Dieses Dokument ist Teil des Buches „Wie geschmiert - Rüstungsproduktion und Waffenhandel im Raum Hamburg“, 1998

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Impressum



Hermes Kreditversicherungs AG

Hauptverwaltung: 22763 Hamburg (Ottensen), Friedensallee 254
Niederlassung: 20097 Hamburg (Hammerbrook), Sachsenkamp 5



Grundkapital: 104 Mio. DM
Beschäftigte: gesamte AG 1.860, davon 418 im Mandatsgeschäft (1996)
Vorstandsvorsitzender: Wolf-Ingo Darius



Hermes ist "der führende private Kreditversicherer in Deutschland und weltweit einer der grössten Anbieter" (Selbstdarstellung). 1996 ist Hermes in den Mehrheitsbesitz der Allianz AG (München) übergegangen. Im Zuge eines Milliardendeals erwarb die Allianz zu ihrer bisherigen 25-Prozent-Beteiligung an Hermes ein 50,3-Prozent-Paket von der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft AG. Ausserdem kaufte die Allianz den Anteil der Colonia Versicherungs AG (Köln) auf, so dass ihr Hermes nun zu rd. 90 Prozent gehört.13 Im Beirat von Hermes sitzt übrigens auch Altbundeskanzler Helmut Schmidt - seit 1967.

Von den verschiedenen Versicherungsbereichen, in denen Hermes tätig ist, interessiert hier nur das sog. Mandatsgeschäft. "Im Auftrag und für Rechnung der Bundesrepublik Deutschland" bearbeitet Hermes federführend die staatlichen Ausfuhrgarantien und Ausfuhrbürgschaften. Deutsche Unternehmen erhalten hierdurch Deckungsschutz für politische und wirtschaftliche Risiken aus Exportgeschäften. Wenn ein ausländischer Kunde infolge von Krieg, Revolution, Embargo, Devisenknappheit oder ähnlichem seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt, springt hierfür der Bund, sprich der Steuerzahler, ein, um den Exporteur vor Verlusten zu schützen.14

Von Ausfuhrgarantien wird bei Geschäften mit ausländischen Privatkunden gesprochen, von Ausfuhrbürgschaften bei solchen mit ausländischen Regierungsstellen. Über die Gewährung von Hermes-Bürgschaften entscheidet ein Interministerieller Ausschuss, in dem die Bundesministerien für Wirtschaft, Finanzen, Auswärtiges und wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vertreten sind. Die Hermes-Bürgschaften sind ein wirtschaftspolitisches Instrument zur Ankurbelung der deutschen Exporte und zur Erschliessung neuer Märkte. Zugleich können sie von der Bundesregierung als politisches Druckmittel gegenüber den Empfängerländern genutzt werden.

Bis 1982 haben sich die Hermes-Bürgschaften selbst finanziert, seitdem verursachen sie - z.T. ein Resultat der internationalen Schuldenkrise - Defizite. Die Entschädigungsleistungen haben den Bundeshaushalt 1995 kassenmässig mit 1,5 Mrd. DM und 1996 mit 867 Mio. DM belastet.

Als der SPD-Bundestagsabgeordnete Lambinus 1982 die Bundesregierung fragte, in welcher Höhe Kriegswaffen- und Rüstungsexporte in den vergangenen drei Jahren durch Hermes-Bürgschaften abgesichert worden seien, verweigerte der Parlamentarische Staatssekretär Grüner "aus Gründen der Vertraulichkeit" die Antwort.15 Übliche Praxis der Bundesregierung ist es seit vielen Jahren, den Haushaltsausschuss unter dem Mantel der Verschwiegenheit über wichtige und heikle Hermes-Bürgschaften zu informieren. Anfang der 90er Jahre ist die Geheimniskrämerei wenigstens punktüll durchbrochen worden. So bezifferte die Bundesregierung die 1991/92 übernommenen Hermes- Deckungen für militärische Exportgeschäfte auf 773,1 Mio. DM.16 Eine für den Haushaltsausschuss bestimmte Übersicht des Finanzministeriums vom 25.10.1993 listete aktülle Dekungszusagen für Rüstungsexporte in einem Umfang von über 2,2 Mrd. DM auf.17

