AZADI  RECHTSHILFEFONDS
für Kurdinnen und Kurden in Deutschland e.V.

Pressemitteilung

 

 

21. November 2011

Staatliche Kurdenfeindlichkeit:
Verbot einer Demo am 26. November gegen das PKK-Verbot
Hundertschaft ÜberfÄllt Trauerfeier in kurdischem Verein

(Vorabdruck aus der November-Ausgabe des AZADÎ-infodienstes)

Aktuell: Am 20. November, dem Totensonntag, hat eine Hundertschaft der Polizei die Räume des Deutsch-Mesopotamischen Bildungszentrums in Berlin-Kreuzberg und über einhundert Teilnehmer_innen einer Gedenk- und Trauerfeier durchsucht. Hierbei wurden laut Mitteilung der Kurdistansolidarität Berlin alle Bargeldmittel, die 50 Euro überstiegen, beschlagnahmt. An diesem Tag sollte in dem Verein eine Spendensammlung für die Erdbebenopfer in Van stattfinden.
Nach Angaben der Polizei habe es sich um eine „Routinekontrolle“ gehandelt – ausgerechnet an einem Sonntag. Zu vermuten ist vielmehr, dass diese Razzia im Zusammenhang steht mit dem Verbot einer Demonstration, die aus Anlass des 18. Jahrestages des PKK-Verbots durchgeführt werden sollte.

Die Geschichte dieses Verbots:

Am 22. September hatte die Föderation kurdischer Vereine in Deutschland, YEK-KOM, eine Demonstration in Berlin für den 26. November angemeldet, bei der mit etwa 10 000 Teilnehmenden zu rechnen sei. Mit ihr sollte unter dem Motto „Demokratie stärken, PKK-Verbot aufheben – Freiheit für A. Öcalan und Frieden in Kurdistan“ an das 1993 durch den damaligen CDU-Innenminister Manfred Kanther verfügte PKK-Betätigungsverbot erinnert und ein Ende der Kriminalisierung gefordert werden. In einem Kooperationsgespräch zwischen Mitarbeitern der zuständigen Polizeidirektion und Vertretern von YEK-KOM am 7. Oktober wurde u. a. die ursprünglich von der Veranstalterin vorgeschlagene Demo-Route geändert.

Vorsorgliches Verbot durch Polizei und LKA

Exakt einen Monat später erreichte YEK-KOM ein Schreiben des Polizeipräsidenten bzw. des Landeskriminalamtes, mit dem mitgeteilt wurde, dass der Aufzug am 26. November verboten werde. Und nicht nur diese: „Das Verbot erstreckt sich auch auf jede Art von Ersatzveranstaltungen in den Monaten November und Dezember 2011 im Land Berlin“.
Begründet wird die Entscheidung damit, dass die „öffentliche Sicherheit oder Ordnung“ durch die Demo „unmittelbar gefährdet“ sei und dass es „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ zu Verstößen gegen das Vereinsgesetz komme.
Den Grund, weshalb jede Aktion im November und Dezember verboten werden müsse, sahen die Behörden in der Tatsache, dass die PKK am 27. November 1978 gegründet worden sei und der Zeitpunkt der Demonstration hiermit „offenkundig“ in Zusammenhang stehe. Großzügig räumen Polizei und LKA jedoch ein, „dass es selbstverständlich möglich“ sei, gegen das PKK-Betätigungsverbot zu demonstrieren. Doch dürfe das nicht zu einer „Unterstützung der verbotenen Vereinigung oder zur Verbreitung von deren Kennzeichen führen“.

PKK-Uniform im Deckmantel

Als Beleg für diese Behauptungen werden dann bis ins Jahr 2008 zurückreichende Demonstrationen und Festivals herangezogen. Hierbei liegt das Augenmerk der Behörden insbesondere auf den von ihnen so verachteten und „untersagten“ Bildern von Herrn Abdullah Öcalan, für dessen Gesundheit oder Freiheit sich Kurdinnen und Kurden einsetzen. In einem Fall ermitteln die Strafverfolger gar gegen den stellvertretenden Vorsitzenden eines kurdischen Vereins, der anlässlich von Versammlungen die „Uniform der PKK-Kampfverbände“ getragen habe. Tatsächlich aber handelte es sich um eine traditionelle kurdische Bekleidung, in der zum Beispiel auch der Präsident der kurdischen Autonomieregion in Nordirak, Barzani, von Bundeskanzlerin Angela Merkel offiziell empfangen wird.

