Fuldaer Zeitung, 9.9.2000

"Ausländer müssen aktiv mitwirken"

Fulda (ryt) Adulkerim Demir ist Vorsitzender der kurdischen Gemeinde Fulda und "ein zutiefst politischer Mensch", wie er sagt. Daher bedauert er es, dass er in dem Land, in dem er lebt, keine politischen Rechte habe. Nur wenn sich Ausländer politisch engagieren würden, könnten sie gesellschaftlich etwas verändern und gegen Rassismus vorgehen, sagt er in einem Gespräch mit der FZ zu den aktuellen Themen Rechtsextremismus und Integration.

An ihrer Eingliederung müssten die Ausländer aktiv mitwirken, betont Demir. Hemmnisse stellten vor allem schlechte Deutschkenntnisse dar. Deshalb sei die rund 100 Mitglieder zählende Kurdische Gemeinde in Fulda tätig geworden. Sie bietet mehrere Deutschkurse an, die derzeit von 55 Personen aus zehn Ländern besucht werde.

Weg zur Eingliederung

Der Weg zur Eingliederung in die westliche Gesellschaft könne nur durch Bildung und Ausbildung erfolgen, betont Demir und bedauert, dass die Stadt Fulda dieses Projekt nicht finanziell unterstütze. Weitere Initiativen der Kurdischen Gemeinde seien die soziale Betreuung und die Beratung. Außerdem begleite man Hilfesuchende jeder Nation bei Behördengängen. Eine Hausaufgabenhilfe für Kinder und Jugendliche, juristische Beratungen für Asylbewerber sowie eine Frauenkomittee werden angeboten. Demir plädiert für ein europaorientiertes Denken aller in Fulda lebenden Ausländern. Wer aus einem anderen Kulturkreis stamme, der müsse sich an seine neue Heimat gewöhnen und anpassen, ohne gleich die ganze Identität aufzugeben. Wenn sich Frauen nach islamischem Vorbild verschleierten, dann schafft das nach Ansicht Demirs nur Barrieren.

Demir, der seit seit 1989 in Deutschland lebt, ist anerkannter Asylbewerber. "Ich fühle mich hier wohl, auch wenn ein paar Glatzköpfe Blödsinn machen", sagt er zur aktuellen Debatte um Rechtsextremismus. Ein NPD-Verbot bringt seiner Ansicht nach überhaupt nichts: "Die gehen dann in den Untergrund", vermutet er. Diese Erfahrung habe man auch mit der PKK gemacht, von der er sich distanziere, sagt Demir. "Nicht jeder Kurde sympathisiert automatisch mit der PKK", will er ein Vorurteil zurechtrücken. Latente Fremdenfeindlichkeit sei allerdings vorhanden, wenn beispielsweise Menschen mit südländischem Aussehen keinen Zutritt zu Fuldaer Diskotheken erhielten. Wenn der Türsteher dann selber auch noch Ausländer ist, dann findet dies Demir sehr zynisch. Die dringlichste Aufgabe der deutschen Politik sieht der Vorsitzende darin, den Wählern klar zu machen, dass die Ausländer nicht an der Arbeitslosigkeit schuld seien. Viele hätten dieses Land aufgebaut: "Sie sind ein Teil von Deutschland geworden."

"Nicht unter sich bleiben"

Es gebe allerdings auch Ausländer, die schon mehrere Jahrzehnte lang in Deutschland lebten und immer nur unter sich geblieben seien: "Das ist ein Fehler", so Demir. Wichtig sei es, die Nachbarn kennen zu lernen und über Patenschaften Kontakte herzustellen. "Warum gründen wir nicht eine internationale Fußballmannschaft in Fulda?", regt Demir an.

Kaum Möglichkeiten des politischen Einflusses haben seiner Ansicht nach die Ausländerbeiräte, die nicht stimmberechtigt seien, sondern nur über beratende Funktion verfügten. Ein kommunales Wahlrecht biete dagegen größere Partizipationsmöglichkeiten für Ausländer. Der Kurde sieht vor allem bürokratische Hindernisse auf dem Weg zur Integration in die deutsche Gesellschaft. So zögen sich Einbürgerungsverfahren zum Teil über viele Jahre hin, kritisiert er. Im Umgang der Behörden mit Ausländern beklagt er "manche Diskriminierungen". [FZ]