Hermes-Bürgschaften für Rüstungsgeschäfte18



Bestimmungs-
land

Projekt (beteiligtes deutsches Unternehmen)


Libyen

Militärcamps

Infrastruktureinrichtungen, Gewährung von Bürgschaften: bis 1978

Indonesien

2 U-Boote (HDW)

Gewährung der Bürgschaft: Febr. 1977, Bauzeit: 1977-81

Argentinien

2 U-Boote und Materialpakete für 2 weitere U-Boote (Thyssen Nordseewerke)

Kabinettsbeschluss f.d. Bürgsch.: 30.11.1977, 2 U-Boote wurden 1980-85 gebaut, die beiden anderen nicht fertiggestellt.

Saudi-Arabien

Militärbauten, darunter Radarunterstände an 23 Standorten für 2,586 Mrd. DM

Gewährungszeitraum 1979-84

Malaysia

2 Korvetten (HDW)

Vertragsabschluss 1981, Bauzeit: 1982-84

Indien

2 U-Boote und Materialpakete für 2 weitere U-Boote (HDW)

Auftragswert: knapp 1.000 Mio. DM, Vertragsabschluss 1981/83, Bauzeit: 1982-94

Indien

100 Torpedos für die indischen U-Boote (AEG)

Auftragswert: 180,5 Mio. DM, Vertragsabschluss 1983 oder früher

Türkei

2 Fregatten und Materialpakete für 2 weitere Fregatten (Blohm + Voss/HDW)

Bürgschaft: 800 Mio. DM (Juli 1983), Bauzeit: 1983-89

Türkei

Materialpakete für 4 U-Boote (HDW)

Bürgschaft: 874 Mio. DM, Vertragsabschluss 1987/93, Bauzeit: 1989-1999

Kolumbien

Fernmeldeeinrichtungen für die Armee

Gewährung der Bürgschaft: 1988

Griechenland

1 Fregatte und Materialpakete für 3 weitere Fregatten (Blohm + Voss)

Bürgschaft: Höhe nicht bekannt, Vertragsabschluss 1989, Bauzeit: 1990-2000

Türkei

2 Fregatten und Materialpakete für 2 weitere Fregatten (Blohm + Voss)

Bürgschaft: 1.100 Mio. DM, Vertragsabschluss: 1990/92/94

Ecuador

Digitalisierung des Militärrichtfunknetzes

Bürgschaft: 9,5 Mio. DM (1992)

Philippinen

Motoren/Ersatzteile für 3 Patrouillenboote

Bürgschaft: 14,5 Mio. DM (1992)

Rumänien

Kurzwellenanlagen für Verteidigungsministerium

Bürgschaft: 9,6 Mio. DM (1992)

Vereinigte Arab.

Ausrüstung für Marineschulungszentrum Emirate

Bürgschaft: 16,2 Mio. DM (1992)

Iran

Notstromanlagen für Militärkrankenhäuser und Kasernen

Bürgschaft: 6,9 Mio. DM (1992)

Algerien

2 Seeraumüberwachungs-Flugzeuge Dornier 228-212

Bürgschaft: 33,1 Mio. DM (1992)

Algerien

50 Feldküchen, Ersatzteile für Patrouillenboote, Nachrichtentechnik

Bürgschaft: 18,6 Mio. DM (1992)

Griechenland

400 Feuerleitsysteme für Panzer Molf 48

Bürgschaft: 342,3 Mio. DM (1992)

Türkei

Verpackungsmaschinen für Munition von Handfeuerwaffen

Bürgschaft: 1,0 Mio. DM (1992)

Türkei

1 Raketenschnellboot und Materialpakete für 2 weitere Schnellboote (Lürssen-Werft)

Bürgschaft: 318 Mio. DM (Hauptbetrag 1993 bewilligt), Bauzeit: 1994-98

Indonesien

Umbau von 39 Kriegsschiffen der früheren DDR-Marine und Werftmodernisierung (Ferrostaal,Peene-Werft Wolgast, Neptun-Werft Rostock, Siemens)19

Bürgschaft: 698,9 Mio. DM (1993), Umbauzeit: 1993-96

Südkorea

Materialpakete für 3 U-Boote (HDW)

Bürgschaft: 696 (+ 51) Mio. DM (1994)

Türkei

590 Militär-Unimogs (Mercedes-Benz)

Bürgschaft: 48,8 Mio. DM (1996)



Die Tabelle zeigt, dass zu den Hauptnutzniessern der Hermes-Bürgschaften Unternehmen der deutschen Kriegsschiffsindustrie zählen, vor allem HDW und Blohm + Voss.

