"Antifaschistische Demonstration" in Wurzen

Auf große Resonanz unter autonomen Antifaschisten stieß die Demonstration am 16. November in Wurzen. Dabei handelte es sich um die größte Massenveranstaltung im Freistaat Sachsen 1996, an der Linksextremisten maßgeblich beteiligt waren. Monatelange Vorbereitung und eine bundesweite Mobilisierung unter autonomen Antifaschisten führte mit etwa 4.000 Teilnehmern zu einer Festigung der autonomen Szene insgesamt. In einem Aufrufpapier "an antifaschistische Kreise von Parteien und Organisationen (PDS, Die Grünen, evtl. SPD und Gewerkschaften, Flüchtlingsinitiativen, Kirchen)" war das Angebot zur Unterstützung der Demonstration herangetragen worden. Personen aus diesem nichtextremistischem Bereich nahmen an der Demonstration teil.

Die Demonstration stand unter dem Motto "Das Ende der faschistischen Zentren, wie wir sie kennen". Die Demonstration war von einem BÜNDNIS GEGEN RECHTS - einem Zusammenschluß von "AntifaschistInnen aus eher autonomen Zusammenhängen" mit dem Ziel der Bekämpfung "faschistischer Strukturen" in Wurzen, der sich bereits im April 1996 in Leipzig konstituierte - initiiert worden.

Von Seiten der Organisatoren wurde zur Gewaltlosigkeit aufgerufen, dennoch stellte die Polizei bereits während der Anreise zur Demonstration gefährliche Gegenstände wie Eisenstangen, Messer und Baseballschläger sicher. Anreisende Teilnehmer beschädigten ein Polizeifahrzeug.

Im vorderen Drittel des Demonstrationszug formierten sich ca. 200 bis 250 Autonome zu einem sogenannten "Schwarzen Block". So bezeichnen sich diejenigen Autonomen, die sich mit "Haßkappen" oder Helmen vermummen. Durch Steinwürfe wurden fünf Polizeibeamte leicht verletzt und mehrere Scheiben einer Bankfiliale gingen zu Bruch. Slogans wie "Lassen wir den Faschos keinen Platz zur Organisation!" und "Kampf dem Faschismus heißt Kampf dem herrschenden Normalzustand!" begleiteten verschiedene Redebeiträge.

Ganz im Zeichen dieses Agitationsschwerpunktes "Antifaschismus" wurde von einem "Antifaschistischen Redaktionskollektiv" zur Vorbereitung der Demonstration eine Broschüre Wurzen - Das Ende faschistischer Zentren, wie wir sie kennen erstellt. Darin wird unter verschiedenen Gesichtspunkten eine Rechtfertigung für das zum Teil für das militante Auftreten von autonomen "Antifaschisten" gegeben. Das Redaktionskollektiv stellt darin u. a. fest: "So ist Militanz (...) unabdingbar." Allerdings wird aber auch unter bestimmten Umständen die Notwendigkeit friedlicher Mittel erkannt und insofern darauf hingewiesen, daß "Militanz (...) aber schnell an ihre Grenzen (stößt), wenn grundlegend gegen Faschisten gearbeitet werden soll, (...)."

Auch im Aufrufpapier zur "Antifaschistischen Demonstration" am 16. November 1996 in Wurzen heißt es: "Ein ausschließlich militantes Antifa-Konzept, welches den Faschos ihre Sicherheit nimmt, ist (...) zum Scheitern verurteilt". Einschränkend wird aber sogleich fortgesetzt: "auch wenn nicht ausgeschlossen werden darf, daß herausragende Faschofreffs angegriffen werden müssen."

Aus einem Papier der linksextremistischen Gruppe ANTTFASCHISTISCHE AKTION BERLIN (AAB) nach der Demonstration am 16. November 1996 in Wurzen geht die Gleichsetzung von Staat und "Faschismus" hervor. So begrüßte die AAB einen Angriff während der Demonstration auf eine Filiale der Dresdner Bank, die nach autonomem Selbstverständnis Teil des faschistischen Staates ist, weil damit ein "offensives Antifaschismusverständnis" gezeigt worden sei, "das die gesellschaftlichen Ursachen von Faschismus" einschließe. Bei den Angriffen hatten die Demonstranten "Hinter dem Faschismus steht das Kapital" gerufen. Auf dem Plakat einer der teilnehmenden Gruppen stand die Parole "Die Vernichtung der Wurzeln des Faschismus bleibt unser Ziel" und "Kampf dem Faschismus heißt Kampf dem imperialistischen System!".

Das BÜNDNIS GEGEN RECHTS beabsichtigt, seine Tätigkeit fortzusetzen. Neben der weiteren Öffentlichkeitsarbeit soll mit "einer Option zu militanter antifaschistischer Gegenwehr" die Arbeit des Bündnisses "in geeigneten Situationen" abgesichert werden. Die weiteren Ziele liegen in einer antifaschistischen und jugendorientierten Vor-Ort-Arbeit in Wurzen selbst.

aus dem sächsischem Verfassungsschutzbericht für das Jahr 1996

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