Vollständige Bibliographie 1988-1998     mit Anmerkungen


Bibliographie immaginärer Bücher

Es gibt Bücher, die existieren gar nicht. Sie tauchen in Literaturverweisen und wissenschaftlichen Bibliographien auf, obwohl deren AutorInnen sie nie in der Hand gehabt haben können. Der Grund liegt in der Arbeitsweise akademischer Anhangfetischisten, der notorischen Überforderung von (Hobby-)Archivaren sowie dem Vollständigkeitsanspruch bibliophiler Sammler.
In der Regel werden vor Erscheinen die angekündigten Titel an das Verzeichnis Lieferbarer Bücher (VLB) gemeldet und in den Verlagsvorschauen angezeigt. Wenn sie dann doch nicht publiziert werden, vergehen Monate, manchmal Jahre, bis eine Streichung erfolgt. Bis dahin sind die Verlagspläne sozusagen bibliographisch existent. Sie werden bestellt, tauchen bereits in den Computer mancher Bibliotheken auf, und es kommt sogar vor, daß LeserInnen sie bereits gesehen haben wollen, darüber mit anderen LeserInnen diskutieren und Buchhandlungen empört beim Verlag reklamieren, daß sie das Buch noch nicht erhalten haben. Es würde auch nicht verwundern, wenn das ein oder andere imaginäre Buch bereits rezensiert wurde.
Da wir also die Bedeutung dieses Problems einzuschätzen wissen, im folgenden die Spezialbibliographie aller angekündigten und nie in unserem Verlag erschienenen Titel.


1989

* Der Staat in Aktion.
Repression gegen Alternativzeitungen, ca. 100 Seiten (A4), ca. 10,- DM, (3-89408-003-5)

Ursprünglich war Der Staat in Aktion als Band mit Hintergrundmaterial parallel zu Schwarze Texte, in dem nur eine Auswahl beschlagnahmter und zensierter Texte dokumentiert werden sollten, geplant. Wie sich später bei den § 129a-Ermittlungen wg. Schwarze Texte zeigte, war eine Zusammenlegung beider Bände nicht nur aus konzeptionellen, sondern auch aus juristischen Überlegungen sinnvoll.


1991

* ID-Archiv im IISG (Hg.):
Projekt Gedächtnis.
Überlegungen zur Aufarbeitung linker Geschichte, ca. 150 Seiten, ca. 15,- DM, (3-89408-014-0)

Nie erschienen ist auch das Buch Projekt Gedächtnis. Überlegungen zur Aufarbeitung linker Geschichte. »In über zwei Jahrzehnten linker und linksradikaler Politik und Kultur in der BRD wurde eine Menge Papier produziert, das nicht zwangsläufig auf dem Müllhaufen der Geschichte endgelagert werden sollte. Daß diese Geschichte, die sich mit Zeitschriften, Broschüren, Büchern, Protokollen etc. rekonstruieren läßt, einer selbstkritischen Reflexion unterzogen werden sollte, ist momentan allerorten zu vernehmen. Der Sammelband mit Beiträgen von politischen Gruppen, WissenschaftlerInnen, JournalistInnen u.a. beinhaltet verschiedene Überlegungen zur Konzeption und praktischen Realisation eines solchen Projektes. Es ist der Versuch, nicht das Ende der Linken zu bejammern, sondern aus den Erfahrungen der Vergangenheit Konsequenzen zu ziehen und den Blick nach vorne zu richten.«
Wie schwierig offensichtlich jedoch die Reflexion der eigenen Geschichte ist, merkten wir trotz mehrerer Treffen und enormer Zeitinvestition. Zugesagte Beiträge trafen nicht ein, oder Kooperationen wurden zurückgezogen, sodaß wir ein Jahr später das ursprüngliche Projekt aufgeben müssen.


1992

* Max Nettlau:
Geschichte der Anarchie.
Band 1: Der Vorfrühling der Anarchie, ca. 290 Seiten, Broschur 28,- DM (3-89408-500), gebunden 48,- DM (3-89408-501)
* Band 2: Der Anarchismus von Proudhon zu Kropotkin, ca. 340 Seiten, Broschur 38,- DM (3-89408-502-99, gebunden 58,- DM (3-89408-503-7)
* Fermin Rocker:
East End.
Eine Kindheit in London, ca. 160 Seiten, gebunden ca. 26,- DM, (3-89408-601-7), Vorzugsausgabe (3-89408-602-5)
* Heiner Becker (Hg.):
Emma Goldmann.
Leben und Werk, ca. 160 Seiten (B5 Format) (3-89408-600-9)

