Berliner Morgenpost, 11.2.2000

Schwierige Nachbarn in der EU

Athen und Ankara auf Annäherungskurs

Von Evangelos Antonaros

SAD Athen - Griechenland und die Türkei setzen ihre vorsichtige Annäherung fort. Nach den intensiven Gesprächen der Außenminister, Georgios Papandreou und Ismail Cem, werden jetzt vier Athener Spitzendiplomaten den Türken bei ihren Vorbereitungen für die Gespräche mit Brüssel über den EU-Beitritt helfen.

Diesen «Erfahrungstransfer» hatte Papandreou seinem «lieben Freund Ismail» als Geste des guten Willens angeboten. Den Griechen, die beim EU-Gipfel im Dezember in Helsinki sich selbst überwanden und den Weg für die Anerkennung der Türkei als EU-Beitrittskandidat frei machten, geht es darum, dass dieser Status «nicht nur Papier» bleibt. Athen, so ist im griechischen Außenministerium zu hören, setzt bei dieser strategische Kehrtwende darauf, dass eine westlich ausgerichtete und in Europa eingebundene Türkei langfristig ein erheblich berechenbarer Nachbar sein wird.

Die beiden Außenministern konnten im Laufe der letzten Monate ein hohes Maß an Misstrauen abbauen: Neun bilaterale Abkommen im Wirtschafts-, Energie-, Schifffahrts-, Umwelt-, Tourismus- und Sicherheitsbereich wurden unterzeichnet.

Den jüngsten Akt dieser Annäherung bildete ein Treffen von Journalisten beider Länder. Zwei Tage berieten sie im Athener Zappeion-Palast, wie griechische und türkische Massenmedien zum Abbau von altem Misstrauen und zur Verhinderung neuer Krisen beitragen können. Waren es doch in der Vergangenheit oft die Zeitungen und privaten Fernsehsender auf beiden Seiten, die nicht gerade nennenswerte Differenzen zu Krisen aufgebauscht haben. «Nun müssen wir aufpassen, dass wir uns nicht über Tag von professionellen Kriegsjournalisten in professionellen Friedensjournalisten umwandeln», witzelte der angesehene griechische TV-Moderator Pavlos Tsimas.

Die in raschen Schritten vor allem im atmosphärischen Bereich erfolgte Annäherung wird demnächst freilich ein kleine Atempause einlegen müssen: In Griechenland wird am 9. April ein neues Parlament gewählt. Und der sozialistische Premier Kostas Simitis, ein engagierter Befürworter der Entspannung mit dem Nachbarn, will nicht riskieren, dass eine etwaige Spannung im griechisch-türkischen Verhältnis seine Wahlchancen beeinträchtigt. Daher hat er bisher nur «im Prinzip» eine Einladung des türkischen Regierungschefs Bülent Ecevit nach Ankara angenommen. Nicht zu Unrecht meinen die Griechen, dass vor einem solchen Gipfel erhebliche Vorarbeit bei den eigentlichen Problemen zwischen beiden Nato-Ländern geleistet werden muss.

So erwartet Athen «konkrete Gesten» Ankaras in einigen hochpolitischen Bereichen - vor allem im Territorialstreit in der Ägäis. Ecevit plädiert für einen umfassenden Dialog, Simitis hingegen will sich nur auf Gespräche über den umstrittenen Festlandsockel einlassen. Und dann ist da noch das Krisenfeld Zypern - für Athen eine «offene Wunde», ohne deren Verheilung eine wirksame und dauerhafte Annäherung nicht möglich sein kann.