Die vorstehende Übersicht ist mit Sicherheit unvollständig. Nicht berücksichtigt sind hier Bürgschaften in zweistelliger Milliardenhöhe für die Atomgeschäfte, die seit den 70er Jahren mit Brasilien, Argentinien, Iran u.a. vereinbart wurden.20 Zu beachten sind ferner die Hermes-Bürgschaften für Exporte mit dual-use-Charakter. Darunter fallen z.B. die 1993 verbürgten Lieferungen von Hubschraubern BO 105 und BK 117 nach Argentinien, Botsuana, Swasiland, an die Philippinen und die Tschechische Republik.

Unklarheit besteht darüber, ob auch verschiedene militärisch bedeutsame Lieferungen an den Irak mit Hermes-Bürgschaften abgesichert wurden. 1982 dementierte die Bundesregierung eine Meldung, wonach sie Ausfuhrbürgschaften für den Bau von 40 Luftschutzbunkern in Bagdad übernommen habe; der Auftrag sei an die ausländische Konkurrenz gegangen.21 Demgegenüber wurde 1991 in einer Militärzeitschrift berichtet, die deutsche Firma Heilit + Wörner (München) habe 90 Bunker in Bagdad errichtet.22 Auf die Frage, ob die Ausrüstung des Regierungsbunkers von Saddam Hussein ganz oder teilweise durch Ausfuhrbürgschaften begünstigt wurde, erklärte die Bundesregierung 1993 kategorisch, Hermes-Bürgschaften für Exporte in den Irak seien "nur für Projekte mit zivilen Zwecken gewährt worden". 23 Zweifel bleiben.

Kritik/Proteste

Bereits Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre kritisierten Dritte- Welt-Gruppen und Entwicklungspolitiker, die Gewährung von Hermes-Bürgschaften würde zur Fehlentwicklung und Überschuldung in Ländern der Dritten Welt beitragen. Sie wandten sich gegen die Förderung des Handels mit repressiven Regimen (vor allem mit Südafrika) und des Rüstungsexports.24

Am 13. März 1991 besetzten über 70 Rüstungsgegnerinnen und -gegner das Foyer der Hermes Kreditversicherungs AG. Der Zugang wurde zeitweise blockiert; au einem Transparent hiess es "Hermes - Schutzgott deutscher Exporteure ist der Todesengel armer Länder".25

1992/93 erarbeitete Thomas Fues für die Bonner Informationsstelle "Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung" (WEED) eine Studie mit dem Titel "Ökologische und entwicklungspolitische Kritik der Hermes-Bürgschaften"; diese regte die öffentliche Diskussion an. Gegen rüstungsexportfördernde Hermes-Bürgschaften sprachen sich die Bundestagsfraktion der SPD, Vertreter und Vertreterinnen der PDS, des Bundes der Katholischen Jugend, von Misereor, terre des hommes und Germanwatch/Regionalgruppe Hamburg aus.26 Im Oktober 1993 brachte die Gruppe Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag einen Gesetzentwurf ein, der u.a. vorsah, die Übernahme von Ausfuhrgewährleistungen für mittelbare und unmittelbare Rüstungslieferungen zu untersagen.27

Als Ergebnis einer intensiven Beschäftigung mit den Hermes- Bürgschaften empfahl die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) 1994 vier Grundsätze, die künftig bei der Bürgschaftsvergabe beachtet werden sollten. Ein Grundsatz lautete: "Keine Bürgschaftsübernahme für die Lieferung von Gütern, die für militärische Zwecke bestimmt sind".28

Auf dem Hamburger Kirchentag 1995 machten die Kampagne "Produzieren für das Leben - Rüstungsexporte stoppen!" (Idstein) und die BUKO-Kampagne "Stoppt den Rüstungsexport" (Bremen) auf das Thema Hermes-Bürgschaften aufmerksam. Es traten auf dem Kirchentagsgelände "Hermes-Götterboten" in Erscheinung, die als Tausend-Mark-Scheine getarnte Flugzettel gegen die Hermes- Waffenexportförderung verteilten.