Aufstieg und Untergang des imaginären Projekts Bibliothek Theleme innerhalb der Edition ID-Archiv war eine der lehrreichsten Erfahrungen in der bisherigen Verlagsarbeit. Geblendet von der Möglichkeit öffentlicher Reputation und der vollkommenen Überbewertung angeblicher altanarchistischer Büchermacher waren wir maßgeblich an einer Konzeption beteiligt, die auf dem Papier relativ gut aussieht.
»Der Historiker und Mitarbeiter des Amsterdamer Internationalen Instituts für Sozialgeschichte, Heiner Becker, und der Drucker Klaus Stohwasser werden in Zukunft innerhalb der Edition ID-Archiv eine eigene Reihe herausgeben. Inhaltlich und ökonomisch eigenständig sind in der Bibliothek Theleme Publikationen aus dem sozial- und kulturgeschichtlichen Bereich geplant.« (Herbstprospekt) Es stellte sich jedoch rasch heraus, daß wissenschaftlicher Anspruch und eine gewisse private ökonomische Absicherung aufgrund guter Kontakte zur Großbourgeosie nicht unbedingt die besten Voraussetzungen für eine Publikationstätigkeit sein müssen. So besuchte uns der Verleger Becker erst am dritten Tag der Buchmesse, wo ja eigentlich die Titel bereits vorgestellt werden sollten, und präsentierte uns einen Dummy, dessen herstellerische Qualität an die sechziger Jahre erinnerte. Da zudem weder Termine noch andere Absprachen eingehalten wurden, wir uns über Form und Inhalt der Zusammenarbeit nicht einigen konnten und unüberbrückbare persönliche Differenzen mit Herrn Becker auftauchten, wurde die Kooperation bereits nach einem halben Jahr beendet. Wir hätten gerne uns und allen Beteiligten, vor allem den Vertretern, die heute noch auf ihre Provision warten, und sich engagiert für die Titel eingesetzt hatten, diese Erfahrung erspart.


1993

* Antizionismus und Antisemitismus in der Linken.
10 Thesen der Initiative sozialistisches Forum Freiburg und ein Streitgespräch, ca. 120 Seiten, ca. 12,- DM, (3-89408-026-4)

Das Thema ist ein fundamentaler Bestandteil bei der Reflexion des Internationalismus der bundesdeutschen Neuen Linken, und gerade nach der Herausgabe von dem Materialienband zur Geschichte der Revolutionären Zellen/Rote Zora erschien uns eine weitergehende Auseinandersetzung darum wichtig. Leider wurde dieser Beitrag zur Debatte dann nicht realisiert. Der Genosse vom ISF konnte seine Überarbeitung der Thesen nicht fertigstellen, und ein Jahr nach Ankündigung entschlossen wir uns einvernehmlich, das Projekt abzuheften.


1994

* ID-Archiv im IISG (Hg.):
Verzeichnis der alternativMedien
Ausgabe 1994/95, ca. 320 Seiten, ca. 32,- DM, (3-89408-309-3)
*ID-Archiv im IISG (Hg.):
Verzeichnis der ðlieferbarenÐ Broschüren
Ausgabe 1994/95, ca. 260 Seiten, ca. 32,- DM, (3-89408-310-7)

Da beide Titel bereits durch mehrmaliges Erscheinen eingeführt waren, werden sie bis zum heutigen Tag vereinzelt noch beim Verlag bestellt. Die Gründe für die Nichtveröffentlichung dieser Verzeichnisse im ID-Verlag sind vielschichtig. Von Verlagsseite wurden alle notwendigen Vorarbeiten getroffen, wir wollen es bei dem Verweis auf das weitere Beispiel der Amsterdamer Fehleinschätzung von Archiv- und Verlagsarbeit belassen.


1996

* Helmut Reinicke:
Verdammtes Mexico.
Notizen aus dem Gefängnis, ca. 144 Seiten, ca. 24,- DM, (3-89408-061-2)

Nicht zum ersten Mal wurde wie bei diesem Buch ein Titel unter Zeitdruck angekündigt. Wenn sich dann aber Verlag und Autor nicht über inhaltliche Änderungen, Zeitpläne etc. einigen können, liegt die Verantwortung für die voreilige Ankündigung natürlich beim Verlag. Nach der Beendigung der Zusammenarbeit ging der Autor zum Unrast Verlag, in dem das Buch ein Jahr später erscheint.


1997

* Die Beute (Hg.):
Urban Control.
Alltag, Ausgrenzung und Widerstand in den Metropolen, ca. 144 Seiten, ca. 16,- DM, (3-89408-071-X)

Trotz fast 700 Vorbestellungen kann Urban Control in der geplanten Form nicht publiziert werden. Maßgebliche Autoren und AutorInnen der Beute-Redaktion verweigern ihre Mitarbeit. Dabei waren seit der ersten Ausgabe regelmäßig Erzählungen, Analysen, Kommentare und Interviews zum Thema erschienen und hätten nur teilweise aktualisiert werden müßen. Wir verzichten auf eine Durchsetzung des Titels mit einer anderen Konzeption, und seitens der damaligen Frankfurter Redaktion erfolgt keine politische und publizistische Intervention in die aktuellen Debatten zu Stadtplanung, Sicherheitspolitik und urbanen Widerstand.

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