Wiesbadener Kurier, 5.9.2000

Haben Kirchen sich erpressen lassen?

Fall Akyüz: Angaben widersprechen sich

Von KURIER-Redakteurin Anke Hollingshaus

Haben die Kirchen sich im Fall Akyüz erpressen lassen? Schon vor längerer Zeit hatte der Flüchtlingsrat Vorwürfe gegen den Pfarrer der Mainzer Evangelischen Studentengemeinde, Ulrich Luig, erhoben. Es ging um die Tochter der Familie, Selma Akyüz, die Nierensteine hatte und in Mainz im Krankenhaus behandelt werden musste. Laut Flüchtlingsrat hat der rheinland-pfälzische Innenminister Zuber

Stillschweigen vereinbart

(SPD) einer Behandlung außerhalb der Kirche nur zugestimmt, wenn man sich bereit erkläre, das Kirchenasyl noch im August zu beenden. In einer gemeinsamen Erklärung nehmen Friedrich Weber, Propst für Süd-Nassau, Klaus-Volker Schütz, Propst für Rheinhessen, und ESG-Pfarrer Ulrich Luig, jetzt Stellung zum beendeten Kirchenasyl. Wie berichtet ist Familie Akyüz am 21. August untergetaucht.

"Einen vereinbarten Zusammenhang zwischen der Beendigung des Kirchenasyls und den notwendigen Heilbehandlungen hat es nicht gegeben", heißt es in dem Schreiben der Kirchenvertreter. Dem widerspricht jetzt Heidi Lankisch, die für die Familie übersetzt hat und an mehreren Treffen teilnahm. Während das Mädchen in der Klinik gewesen sei und auch danach habe Luig "eindeutig erklärt, die Krankenhausbehandlung sei nur unter der Bedingung vom Innenministerium erlaubt worden, dass die Kirchen sich bereit erklärt hätten, das Kirchenasyl bis zum 15. August zu beenden." Außerdem habe man über den Klinikaufenthalt Stillschweigen vereinbart.

Als Zeugen von Luigs Aussagen führt Lankisch Jochen Herlt von der Wiesbadener St. Elisabethgemeinde an, die wie berichtet Kirchenasyl gewähren wollte, ihr Angebot aber im August zurückgezogen hatte. Herlt wollte sich gestern gegenüber dem KURIER nicht zu dieser Frage äußern. Er habe sich bisher aus öffentlichen Diskussionen herausgehalten und wolle dies beibehalten.

In ihrer Erklärung beschreiben die Kirchenvertreter das fluchtartige Verschwinden der Familie als verzweifelten Versuch, der befürchteten Verfolgung in der Türkei "unter buchstäblich allen Umständen zu entgehen. Man habe den Kurden stets gesagt, dass das Kirchenasyl nur ein befristeter Schutz sein könne.

Nachdrücklich unterstützten die Kirchenvertreter alle laufenden Bemühungen, den legalen Aufenthalt der Familie so lange zu ermöglichen, bis die Abschiebungshindernisse in den noch anhängigen Verfahren gewürdigt worden sein. Nach Einschätzung der Pfarrer

"Verzweifelter Versuch"

hätte die Wiesbadener Ausländerbehörde die Möglichkeit gehabt, die Abschiebung für mindestens sechs Monate auszusetzen. Zudem habe die große Unterstützung gezeigt, dass es "nicht nur Fremdenfeindlichkeit, sondern auch große Fremdenfreundlichkeit in unserem Land gibt." Das Asyl sei von vielen nicht als "Gegensatz zu dem verfassungsmäßigen Auftrag des Staates zum Schutz von Verfolgten" verstanden worden, sondern " als ein ergänzender Schritt im Ausnahmefall."