Dieses Dokument ist Teil des Buches „Wie geschmiert - Rüstungsproduktion und Waffenhandel im Raum Hamburg“, 1998

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GKSS-Forschungszentrum Geesthacht GmbH

21502 Geesthacht, Max-Planck-Str.

Stammkapital: 80.000 DM
Beschäftigte: rd. 800 (1997)



Das GKSS-Forschungszentrum Geesthacht GmbH ging 1979 aus der 1956 gegründeten Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schiffahrt (GKSS) hervor. Es ist eines der 16 nationalen Forschungszentren, die in der Hermann von Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren zusammengeschlossen sind. Die Forschungsreaktoren und andere Anlagen werden laut GKSS schwerpunktmässig zur Materialforschung, Umweltforschung und zur Trenn- und Verfahrenstechnik genutzt. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt war von 1983 bis 1993 die Unterwassertechnik. Am Stammkapital der GKSS sind beteiligt: die Bundesrepublik mit 46,3 Prozent, die vier norddeutschen Bundesländer mit zusammen 5 Prozent, der GKSS-Förderverein mit 15 und verschiedene Wirtschaftsunternehmen mit 33,7 Prozent. Die für die GKSS erforderlichen Zuschüsse werden zu 90 Prozent vom Bund und zu 10 Prozent von den Ländern getragen.

Beteiligung am Rüstungsgeschäft

Im Jahr 1989 erschien eine Dokumentation unter dem Titel "Atomforschung in Geesthacht - Schleichwege zur Atombombe?". Die fünfköpfige Redaktionsgruppe des Arbeitskreises "Atomwaffenverzicht ins Grundgesetz!" hat die Entwicklung der GKSS vor allem in der Zeit vor 1980 untersucht und ist aufgrund dieser Recherchen zu folgenden Ergebnissen gekommen:

"In Geesthacht existiert eine atomare Infrastruktur, die mit den Forschungsreaktoren, den Heissen Zellen und weiteren Forschungsgeräten labormässig eine Plutoniumwirtschaft möglich macht. Laut Aussage des ehemaligen Forschungsministers Volker Hauff (SPD) ist das die ausreichende Infrastruktur zum Bau einer Atombombe. ...In Geesthacht wird bzw. wurde auch real Plutoniumforschung betrieben, und zwar mit erschreckender Zielstrebigkeit bis ins Detail...Geesthachter Forscher beschäftigten sich bereits seit Anfang der 50er Jahre auch direkt mit der Technik von Atombomben. ... Atomtransporte aus Geesthacht gingen in militärische Wiederaufarbeitungsanlagen wie im französischen Marcoule..."

Die Dokumentation berichtet auch über die Kooperation der GKSS mit brasilianischen Einrichtungen, die 1972 begann. Das Augenmerk der Brasilianer galt hierbei vor allem der Entwicklung eines Atomreaktors für U-Boote, wenn nicht gar dem Ziel der Produktion von Atomwaffen. Durch den Bau des Atomschiffs "Otto Hahn", das 1968 seine erste Fahrt mit Reaktorantrieb absolviert hatte, verfügte die GKSS über Erfahrungen, die für die Brasilianer von grösstem Interesse waren. In der genannten Publikation wird festgestellt: "Von 9 Atomforschern aus Geesthacht ist namentlich bekannt, dass sie zumindest an einem Projekt des brasilianischen `Parallel-Programms' - dem zum Bau eines atomaren U-Boot-Reaktors - unterstützend mitgewirkt haben." 8 Bis in die 90er Jahre hinein hat das brasilianische Militär die Arbeiten an dem 50-Megawatt-Reaktor für das geplante U-Boot vorangetrieben; 1995 wurde erklärt, die Realisierung des Projekts werde um ein Jahrzehnt verschoben.9

Die wissenschaftlichen Fähigkeiten und Einrichtungen der GKSS werden in starkem Umfang auch von der Industrie genutzt, darunter von Unternehmen, die im Rüstungssektor eine prominente Rolle spielen.10 Hierzu gehören MTU München, Rheinmetall, Rohde & Schwarz, HDW Kiel und das durch seine U-Boot-Entwürfe bekannte Ingenieurkontor Lübeck (IKL). Die Entwicklungsarbeiten an neuen hochbelastbaren, bruchfesten Werkstoffen (z.B. auf der Basis von Titansiliziden und Titanaluminiden) dürften zumindest teilweise militärische Relevanz besitzen. Die Forschungen zur Verbesserung der Tauchtechnik haben ihren Niederschlag in Patenten gefunden, die auch in der Zeitschrift "Wehrtechnik" genannt wurden.11 Verschiedentlich arbeitet die GKSS auch direkt mit militärischen Einrichtungen zusammen, so mit den Bundeswehruniversitäten in Hamburg und München. In den 80er Jahren führte die Wehrwissenschaftliche Dienststelle der Bundeswehr für ABC-Schutz (Munster) Bestrahlungsversuche in den Forschungsreaktoren der GKSS durch. Über mehrere Jahre war die GKSS mit einem Seegangsatlas für die Nord- und Ostsee befasst - Auftraggeber: das Amt für Wehrgeophysik in Traben-Trabach.

Geschichte

In der Gründungsphase der GKSS (1955/56) setzte sich auf der politischen Ebene vor allem die Hamburger Behörde für Wirtschaft und Verkehr für das Nuklearforschungszentrum ein; anfangs hatte die Gesellschaft ihren Sitz auch in der Hamburger Innenstadt. Zum GKSS-Standort wurde dann aber 1956 ein Teil des Geländes in Geesthacht bestimmt, auf dem die Dynamit-Nobel-AG bis 1945 Munition produziert hatte. An der Gründung der GKSS im Jahr 1956 waren mehrere Personen mit unrühmlicher Vergangenheit beteiligt, darunter die im Zweiten Weltkrieg mit militärischen Atomprojekten befassten Physiker Kurt Diebner, Erich Bagge und Paul Harteck, aber auch der zum Generaldirektor der AG Weser aufgestiegene Heinrich Schliephake, der 1944 als Direktor bei Blohm + Voss massgeblich bei der Einrichtung eines KZ-Aussenlagers mitgewirkt hatte.12




Anmerkungen:

(8) Arbeitskreis Atomwaffenverzicht ins Grundgesetz (Hrsg.): Atomforschung in Geesthacht - Schleichwege zur Atombombe?, Hamburg 1989, S. 40.
(9) Jane's Fighting Ships 1996-97, S. 54. Hinzuweisen ist hier auch auf die langjährige, nicht abgeschlossene Kooperation zwischen HDW Kiel und der brasilianischen Marine im U-Boot-Sektor.
(10) Vgl. zum Folgenden die Jahresberichte 1984ff. des GKSS-Forschungszentrums. Bis zur Ausgabe 1992 (Geesthacht 1993) waren die Kooperationspartner der GKSS in den Jahresberichten stets genau aufgelistet; dies ist in den neueren Ausgaben nicht mehr der Fall.
(11) z.B. Wehrtechnik Nr. 2/1993, S. 62.
(12) Wie Anm. 1, S. 7ff. und 14f.; vgl. Monika Renneberg: Gründung und Aufbau des GKSS- Forschungszentrums Geesthacht (...), Diss. Hamburg 1990, bes. S. 29ff.; zu Schliephake: Susanne Wiborg: Walther Blohm. Schiffe und Flugzeuge aus Hamburg, Hamburg 1993, S. 103.