Offenbach Post, 5.9.2000

Termin beim Kreissozialamt endete in Gefängniszelle

Neu-Isenburg (sig) Seit neun Jahren lebt die Kurdin Yelo Cagi in Deutschland. In der Hugenottenstadt hat die Frau eine zweite Heimat gefunden. Ein Asylantrag wurde zwar abgelehnt, doch hat Yelo Cagi im vergangenen Herbst einen Antrag auf Bleiberecht gestellt, über den noch nicht entschieden ist.

Was die allein stehende Mutter von zwei Kindern kürzlich im Kreissozialamt erlebt hat, wird sie wohl kaum vergessen. "Sie hatte dort einen Termin, um wegen Unterhaltsleistungen etwas zu klären", so Brunhilde Riemer von der Flüchtlingshilfe Neu-Isenburg, die sich seit dem Zwischenfall um Yelo Cagi kümmert. Der Sachbearbeiter habe gleich nach dem Eintreffen der Kurdin das Kreisausländeramt angerufen, das wiederum die Polizei verständigt hat. Kurz darauf sei sie - flankiert von Beamten - mit auf den Rücken gedrehten Armen abgeführt worden. Ihr dreijähriges Kind, das sie dabei hatte, habe man ihr weggenommen und in ein Heim gesteckt.

Auch die hörgeschädigte zweite Tochter, die eine Behindertenschule in Frankfurt besucht, hätten Polizisten wenige Stunden später vor der Lehranstalt "abgefangen" und in ein Heim gebracht. Die Kurdin sollte bereits einen Tag später abgeschoben werden. Der Frankfurter Anwalt Helmut Bäcker, der die Frau seit Jahren rechtlich vertritt, konnte das im letzten Moment verhindern.

Seiner Ansicht nach war die geplante Abschiebung rechtswidrig. Yelo Cagi hätte auf Grund der langen Aufenthaltsdauer in Deutschland per Abschiebungsankündigung informiert werden müssen. Dies sei nicht geschehen. "Die Art und Weise der Behandlung erbost mich am meisten", so der Jurist. Das Kreissozialamt habe zudem versucht, die Frau abzuschieben, bevor über ihr Bleiberecht entschieden worden sei.

Auch Brunhilde Riemer kritisierte das Verhalten der Behörden. "Man versucht die Ausländer, die ihre Rechte nicht kennen und ohne Betreuer kommen, vor vollendete Tatsachen zu stellen." Yelo Cagi habe ihr berichtet, dass sie von den Beamten auch beschimpft worden sei. Sie sei als "Lügnerin" bezeichnet worden, weil ihr die Polizei zunächst nicht habe abnehmen wollen, dass die behinderte Tochter eine Ganztagsschule besucht. Im Gefängnis habe sie übernachten müssen und nicht einmal eine Decke bekommen. Derzeit, so Anwalt Bäcker, werde der Antrag auf Bleiberecht geprüft. Im November rechnet er mit einer Entscheidung.

Yelo Cagi lebt seit den Vorkommnissen in ständiger Angst, wieder von der Polizei abgeholt zu werden. In der Türkei, so Bäcker, wäre die Frau geächtet. Allein stehend mit zwei Kindern, eins davon auch noch behindert, sei sie ohne Chance auf Eingliederung. In der Hugenottenstadt, so Brunhilde Riemer, habe sie Arbeit und Menschen, die sich um sie kümmern und sie unterstützen.

Das Kreissozialamt war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.