das Embargo ein grobes und grausames Instrument ist, das die Zivilbevölkerung bestraft. Wir müssen uns auf Kriterien einigen, die es ermöglichen, das Embargo aufzuheben."

Die Initiative von "Enfants du Monde" hat viele Unterstützer in Frankreich. 300 Persönlichkeiten aus Politik, Kirche, Kunst und Wissenschaft listet Buannic auf, die nach Irak fliegen wollen. Unter ihnen ehemalige Minister wie Robert Badinter, Senatsmitglieder und Abgeordnete, Erzbischöfe, der Filmregisseur Bertrand Tavernier, die Schriftsteller Patrick Besson und Bertrand Clavel, der Liedermacher Georges Moustaki. Zu den ausländischen Unterstützern gehören der zurückgetretene Leiter des humanitären UN-Hilfsprogramms für Irak "Öl für Nahrungsmittel", der Ire Denis Halliday, und der deutsche Diplomat Hans von Sponeck.

Neben ihrem humanitären Anliegen kritisieren die Initiatoren des Fluges das Embargo auch in rechtlicher Hinsicht. Es gebe keine rechtliche Grundlage für ein allgemeines Flugverbot. In den UN-Resolutionen werde nicht gesagt, dass auch Passagiermaschinen einbezogen seien.

Bedenken, mit dem Flug Diktator Saddam Hussein zu unterstützten, entgegnet Buannic: "Unsere Botschaft ist, der irakischen Bevölkerung unsere Solidarität zu bringen. Was die Behörden angeht, wird man sehen". Geplant sind Besuche in Krankenhäusern, in Zentren für Straßenkinder und bei humanitären Organisationen. "Wir werden Gäste des Roten Halbmonds sein", betont Buannic.