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"Linksextremismus

Bambule: Solidaritätsbewegung für Bauwagenplatz wird zur "Anti-Schill-Kampagne"

Seit der Räumung des Bauwagenplatzes "Bambule" am 04.11.2002 hat sich sowohl die Zusammensetzung des Unterstützerspektrums als auch die Zielrichtung der Aktivitäten und Demonstrationen gewandelt. Linksextremistische Zusammenhänge sehen sich im Aufwind.

Mit der Räumung des Bauwagenplatzes "Bambule" an der Vorwerkstraße wurde aus Sicht der linksextremistischen Szene die Grenze des Erträglichen überschritten. Verschiedene Anläufe des Widerstands gegen die Politik des im Oktober 2001 gewählten Senats waren in der Zeit vor der Räumung immer wieder im Ansatz stecken geblieben. Weder das veränderte Bekämpfungskonzept der Dealerszene, der damit verbundene vermehrte Einsatz von Brechmitteln zur Beweissicherung, der Tod eines beim Einsatz von Vomitivmitteln umgekommenen mutmaßlichen Drogendealers, Umgestaltungen im Schanzenviertel noch die vermeintlich "schärfere" Ausländerpolitik vermochten die Szene aus ihrer Lethargie zu reißen. Erst der Verlauf der "Bambule"-Räumung hätte - so ein Internet-Beitrag - "das Fass zum Überlaufen" gebracht.

Die Protestaktionen gegen die Räumung des Bauwagenplatzes an der Vorwerkstraße im Karolinenviertel begannen im Rahmen einer Aktionswoche mit einer Demonstration am 26.10.2002. An dieser friedlich verlaufenden Demonstration beteiligten sich ca. 600 Personen, unter denen sich nur 50 Autonome befanden. Der Anteil der gewaltbereiten Personen erhöhte sich in den folgenden Wochen kontinuierlich. Dennoch verlief die eigentliche Räumung am 04.11.02 bis in die Abendstunden relativ problemlos. Erst nachdem in der Szene das Gerücht kursierte, alle Bauwagen müssten das Stadtgebiet verlassen, veränderte sich die Stimmung in Richtung zunehmender Militanz. Am Abend des gleichen Tages zogen ca. 400 Personen u.a. über die Reeperbahn. Im Verlauf dieser Demonstration kam es zu Ausschreitungen, zu deren Eindämmung auch Wasserwerfer eingesetzt werden mussten. Ab diesem Zeitpunkt übernahm die autonome Szene - darunter federführend u.a. auch einige Protagonisten aus der "Roten Flora" - immer mehr die Moderation und Vorbereitung der Demonstrationen. Eine Informationsveranstaltung in der "Roten Flora" am 05.11.02 mit ca. 250 Personen - überwiegend aus der autonomen Szene - zeigte das deutlich gestiegene Engagement der Linksextremisten. Hier wurde auch eine "Spontandemonstration" für den nächsten Tag (06.11.) bekannt gegeben, die offensichtlich bewusst nach dem Ende eines Heimspiels des FC St.Pauli terminiert worden war. Tatsächlich gelang es, ca. 200 Fussballfans für diese Demonstration zu gewinnen, an der insgesamt 700 Personen teilnahmen. Wiederum kam es zu Ausschreitungen.

In der Folgezeit brachten sich immer weitere Szenezusammenhänge und -einrichtungen in die Thematik ein, so das bis dahin eher vor sich hin dämmernde anarchistische "Libertäre Zentrum" in der Karolinenstraße, wo sich in den Abendstunden des 07.11. knapp 100 Personen aus der linksextremistischen Szene zusammenfanden. An diesem Abend wurden die Planungen für eine bundesweite Solidaritätsdemonstration vertieft, die am 16.11.02 stattfinden sollte. Erstmals wurde vereinbart, die Debatte um weitere Themen wie die Umstrukturierung und die "Vertreibung von Anwohnern" aus ihrem Viertel zu erweitern. Diese thematische Veränderung trug dazu bei, dass die Mobilisierungsbasis für die kommenden Demonstrationen verbreitert werden konnte und sich die "Bambule"-Solidarität in eine "Schill muss weg"-Kampagne veränderte. Weitere Vorbereitungstreffen in der "Roten Flora" bestätigten diesen Trend. Die Beteiligten schienen z.T. selbst über das große Interesse an den Aktionen überrascht zu sein.

