taz Berlin, 24.09.1999

Verschleppung bis zum bitteren Ende

Mit Hilfe eines Gutachtens hat die CDU den Bericht über die Ergebnisse des Kurden-Ausschusses als "nicht zulässig" erklärt. SPD, PDS und Grüne finden das "lächerlich"

Die CDU mauert weiter: Unmittelbar vor der letzten Sitzung des Abgeordnetenhauses in dieser Legislaturperiode hat sie einen Teilerfolg in ihrem offensichtlichen Bemühen errungen, die Aufklärung über die Hintergründe des Blutbads am israelischen Generalkonsulat zu verschleppen. Auf ihre Initiative hin hat der wissenschaftliche Dienst des Parlamentes den Zwischenbericht des Untersuchungsausschusses zur Schießerei am Konsulat für nicht zulässig erklärt. Dennoch sollte gestern über den Bericht im Plenum des Parlaments diskutiert werden.

Nach monatelanger Arbeit hatte die Ausschussmehrheit im Bericht politisch brisante Ermittlungsergebnisse festgehalten: Demnach trägt Innensenator Eckart Werthebach (CDU) eine große politische Verantwortung für den mangelnden Schutz des Konsulats. Israelische Wachleute der Vertretung hatten vier Kurden bei der versuchten Besetzung des Konsulats erschossen.

Dem Bericht zufolge habe der Senator Warnungen vor einem Sicherheitsdefizit nicht ernst genommen und ließ die Vertretung lediglich durch die üblichen drei Polizisten schützen. Zudem wurde in Werthebachs Innenverwaltung ein ihn belastendes Dokument zerrissen und regelrecht Jagd nach noch vorhandenen Kopien gemacht. Werthebach wird auch vorgeworfen, seine Beamten hätten Abgeordneten, die an einer Aufklärung interessiert waren, Einsicht in die ihn belastenden Akten verweigert.

Das Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes ist nun zu dem Schluss gekommen, der Ausschuss habe rechtswidrig gehandelt, als er per Mehrheitsbeschluss von SPD, Grüne und PDS den Antrag der CDU ablehnte, weitere Zeugen zu hören. Nach Ansicht der Parlamentsjuristen sei der Zwischenbericht damit "nicht zulässig". Die Wertung ist jedoch für das Parlament nicht bindend. Die CDU wollte im Ausschuss vor allem Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hören. Nach Einschätzung von SPD, Grünen und PDS wäre eine Anhörung Schilys nur der Versuch gewesen, Werthebachs Schuld am Versagen seines Sicherheitsapparates auf den Bund abzuwälzen.

Andreas Gram, CDU-Ausschussmitglied, sieht sich durch das Gutachten in seiner Einschätzung bekräftigt, dass der Ausschuss "zeitlich und inhaltlich ein Witz" gewesen sei. Der Ausschussvorsitzende Wolfgang Wieland (Bündnis 90/Die Grünen) habe durch seine Verhandlungsführung "sehenden Auges Recht gebrochen". Wieland hält das Gutachten dagegen für nicht stichhaltig. Eine Aussage Schilys habe das in dieser Frage angerufene Bundesverwaltungsgericht bereits abgelehnt. Das Plenum könne immer über den Bericht reden.

Der SPD-Politiker Frank Ebel wertete das Verlangen der CDU als Ausdruck der Verschleppungstaktik, die sie von Anfang an verfolgt habe. Mit dem zweiten Versuch, Schily zu hören, mache sich die CDU "lächerlich". Die PDS-Vertreterin im Ausschuss, Marion Seelig, nannte das Vorgehen der CDU absurd. Man dürfe sich als Ausschuss nicht lächerlich machen. Die Debatte zum Zwischenbericht fand nach Redaktionsschluss statt.

Philipp Gessler