Alle und alles kriminell

Polizeibehörde und LKA unterstellen der Veranstalterin, „jeweils nur ein Thema“ vorzuschieben, „um sodann unter diesem Deckmantel sowohl verbotene Propaganda als auch entsprechende Kennzeichen und Symbole zu veröffentlichen“. Weil diese Verläufe „fast gesetzmäßig“ seien, könne die geplante Demonstration am 26. November nur „entsprechend ablaufen“.
Zur Bekräftigung ihrer Bewertung wird in den folgenden Ausführungen auch der YEK-KOM-Vorsitzende angegriffen und seine Rolle bei diversen Veranstaltungen in einen strafrechtlichen Kontext gesetzt. Nicht anders wird mit den Personen verfahren, die an dem Kooperationsgespräch am 7. Oktober teilgenommen haben.
Natürlich fehlt in der Verbotsmitteilung auch nicht der Hinweis, dass die „Anhänger der PKK in Deutschland überwiegend in örtlichen Vereinen organisiert“ seien, welche dem Dachverband der YEK-KOM angehören, die wiederum „in engem Kontakt mit der ERNK/CDK“ stehe.
Unter dem Aspekt der „Verhältnismäßigkeit der Mittel“ sei es schlussendlich „nicht mehr vertretbar, auf Vorfeldmaßnahmen oder ein polizeiliches Einschreiten während der Veranstaltung abzustellen“.
Mithin gebe es im Sinne einer „Straftatenverhinderung“ keine mindere Maßnahmen als ein Verbot.

Widerspruch ! Verbotsbescheid verletzt Rechte der Veranstalterin

Gegen das Verbot der Demonstration wurde durch den Anwalt von YEK-KOM Widerspruch eingelegt. Kritisiert wurde darin, dass die Behörden zwar erkennen, dass es rechtens sei, gegen das PKK-Verbot zu demonstrieren, doch sei „diese erforderliche Abwägung“ in der weiteren Begründung nicht mehr zum Tragen gekommen. Selbstverständlich müsse auch die vom Verbot betroffene Organisation genannt werden dürfen. Immerhin hätte ein „gutes Dutzend“ Abgeordnete des EU-Parlaments, des Bundestages sowie verschiedener Landesparlamente die Demonstration und die damit verbundenen Anliegen unterstützt. Eine „zeitliche Nähe zur Gründung der PKK im Jahre 1978“ sei nicht beabsichtigt gewesen. In dem Kooperationsgespräch am 7. Oktober habe Einvernehmen darüber bestanden, nicht nur die Demoroute zu ändern (sie wurde durch email vom 10.10. bestätigt), sondern auch, „dass verbotene Fahnen nicht mitgeführt werden“ dürften und „Bilder des Herrn Öcalan mengenmäßig auf ein Bild pro 50 Aufzugsteilnehmer begrenzt werden.“
 Grundrechte faktisch ausgehebelt Es sei in besagtem Gespräch vonseiten der Polizeibehörde mit keinem Wort die in der Verbotsverfügung aufgelisteten früheren Veranstaltungen erwähnt worden. Während diese primär den „Gesundheitszustand von A. Öcalan und dessen Inhaftierung zum Inhalt“ gehabt hätten, beschäftige sich die zur Diskussion stehende Demonstration nur „am Rande auch mit diesem Thema“. Hauptsächlich stehe die Forderung nach Aufhebung des PKK-Betätigungsverbots im Vordergrund dieser Veranstaltung und gerade „nicht eine Propagandaveranstaltung für die PKK und ihren Gründer Öcalan“. Dieser Absicht der Organisatorin werde der „angefochtene Bescheid auch nicht ansatzweise gerecht“. Vielmehr werde „jedwede Veranstaltung von ‚Kurden’ aus den letzten Jahren zur Propagandaveranstaltung für die PKK deklariert.“ Eine derartig pauschale Vorgehensweise führe „in der praktischen Konsequenz dazu, jede Meinungsäußerung zu diesem Thema zu untersagen“. So werde der Grundrechtsschutz aus Artikel 5 und 8 Grundgesetz „faktisch ausgehebelt“.
 Es müsse festgestellt werden, dass der Verbotsbescheid die „grundgesetzlich verbrieften Rechte des Antragstellers auf Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit über Gebühr“ einschränke, weshalb er sich daher als „rechtswidrig“ erweisen werde.

YEK-KOM: Verbot gegen das Verbot?

Am 19. November nahm YEK-KOM unter der Überschrift „Verboten, gegen das Verbot zu demonstrieren?“ Stellung zu dem Komplex. Sie befürchtet, dass offensichtlich das „PKK-Verbot in der Praxis nun dafür herhalten“ müsse, „Protest gegen eben dieses Verbot zu illegalisieren“ und rief „Unterstützer und Freunde“ dazu auf, „bei den Berliner Behörden gegen das Verbot zu protestieren.“

21. November 2011 AZADÎ e.V., Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland

 

 


 
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