Berliner Morgenpost, 8.9.2000

Keine Belastung durch Panzer-Geschäft

Ankaras Botschafter Ulucevik nennt deutsch-türkische Beziehungen stabil

Von Manfred Pantförder

Berlin - Seit die Türkei mit massiver Hilfe der rot-grünen Bundesregierung den heiß begehrten Kandidatenstatus für einen möglichen Beitritt zur Europäischen Union (EU) erhalten hat, ist das Land am Bosporus noch näher an Deutschland gerückt. Innenpolitischen Streit gab es hierzulande jedoch wegen des türkischen Begehrens, seine Streitkräfte mit 1000 Panzern aus deutscher Produktion auszustatten. Das geplante Panzer-Geschäft mit Ankara werde die deutsch-türkischen Beziehungen nicht belasten, sagte der türkische Botschafter in Berlin, Tugay Ulucevik. «Egal, welche Entscheidung getroffen wird.»

Der Bundesregierung stehe es völlig frei, wie sie sich verhält, sagte der Diplomat gestern in Berlin. Ankara übe keinerlei Druck auf die Entscheidung aus. Aus seiner Meinung machte der Botschafter jedoch keinen Hehl: «Ich würde mich natürlich freuen, wenn Krauss-Maffei Wegmann die Zusage erhält.» Das Münchener Unternehmen baut den Leopard 2. Ulucevik wies auf den beträchtlichen Umfang des Projekts mit einem Volumen von 14,5 Milliarden Mark hin. Wann die endgültige Entscheidung fällt, steht nach seinen Angaben noch nicht fest.

Ankara hatte schon zu Jahresbeginn einen Testpanzer erhalten. Die Bundesregierung hat eine Exportgenehmigung derzeit ausgeschlossen. Zunächst werden von Ankara Verbesserungen bei der Menschenrechtslage erwartet.

Die Beziehungen zwischen Berlin und Ankara haben sich insgesamt seit dem Regierungswechsel in Deutschland erheblich verbessert, sagte der türkische Botschafter. Das macht er vor allem an der EU-Perspektive fest, die seinem Land eröffnet wurde. Die Vorgänger-Regierung Kohl hatte den Türken, die seit 1963 an die Tür der Europäer klopfen, noch die kalte Schulter gezeigt.

In den letzten 18 Monaten habe es über 40 Besuche von türkischen Ministern in Deutschland und zahlreiche Gegenbesuche in Ankara gegeben. Einen Höhepunkt nannte Ulucevik die Reise von Bundespräsident Johannes Rau in die Türkei.

Auch die Wirtschaftsbeziehungen entwickelten sich günstig, sagte der Diplomat. Deutschland bleibe der Tourismuspartner Nummer 1 seines Landes. In diesem Jahr werde eine Rekordzahl von deutschen Urlaubern erreicht. Im Gegensatz zu 1999, «aus wohlbekannten Gründen», sagt Ulucevik und meint den starken Rückgang der Zahlen im Zusammenhang mit der Verhaftung von Kurden-Führer Öcalan.

Der zum Tode verurteilte Chef der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei (PKK) ist auf der Gefängnisinsel Imrali inhaftiert. Die Vollstreckung des Urteils ist ausgesetzt. Ankara wartet einen Spruch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg ab, der sich mit dem Fall befasst.

In Straßburg soll Jurist Ulucevik seine Regierung künftig in Menschenrechtsverfahren vertreten. Nachfolger in der Berliner Botschaft wird nach seinen Angaben Osman Korutürk, derzeit Ankaras Botschafter in Norwegen. Dessen Aufgabe wird der Umzug aus der provisorischen Botschaft in Mitte in das neue Gebäude im Tiergartener Diplomatenviertel sein, mit dessen Arbeiten demnächst begonnen werden soll.