Der Spiegel, 20.9.1999

Frühe Warnung
Der Sturm auf das israelische Generalkonsulat in Berlin durch militante Kurden im Februar dieses Jahres hätte womöglich verhindert werden können: Entgegen den Beteuerungen des Berliner Innensenators Eckard Werthebach hatten die Behörden offenbar doch konkrete Kenntnis davon, dass Kurden nach der Verhaftung ihres Führers Abdullah Öcalan anti-israelische Aktionen planten. Dies geht aus einem vertraulichen Dokument hervor, das im
„Geheimschutzraum“ des Berliner Abgeordnetenhauses liegt.
Bislang hat Werthebach alle Vorwürfe, Verfassungsschutz, Landeskriminalamt und Polizei hätten das Konsulat besser schützen können, stets von sich gewiesen. Kategorisch erklärte er etwa am 21. Mai, am Abend des 16. Februars, also dem Tag vor der Erstürmung, hätten „konkrete Hinweise auf die Gefährdung“ nicht vorgelegen.
Das vertrauliche Dokument - die Druckfassung einer elektronisch übermittelten Information des Bremer Verfassungsschutzes an die Berliner Kollegen vom Nachmittag des 16. Februar - besagt allerdings etwas anderes.
Darin warnt das Landesamt in Bremen, dass ein „im PKK/ERNK-Gebiet aktiver“ Informant der Behörde am Morgen berichtet habe, die Kurden wüssten von der Zusammenarbeit kenianischer, griechischer, amerikanischer und auch israelischer Dienste bei der Entführung Öcalans. Es seien nun Aktionen nach Guerrilla-Taktik vorgesehen.
Obwohl die Warnung der Geheimdienstquelle weit konkreter war als alle anderen Spekulationen, maßen die Berliner ihr keine besondere Bedeutung zu. Bei der Aktion wurden vier Kurden von Israelis erschossen.