Der Hamburger Ostermarsch 1996 begann beim Hermes-Hochhaus; Hartmut Ring (Informationskreis Rüstungsgeschäfte in Hamburg) ging in der Auftaktkundgebung auf die Bedeutung dieser Gesellschaft ein.




Anmerkungen:

(13) Hamburger Abendblatt 27./28.7.1996 u. 15.1.1997; Hermes: Geschäftsbericht 1996, S. 14.
(14) Vgl. zum Gesamtkomplex Ralf Käpernick/Manfred Kulessa (Hrsg.): Der deutsche Hermes in der Einen Welt (Veröffentl. der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung), Bonn 1994; Klaus Milke: Die Hermes Kreditversicherungs-AG, in: Germanwatch- Regionalgruppe Hamburg (Hrsg.): Nord-Süd Watchbericht Hamburg 1994, Hamburg (1994), S. 47-69
(15) Deutscher Bundestag, Sitzungsprotokoll 13.5.1982, S. 6034f.
(16) Bundestags-Drucksache 12/5083 (Juni 1993).
(17) Käpernick/Kulessa (wie Anm. 2), S. 90.
(18) Hauptquellen: Deutscher Bundestag, Sitzungsprotokolle 14.12.1977 (S. 4786), 15.12.1977 (S. 4913), 27.4.1979 (S. 11953), 13.5.1982 (S. 6028ff.); Bundestags-Drucksachen 10/1089, 11/5550, 13/2237; Wirtschaftswoche Nr. 10/5.3.1982 S. 20 und Nr. 25/17.6.1983 S. 18f.; Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung 30.11.1992; Käpernick/Kulessa (wie Anm. 2), S. 90; Hamburger Abendblatt 9.3.1994 u. 22.8.1996.
(19) Die Bundesregierung hat anfangs behauptet, die Schiffe würden im demobilisierten bzw. demilitarisierten Zustand exportiert. Dagegen wusste die "Wehrtechnik" zu berichten: "Die Schiffe werden übrigens nicht `demilitarisiert', sondern ganz legal `mit aller Bewaffnung' übergeben werden." (Nr. 6/1993, S. 27).
(20) Deutscher Bundestag, Sitzungsprotokoll 20.6.1979, S. 12797; taz 2.11.1984.
(21) Wirtschaftswoche Nr. 10/5.3.1982, S. 20; Deutscher Bundestag, Sitzungsprotokoll 11.3. 1982, S. 5497.
(22) International Defense Review Nr. 6/1991 S. 569.
(23) Bundestags-Drucksache 12/5083 (Antwort auf PDS-Anfrage). Der atombombensichere Bunker für Saddam Hussein wurde von der Boswau + Knauer AG (Düsseldorf), einer Tochter der Bank für Gemeinwirtschaft, errichtet. Für den Auftrag legte damals Hans-Jürgen Wischnewski "ein gutes Wort in Bagdad" ein (Hamburger Morgenpost 25.1.1991).
(24) Deutscher Bundestag, Sitzungsprotokoll 14.12.1977, S. 4786f.; Gottfried Wellmer: Sichere Geschäfte. Hermes-Bürgschaften für Exporte nach Südafrika, in: informationsdienst südliches afrika Nr. 1/2-1983, S. 11f.; Schwarzbuch Hamburg - Dritte Welt, hrsg. v.d. Arbeitsgruppe "Hamburg-Dritte Welt", Hamburg 1983, S. 102f.
(25) taz Hamburg 14.3.1991.
(26)Vgl. Entschliessungsantrag der SPD-Fraktion (Bundestags-Drs. 12/5925); Käpernick/Kulessa (wie Anm. 2), S. 70ff., 80, 84ff. u. 91f.; Frankfurter Rundschau 16.2.1994; Milke (wie Anm. 2), S. 67.
(27) Bundestags-Drucksache 12/5949.
(28) Käpernick/Kulessa (wie Anm. 2), S. 8.