taz 8.9.2000

Pläne für türkischen Staudamm mangelhaft

Für Staudammbau müssen noch mehr Menschen weichen, als bisher angenommen.

Internationale Standards werden nicht eingehalten. Bundesregierung unentschieden

BERLIN taz Für den umstrittenen Bau des Ilisu-Staudammes an der türkisch-syrischen Grenze sind nach einem neuen, internen Bericht weitaus mehr Menschen von einer Umsiedlung betroffen, als bisher angenommen. Statt wie bisher von 12.000 bis 15.000 direkt Betroffenen geht der Bericht, den die Schweizer Exportkreditversicherung in Auftrag gegeben hat, von 19.000 bis 34.000 aus, indirekt betroffen von den Auswirkungen des Damms zum Beispiel durch Landverlust sind 55.000 bis 78.000. Für das Projekt liegen bei neun Exportkreditversicherungen, darunter der staatlichen deutschen Hermes-Versicherung, Anträge von Firmen vor. Die Organisation WEED forderte die Bundesregierung gestern auf, sich nun endgültig gegen eine Bewilligung einer Bürgschaft zu entscheiden.

Laut Ayse Kudat, einer ehemaligen Weltbankmitarbeiterin und Autorin des Berichts, ist zudem der Umsiedlungsplan für die Menschen, den die türkischen Behörden erstellt haben, unzureichend. Er entspräche nicht den internationalen Standards. Um die Betroffenen ausreichend zu rehabilitieren, müssen zudem die dort herrschenden Sondergesetze aufgehoben werden. Das Projektgebiet ist kurdisches Gebiet. "Wenn nicht einmal die Basisinformationen des Projekts stimmen, können auch die von der Bundesregierung vorgesehenen Auflagen das Projekt nicht mit internationalen Standards in Einklang bringen", sagte Barbara Unmüssig von WEED. Der Ilisu-Damm ist in der Vergangenheit nicht nur wegen der Umzusiedelnden kritisiert worden. Archäologen sind gegen den Bau, weil die uralte Stadt Hasankeyf überschwemmt würde. Außerdem wird mit erheblichen politischen Spannungen gerechnet, weil die Türken mit dem Bau des Dammes den flussabwärts lebenden Syrern das überlebensnotwendige Wasser des Tigris abdrehen könnten.

In der deutschen Regierung hat man bisher keinen Entschluss zu Ilisu gefasst. Die Grünen-Fraktion stellt sich auf den Standpunkt, dass vorab mehrere Bedingungen erfüllt sein müssen, darunter eine befriedigende Regelung der Umsiedlung.

MAIKE RADEMAKER