Die Welt, 20.09.1999

Zu wenig Polizeischutz für Israelis
Untersuchungsausschuss zum Kurden-Sturm: Warnhinweise wurden ignoriert

Von Alexander Zeiger
Der Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses zur Klärung der Erstürmung des Israelischen Generalkonsulats durch kurdische Demonstranten am 17. Februar 1999 hat nach zehn Sitzungen einen Zwischenbericht vorgelegt. In der ersten Bilanz werden schwere Defizite bei Organisation und Schutzmassnahmen der Polizei und der Innensenatsverwaltung festgestellt. Schon im Vorfeld des Kurdensturms am 17. Februar habe es eine Flut von Gefährungshinweisen gegeben, die auf mögliche Übergriffe von Kurden auf israelische und jüdische Einrichtungen in der Hauptstadt hätten schließen lassen, teilte der Ausschussvorsitzende Wolfgang Wieland (Bündnis 90/Die Grünen) am Freitag bei der Vorstellung des offiziellen Zwischenberichts mit. Die politische Verantwortung für das tragische Geschehen vor dem Konsulat, in dessen Verlauf vier kurdische Demonstranten von den Israelis erschossen wurden, muss nach Überzeugung von SPD, der Grünen und der PDS Innensenator Eckart Werthebach (CDU) tragen. Nach der Vernehmung von insgesamt 18 Zeugen steht für den Untersuchungsausschuss fest: Schon am Vortag der Erstürmung, nachdem in der Presse über die Beteiligung des Israelischen Geheimdienstes Mossad an der Verhaftung des Kurdenführers Abdullah Öcalan spekuliert wurde, verdichteten sich die Hinweise auf mögliche Gewaltakte auch gegen das Israelische Generalkonsulat. Trotzdem hätten nur drei Beamte vor dem Konsulat Wache gehalten. Entgegen der Darstellung der Berliner Sicherheitsbehörden hat es darüber hinaus keine Prioritätenliste des Bundesamtes für Verfassungschutz gegeben, wonach eine Gefährdung israelischer Einrichtungen an letzter Stelle gestanden hat. "Das ist eine nachträgliche Erfindung des Innensenators", sagte Wieland. Außerdem sei erwiesen, dass Akten vernichtet worden seien, Dies habe der Leiter des Amts für Verfassungschutz, Eduard Vermander, auch zugegeben. Es sei nun deutlich, dass "der Ausschuss getäuscht und hinters Licht geführt werden sollte". Der Zwischenbericht des Untersuchungsausschusses wurde ohne Gegenstimmen beschlossen. Allerdings beteiligten sich die Abgeordneten der CDU nicht am Votum. Fraktionssprecher Andreas Gram legte stattdessen einen eigenen, abweichenden Zwischenbericht vor. Nach Interpretation der CDU hat es vor dem 17. Februar von keiner Seite hinreichend konkrete Warnhinweise über eine Gefährdung israelischer Einrichtungen gegeben. Ansonsten habe Berlin adäquat reagiert: Am Tag des Kurdensturms seien bereits 20 Minuten nach einem telefonischen Hinweis durch das Bundesamt für Verfassungsschutz 180 Polizisten vor Ort gewesen. Der offizielle Zwischenbericht sei tendenziös und rechtswidrig, der Ausschussvorsitzende habe sein Amt missbraucht. Am Donnerstag wird das Abgeordnetenhaus den Zwischenbericht debattieren.