Frankfurter Rundschau, 5.9.2000

Nur zu deren Schutz will der BGS gegen Iraner vorgegangen sein

Nachdem Beamte bei einer Abschiebung Gewalt anwendeten, droht ihnen nun eine Strafanzeige wegen Körperverletzung

Von Hans-Jürgen Biedermann

Der Bundesgrenzschutz (BGS) am Frankfurter Flughafen sieht sich einmal mehr mit Vorwürfen von Flüchtlingsorganisationen konfrontiert. Bei einem Abschiebeversuch sollen die Bundespolizisten Angehörige einer iranischen Familie misshandelt haben. Mit dem Fall wird sich möglicherweise die Staatsanwaltschaft beschäftigen. Der BGS weist jede Schuld von sich.

Das Ehepaar K. und seine vier Kinder im Alter von zehn bis 21 Jahren müssen seit sechs Wochen in der Flüchtlingsunterkunft am Airport ausharren. Ihre Asylanträge sind im Rahmen des verkürzten Flughafenverfahrens abgelehnt worden. Am vergangenen Samstag wurde der erste Versuch unternommen, die sechs Personen nach Libanon abzuschieben, von wo aus sie nach Frankfurt eingereist waren. Der BGS-Arzt hatte keine gesundheitlichen Bedenken gegen den Flug mit einer Maschine der Middle East Airways nach Beirut. Der Mediziner Claus Metz vom Arbeitskreis Flüchtlinge der Ärzte in sozialer Verantwortung beurteilte die Lage ganz anders. Die 41-jährige Mutter sei nach wochenlanger Behandlung im Krankenhaus in einem "äußerst labilen" Zustand. Ihr Ehemann habe mehrfach Suizidabsichten geäußert. Der 51-Jährige war es auch, der lautstark Protest erhob, als die Familie in das Flugzeug einsteigen sollte.

Die Ärzte-Organisation, Pro Asyl und das Aktionsbündnis gegen Abschiebungen Rhein Main geben in ihren Erklärungen die Aussagen des Iraners über die Reaktionen der BGS-Beamten wieder. Man habe dem Mann die Arme nach hinten gerissen, den Kopf auf die Brust gedrückt und ihn schließlich in Bauchlage gezwungen. Dadurch sei dieser in erhebliche Atemnot geraten. Mediziner Metz berichtet, bei seinem Gespräch mit dem Iraner sei ihm am Sonntag an dessen rechter Halsseite eine "rötliche, Handteller große Druckstelle" aufgefallen. Als zwei der Kinder ihrem Vater helfen wollten, seien sie mit Schlägen auf die Wange und gegen den Kehlkopf auf Distanz gehalten worden.

Für Claus Metz stellt das Verhalten der Beamten einen klaren Verstoß gegen Anweisungen von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) dar. Der hatte im Juni 1999 nach einem tödlich verlaufenen Abschiebeversuch erlassen, dass "bei der Rückführung Gefahr für Leib oder Leben" auszuschließen sei. "Keine Rückführung um jeden Preis", verlangte der Minister seinerzeit von den Beamten.

Glaubt man BGS-Sprecher Ludwig, dann haben sich seine Kollegen im Falle der iranischen Familie freilich genau an die Vorgaben des Ministers gehalten. "Wir haben den unmittelbaren Zwang nicht zur Durchsetzung der Zurückweisung, sondern zum Schutz der Betroffenen angewendet", sagt er. Dem Vater seien die Arme festgehalten worden, weil er sich mehrfach mit den Fäusten ins Gesicht geschlagen habe. Genauso sei man gegen den Sohn vorgegangen. Der habe den Kopf gegen eine Fensterscheibe des Dienstbusses gestoßen. Im übrigen sei schon frühzeitig klar gewesen, dass man die Abschiebung nicht vollziehen werde. Der Pilot hatte sich von Anfang an dagegen ausgesprochen, die Flüchtlinge mitzunehmen.

Die Frankfurter Rechtsanwältin Silke Born, Vertreterin in dem Asylverfahren, will bald ein Gespräch mit den Mandanten führen. Sofern "das alles so stimmt", werde sie eine Strafanzeige wegen Körperverletzung empfehlen. Die widersprüchlichen Aussagen ließen den Schluss zu, dass sich die Wahrheit nur im Rahmen eines staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren klären lasse. Dabei könnten die beiden Sicherheitsbeauftragten der Fluglinie als neutrale Zeugen eine wichtige Rolle spielen.