taz 30.5.2000

Festung Europa einigt sich nicht

Beim Treffen der EU-Innenminister mauert Deutschland gegen die Einrichtung eines europäischen Flüchtlingsfonds und gegen großzügigere Familienzusammenführung

BRÜSSEL taz Die EU-Innenminister sind sich gestern in Brüssel über den geplanten europäischen Flüchtlingsfonds nicht einig geworden. Umstritten blieb auch der Entwurf der EU-Kommission zur Familienzusammenführung, der die Rechte der Flüchtlinge in einigen Mitgliedsländern erweitern würde - zum Beispiel in Deutschland. Bisher haben in Deutschland nur anerkannte Asylbewerber das Recht, ihre Familie ins sichere Exil nachzuholen. Die Flüchtlingsorganisationen setzen sich schon lange dafür ein, den Familiennachzug für alle Menschen möglich zu machen, denen ein Familienleben in der Heimat verwehrt ist. Sie denken dabei vor allem an Flüchtlinge, die aus sicheren Drittstaaten nach Deutschland eingereist sind und dort nur das so genannte kleine Asyl erhalten, das keine Aufenthaltserlaubnis, sondern eine -befugnis beinhaltet. Sollte die neue EU-Richtlinie die Rechte dieser Menschen erweitern, rechnet Deutschland mit einer halben Million nachkommender Familienmitglieder im Jahr - bislang sind es nur 60.000. Auch den geplanten europäische Flüchtlingsfonds sehen deutsche Politiker mit Skepsis. Zwar halten sie die Idee, in den kommenden fünf Jahren 350 Millionen Mark für Strukturmaßnahmen wie Ausbildung und Unterbringung von Flüchtlingen auszugeben und weitere 100 Millionen für Soforthilfe bereit zu stellen, im Prinzip für gut. Sie wollen aber eine Klausel einbauen, die neben den finanziellen Lasten auch die Flüchtlinge besser verteilt. Eine Situation wie im Kosovokrieg, wo Deutschland den Großteil der Flüchtlinge aufnahm, soll in Zukunft nicht mehr entstehen. Frankreich dagegen besteht auf dem Prinzip der "doppelten Freiwilligkeit", was bedeutet, dass sowohl das Aufnahmeland als auch der Flüchtling einverstanden sein müssen. Eine zentrale europaweite Flüchtlingsverteilstelle könnte das nicht gewährleisten. Caritas Europa begrüßt die Kommissionspläne für einen Flüchtlingsfonds. Die Organisation glaubt aber, dass die geplanten Mittel nicht ausreichen werden. Sie verlangt, dass die EU-Beitrittskandidaten ebenfalls aus dem Fonds unterstützt werden. Denn diese Staaten übernehmen zunehmend eine Pufferfunktion für Flüchtlinge, die nach Europa drängen. DANIELA WEINGÄRTNER