Positionspapier zu antirassistischer Arbeit des BgR

    Vorbemerkungen

Es gibt viele Berührungspunkte von antifaschistische und antirassistische Politik - sowohl in der Praxis als auch in der Theorie. Dies spiegelt sich auch in der Geschichte des BgR wieder. Antirassistische Positionen wurden von Beginn an vertreten. Die Analyse des staatlichen und gesellschaftlichen Rassismuses fand ihren Niederschlag in Redebeiträgen, Aufrufen und Positionsbestimmungen des BgR. Praktische antirassistische Politik war jedoch nie ein wichtiger Bestandteil des BgR. Es wurden allenfalls am Rande antirassistische Demonstrationen, Kampagnen und Veranstaltungen unterstützt und noch seltener selbst initiiert. Grund genug, Überlegungen über die Perspektiven antirassistischer Arbeit des BgR anzustellen.

    Eingrenzungen

Grob lassen sich vier Wirkungsbereiche des Rassismus abgrenzen. Staatlicher, gesellschaftlicher, ökonomischer Rassismus und der innerhalb der Linken. Diese Einteilung mag auf den ersten Blick etwas willkürlich erscheinen, hilft uns aber, Interventionsmöglichkeiten antirassistischer Politik genauer zu bestimmen. Trotz aller Wechselwirkungen zwischen den Rassismen, lassen sich auch deutliche Unterschiede bestimmen: So würde es den Flüchtlingen und MigrantInnen in der BRD sicherlich schlechter gehen, wenn der rassistische Konsens der Bevölkerung ungefiltert in der Politik seinen Niederschlag finden würde. Anderseits ist die staatliche Politik so perfide geplant und detailliert auf die abschreckende Wirkung perfektioniert, wovon die meisten Menschen gar nichts wissen. Am gleichen Strang ziehen alle Instituionen und gesellschaftlichen Kräfte nur selten, wenn es z.B. wie 1993 darum ging, das Grundrecht auf Asyl zu beschneiden (Art. 16 GG). Bei der Green card-Debatte (2000) wurde jedoch erneut deutlich, daß es durchaus Interessenunterschiede zwischen WirtschaftsvertreterInnen und bürgerlichen PolitikerInnen geben kann.

Antirassistische Politik richtet sich in der Regel gegen den staatlichen Rassismus. Das war beim BgR kaum anders. Zum einen ist der staatliche Rassismus für die meisten MigrantInnen am wirkungsmächtigsten. Es darf nicht vergessen werden, daß durch die staatliche Politik seit 1989 mehr Flüchtlinge umgebracht wurden als durch Nazis. Außerdem bietet die staatliche Politik eine bessere Angriffsfläche als die Bevölkerung oder die Wirtschhaft. Der Staat zeichnet sich einerseits durch Gesetze, Verordnungen und offiziellen Handlungsmaximen (z.B. Einhaltung der Menschenrechte) aus, an denen er sich messen lassen muß oder die kritisiert werden können. Anderseits besteht der Staat aus verschiedenen Institutionen (Regierungen, Behörden, Polizei), die Name und Anschrift haben, also konkret benenn- und kritisierbar sind.

Den Rassismus der Bevölkerung anzugreifen mag auf den ersten Blick wichtiger erscheinen, da er Grundlage für staatliches Handeln ist, jedoch gibt es für uns wenig Ansatzpunkte, dies zu tun. Wir können entweder die Bevölkerung ob ihres Rassismuses anpissen oder sie aufklären wollen - beides Strategien, die wenig Erfolg versprechen. Allerdings entsprach es immer dem Selbstverständnis des BgR, den Rassismus der Bevölkerung anzugreifen anstatt ihn zu "therapieren", auch wenn dies über symbolische Aktionen oft nicht hinausreichte.