Folgerichtig nahmen an der durch die PDS angemeldeten Demonstration am 16.11.02, für die auch überregional mobilisiert wurde, ca. 3.100 Personen teil. Nach Beendigung des Marsches kam es am Auflösungsort Feldstraße in den Abendstunden zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten. An den Zwischenfällen waren aber nicht nur Autonome, sondern auch eher unpolitische Jugendliche beteiligt.

Am 18.11.02 kam es nach einem St.Pauli-Heimspiel wiederum zu einer gewalttätig verlaufenden Demonstration, in deren Verlauf von 900 Teilnehmern 260 Personen vorläufig in Gewahrsam genommen wurden. Ebenfalls 900 Personen - diesmal viele auch aus dem linksdemokratischen Spektrum - beteiligten sich am 21.11.02 an einem als "Laternenumzug" angekündigten Aufzug, der friedlich verlief. Am Folgetag wurde ein erneuter Protestmarsch - in der Nähe des Restaurants "Wollenberg" beginnend - mit 950 Personen durchgeführt. Bei all den zuletzt genannten Aufzügen dominierten Sprechchöre wie "Schill muss weg".

Für den bislang letzten Protestmarsch hatte auch die "Rote Flora" auf ihrer Homepage mobilisiert. Die Autoren behaupteten, mit "schweren Verletzungen von DemonstrationsteilnehmerInnen" und durch die "willkürliche Einkesselung" versuche der Senat, "seine KritikerInnen zum Schweigen zu bringen". Der Staat antworte mit Methoden der sechziger Jahre auf eine "politische und soziale Bewegung", die sich im zurückliegenden Jahr gegen die Politik des "rechtspopulistischen Senats" gebildet habe. Die Verfasser zeigten sich begeistert von der "Aufbruchstimmung und Bewegung, die wir in den letzten Tagen erlebt haben". Man habe sich die "Luxuskneipe Wollenberg" bewusst als Aktionsort ausgesucht, wo "Politik und Showbusiness" über "Obdachlose, Arbeitslose, Flüchtlinge und eben BauwagenbewohnerInnen und die Chaoten herziehen".

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass die Räumung des Bauwagenplatzes innerhalb der linksextremistischen Szene zu einer breiten Solidarisierung gegen die Politik des Senats - kulminierend in der Person des Innensenators - geführt hat, die z.T. auch über das linksextremistische Spektrum hinausragt. Es entlädt sich nunmehr eine seit längerer Zeit in der linksextremistischen Szene aufgestaute Frustration, wobei das ursprüngliche Ereignis (Räumung des Bauwagenplatzes) zunehmend durch andere Themen in den Hintergrund gedrängt wird. Die weitere Entwicklung ist auch aus Sicht der Szene offen. In einem Internet-Beitrag heißt es hierzu, es sei noch nicht abzusehen, ob die in den letzten Wochen erlebte "Dynamik in die Zukunft" führen werde, aber die "verfehlte Politik des Bürgerblocks" sei eine "positive Widerstandsperspektive". Man warnte zwar vor einer Selbstüberschätzung. Der letzte Satz dieses Beitrages bezeichnet jedoch treffend die gegenwärtige Aufbruchstimmung in der Szene: "Die Demut hat vorläufig ein Ende gefunden!" Folgerichtig wurde eine erneute überregionale Demonstration unter dem Titel "Gegen Rechtspopulismus, Ausgrenzung und Vertreibung, Schill muss weg!" für den 30.11.02 angemeldet.

Stand: 26.11.02"

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