HANDELSBLATT 29.4.2000

Verbot weiterer Reform-Zeitungen im Iran

Unruhen an Teheraner Universität

ap TEHERAN. In der andauernden Kraftprobe zwischen den Reformkräften um den iranischen Präsidenten Mohammed Chatami und islamischen Hardlinern hat es in der Nacht zum Freitag die ersten Unruhen an einer Teheraner Universität gegeben. Nach Angaben eines Augenzeugen nahmen am Donnerstagabend rund 200 Studenten an einer Protestveranstaltung gegen die Schließung liberaler Zeitungen durch die den Hardlinern nahe stehende Justiz teil. Am frühen Morgen sei es zu gewaltsamen Zusammenstößen gekommen, als Polizisten und Revolutionswächter die Veranstaltung auflösten. Dabei seien Steine geflogen und Reifen in Brand gesteckt worden.

Chatami hatte am Donnerstag erneut seine Anhänger aufgerufen, angesichts des Vorgehens der Anhänger des geistlichen Führers Ali Chamenei Ruhe und Besonnenheit aufgerufen. "Wenn es in der Gesellschaft Spannungen oder eine Krise gibt, sollte jedermann Weisheit und Selbstbeherrschung walten lassen und im Rahmen von Gesetz und Ordnung handeln", wurde er im iranischen Fernsehen zitiert. Am Donnerstag wurden drei weitere Reformzeitungen geschlossen, darunter die vom Bruder des Präsidenten, Mohammed-Resa Chatami, herausgegebene "Moscharekat". Eine Woche vor den Stichwahlen zum iranischen Parlament darf in Iran nur noch ein liberales Blatt, "Bajan", erscheinen. Seit vergangener Woche wurden 16 Reformzeitungen geschlossen.

"Die Reformer sind unter Belagerung. Sie sehen der konstituierenden Sitzung des Parlaments als der Kavallerie entgegen", beschrieb der Journalist Said Lajlas die Lage. Lajlas arbeitet für das am Montag verbotene Blatt "Asad". Durch die Welle von Zeitungsverboten haben die Reformkräfte bis zur ersten Sitzung des neugewählten Parlaments am 27. Mai kein Sprachrohr mehr. Aber dann können sie wieder direkt mit dem Volk kommunizieren: Laut Verfassung muss der Rundfunk Parlamentssitzungen direkt übertragen.

Möglicherweise wird die Zusammensetzung des Parlaments bis dahin aber noch zu Gunsten der Hardliner geändert, die auch die Kontrolle über den Wächterrat haben, der für die Wahlprüfung zuständig ist. Die Reformer gewannen im Februar 70 % der 290 Sitze. Zwölf Mandate wurden ihnen vom Wächterrat bereits aberkannt. Zudem erklärte das Gremium, das es bei der Abstimmung im Großraum Teheran Betrug gegeben habe, wo die Reformer 29 von 30 Sitzen gewannen. Entschieden hat es in dieser Sache noch nicht. Am 5. Mai finden Stichwahlen über die Verteilung von 66 Mandaten statt.