Analog ist es schwierig, gegen den Rassismus in der Wirtschaft etwas zu unternehmen. Einige Kampagnen gegen Profiteure der rassistischen Flüchtlingspolitik (z.B. Firmen, die für die Unterbringung von Flüchtlingen zuständig sind; oder aktuell gegen die Lufthansa wegen Abschiebungen) waren zwar erfolgreich; allgemeine Bemühungen, rassistische Anstellungspolitik oder Rassismus auf dem Wohnungsmarkt zu bekämpfen, verliefen jedoch meist im Sande. Außerdem muß konstatiert werden, daß es gerade die globalisierte Marktwirtschaft ist, die zum Teil für "zivilisatorische" Standards in der BRD gesorgt hat.

Zum Schluß sei erwähnt, daß das BgR die gelaufenen Diskussionen um Rassismus in linken Zusammenhängen für wichtig erachtet, ein Zurückziehen auf Positionen, wie "Wir müssen erst unseren eigenen Rassismus analysieren, bevor wir andere kritisieren!", jedoch für unproduktiv hält. Im Gegensatz zu z.B. sexistischen Verhalten, wo sich die Szene und linke Gruppen wenig vom Rest der Gesellschaft abheben, denken wir, daß es beim Thema Rassismus klarere Abgrenzungen und Unterschiede zwischen "uns" und "denen" finden lassen.

    Ausgangsbedingungen

Die Bedingungen für antirassistische Arbeit im den neuen Bundesländern sind schlecht. Linke Zusammenhänge definieren sich hier in der Regel - wie auch beim BgR der Fall - über Antifa. Dies ist zwar aus der Notwendigkeit geboren, sich gegen den alltäglichen Terror der Nazis zu wehren, hat jedoch zu einer Einschränkung linker Sichtweisen geführt, die noch über Jahre hinweg wirken wird. Hinzu kommt, daß es in den neuen Bundesländern kaum gewachsene Communities von MigrantInnen gibt und eine Selbstorganisation von Flüchtlingen nicht zustande kommt - von wenigen positiven Ausnahmen in letzter Zeit abgesehen (Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen mit Stationen in ostdeutschen Städten 1998, Kongreß von The Voice April/Mai 2000, Proteste von Leipziger AsylbewerberInnen Sommer 2000). Die ArbeitsmigrantInnen, die zu DDR-Zeiten im Osten gearbeitet hatten, wurden nach der Wende abgeschoben; Flüchtlinge, die heute in die neuen Bundesländer verteilt werden, versuchen so schnell wie möglich in die alten zu kommen. Im Gegensatz zu den alten Bundesländern muß auch konstatiert werden, daß es außerhalb der Linken keine gesellschaftlichen Kräfte gibt, die sich aufgrund ihrer liberalen Einstellung für Flüchtlinge engagieren würden: Kirchenasyl, Flüchtlingsberatungsstellen u.ä. sind in den neuen Bundesländern nahezu unbekannt.

Leipzig ist (außer Berlin) die einzige Stadt in den neuen Bundesländern, in der es zwar gemäß der gerade beschriebenen Situation schlecht aussieht, es aber trotzdem einige Intitiativen gibt, auf die sich das BgR beziehen kann: die liberale Öffentlichkeit hat sich im Flüchtlingsrat Leipzig e.V. zusammengefunden, es gibt schon seit Jahren eine autonome antirassistische Gruppe (kahina e.V.), darüberhinaus sind in unterschiedlicher Qualität mehrer Flüchtlingsberatungsstellen aktiv.

    Antirassistische Politik in der Vergangenheit

Bis auf die bestehenden Gruppen, die sich alle im Spannungsfeld antirassistischer Politik und Flüchtlingsunterstützung (Rechtshilfe, soziale Beratung etc.) bewegen, gibt es in Leipzig zur Zeit keinen organisierten, kontinuierlichen arbeitenden antirassistischen Zusammenhang. Gruppenübergreifende Arbeitsgruppen, die zu bestimmten Aktionen arbeiteten, waren jedoch sehr erfolgreich und konnten auf ein großes Mobilisierungspotential in Leipzig zurückgreifen (Grenzcampvorbereitung, Demos gegen Abschiebeknast in Büren und Neuss). Sowohl an den Mobilisierungsveranstaltungen als auch an den Aktionen selbst beteiligten sich viele Leute aus Leipzig.

