Frankfurter Rundschau, 09.09.1999

Verfassungsschützer widerspricht
Amt fertigte vor Kurdenkrawallen keine Prioritätenliste an

Von Karl-Heinz Baum

Vor den Berliner Kurdenkrawallen vom Februar hat das Bundesamt für Verfassungsschutz keine Prioritäten für den Schutz ausländischer Einrichtungen festgelegt.

BERLIN. 8. September. Eine Rangfolge gefährdeter ausländischer Einrichtungen, die nach der Festnahme des Kurdenführers Abdullah Öcalan in der Türkei im Februar in Berlin besonders zu schützen waren, hat das Bundesamt für Verfassungsschutz nicht aufgestellt. Das erklärte der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses Wolfgang Wieland (Bündnisgrüne) am Mittwoch nach der Vernehmung des Präsidenten der Behörde, Peter Frisch. Frisch hatte unter Ausschluß der Öffentlichkeit ausgesagt und äußerte sich öffentlich nicht.

Für Wieland sind die Angaben von Berlins Innensenator Eckart Werthebach (CDU) über eine mit dem Bundesamt abgesprochene Rangfolge jetzt "reine Schutzbehauptungen". Danach soll Israel am Ende der Liste gestanden haben. Frisch hat sich laut Wieland nicht erinnern können, ob im Gespräch mit Berlins Verfassungsschutzpräsidenten Eduard Vermander das Wort "Israel" überhaupt fiel. Beim Sturm kurdischer Anhänger Öcalans auf das israelische Generalkonsulat am 17. Februar hatten israelische Wachleute vier Besetzer erschossen.

Wieland will am Donnerstag Strafanzeige gegen Vermander stellen. Dabei geht es um die Vernichtung eines Aktenvermerks, in dem ebenfalls gestanden haben soll, es habe keine Rangfolge gefährdeter Staaten gegeben. Wieland sieht darin den Versuch, Dinge zu vertuschen. Falls Werthebach bei seiner Aussage von der Aktenvernichtung wußte, wollen die Bündnisgrünen gegen ihn einen Misstrauensantrag stellen.

Der Mitarbeiter der Innenverwaltung, der den Vermerk vernichtete, bestritt, dass er etwas habe vertuschen wollen. Das Papier sei vielmehr durch eines mit gleichem Inhalt ersetzt worden. Den Senator habe er nicht informiert, weil er das nicht für wichtig gehalten habe, sagte er vor dem Ausschuss.

Um die Aussage Frischs vor dem Ausschuss hatte es einen juristischen Streit gegeben. Das Bundesverwaltungsgericht ordnete Frischs Vernehmung an, die die Bundesregierung ablehnte. Der Ausschuss will klären, ob Berlins Polizei das Konsulat hätte besser schützen können.

Bewährungsstrafe für Kurden

BERLIN (dpa). Im Zusammenhang mit dem Sturm von Kurden auf das israelische Generalkonsulat ist ein 35-jähriger Kurde am Mittwoch zu neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten sprach den Mann der versuchten Körperverletzung und des Widerstandes bei seiner Festnahme unweit des Konsulats schuldig. Der Kurde habe versucht, einen Polizisten mit einem Holzstab zu schlagen. Den Vorwurf des Landfriedensbruchsließ das Gericht fallen. Der Angeklagte hatte die Vorwürfe bestritten.