Andere, eher langfristige angelegte Aktionen, die auf die konkrete Unterstützung von Flüchtlingen hinausliefen, waren jedoch bislang in Leipzig zum Scheitern verurteilt (Proteste gegen Asylbewerberleistungsgesetz 1997, antirassistische Gruppe 1995-1996). Bei diesen Aktionen wurde deutlich, daß Gruppen, die mit den Flüchtlingen zusammenarbeiten oder zumindest mit ihnen in einen Austausch treten müssen, schnell Gefahr laufen, ihr eigentliches Ziel aus dem Auge zu verlieren, da sie konfrontiert mit den einzelnen Menschen sich in der Einzelfallhilfe verzetteln. Diese zwar wichtige Arbeit sind die doch eher schwachen antirassistischen Gruppenstrukturen nicht in der Lage zu leisten. So gab es in Leipzig z.B. realistischerweise keine Ansätze, illegalisierten Flüchtlingen so zu helfen (Arbeit & Unterbringung besorgen, medizinische Hilfe), wie das in einigen Weststädten und Berlin der Fall ist.

    Perspektiven

Das BgR hat sich zum Ziel gesetzt, sich wie bisher mit antirassistischer Politik auseinanderzusetzen. Neben der Unterstützung von Kampagnen und Aktionen, wird es in Zukunft darauf ankommen, sich verstärkt als Ansprechpartner für antirassistische Politik in der Öffentlichkeit zu profilieren und verstärkt Ansätze der Organisierung der diffusen antirassistischen Zusammenhänge in Leipzig sowie der Selbstorganisierung von Flüchtlingen und MigrantInnen zu unterstützen. Im bundesweiten Maßstab will das BgR darauf hinarbeiten, die künstliche Trennung zwischen Antifa- und Antira-Szene aufzuheben. Das BgR erhofft u.a. mit dem Kongreß "antifakongress 2001. das Jahr. in dem wir Kontakt aufnehmen" einen Diskussionsprozeß zwischen Antifa- und Antira-Gruppen in Gang setzen zu können.

Inhaltliche Anknüpfungspunkte ergeben sich für das BgR an die Diskussionen und Aktionen der bundesweiten Kampagne "kein mensch ist illegal" (und Umfeld). Da das BgR Rassismus als Problem der deutschen Mehrheitsbevölkerung begreift, beziehen wir uns zwar solidarisch auf die Kämpfe und Forderungen von Flüchtlingen und MigrantInnen, machen uns aber nicht von diesen abhängig. Das beinhaltet auch, daß wie Flüchtlinge und MigrantInnen nicht als das neue "revolutionäre Subjekt" betrachten und somit Gefahr laufen, sie für unsere Interessen zu instrumentalisieren. Das heißt für uns aber auch, daß wie Flüchtlinge als politische Menschen ernst nehmen und uns positiv oder kritisch auf ihre politischen Vorstellungen und Organisierungsformen beziehen können. Diese Auseinandersetzung darf jedoch nicht aus dem Blick verlieren, daß Flüchtlinge und MigrantInnen unterschiedslos dem Rassismus ausgesetzt sind und dies der kleinste gemeinsame Nenner für eine Zusammenarbeit ist. So hat z.B. das BgR trotz Kritik an den befreiungsnationalistischen Vorstellungen der PKK eine Demonstration gegen die Prozesse gegen KurdInnen mitorganisiert, die das griechische Konsulat nach der Verhaftung Öcalans besetzt hatten.

Bündnis gegen Rechts Leipzig
November 2000

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