Berliner Zeitung, 04.09.1999

Geheim-Protokoll belegt Versagen von Polizeichef bei Kurdenkrawallen
Leiter der Direktion 2 ignorierte Weisung aus Lagebesprechung

Michael Helberg

An dem mangelhaften Schutz des israelischen Generalkonsulates während der Kurdenkrawalle im Februar dieses Jahres ist offenbar vor allem die Polizeidirektion 2 schuld. Die für Wilmersdorf zuständige Direktion traf keine Vorkehrungen für zusätzlichen Schutz, obwohl dies in einer Lagebesprechung ausdrücklich angeordnet worden war. Wie aus einem internen Polizeiprotokoll hervorgeht, war der Polizeiführung bereits am 16. Februar die Gefährdung des israelischen Konsulats bekannt. Am frühen Nachmittag hatten sich Landesschutzpolizeidirektor Gernot Piestert, der Chef des polizeilichen Staatsschutzes, Peter-Michael Häberer, sowie die Leiter der Polizeidirektionen zu einer Lagebesprechung getroffen.

Im Ergebnisprotokoll Nummer 6/99 über dieses Treffen, das bis 15.27 Uhr dauerte, steht unter Punkt zwei: "Aktuelle Lage: Von einer erhöhten Gefährdungslage für türkische, griechische, israelische sowie US-Einrichtungen muss ausgegangen werden." Der für Kreuzberg zuständige Polizeichef Klaus Karau etwa ordnete nach dem Treffen sofortigen Schutz für das Jüdische Museum an und setzte mehrere Hundert Beamte in Bewegung.

Gleichzeitig wurden die US-Botschaft und das türkische Generalkonsulat weiträumig abgesperrt und durch massiven Polizeieinsatz gesichert. Am israelischen Generalkonsulat allerdings waren am 17. Februar nur drei Polizisten. Sie wurden von kurdischen Demonstranten, die das Konsulat besetzten, förmlich überrannt. Kurz darauf erschossen israelische Wachleute vier Kurden. Warum man es in der Direktion 2 versäumt hatte, ausreichenden Polizeischutz am Gebäude sicherzustellen, ist unklar. "Damit handelte Direktor Gerd Kilian gegen eine eindeutige Anweisung aus der Lagebesprechung", sagte ein Beamter.

Denn im Protokoll steht weiter: "Der Leiter des Führungsstabes des Landesschutzpolizeiamtes wies darauf hin, dass anlassbezogen die Verantwortung für den Objektschutz bei den örtlichen Direktionen liegt." Warum Kilian seine Beamten nicht zum Einsatzort schickte, ist unklar. "Jeder Polizeidirektor hatte für seine Bereiche die Schutzmaßnahmen unverzüglich einzuleiten", sagte ein Polizeibeamter.

Fest steht, dass andere Polizeiführer davon ausgingen, Kilian habe Polizeiverbände zum Konsulat geschickt. Das belegt etwa die Aussage von Günter Neumann, der am 17. Februar Einsatzleiter der Bereitschaftspolizei war. Er sagte vor dem Untersuchungsausschuss auf die Frage, warum am Konsulat keine Bereitschaftspolizisten waren: "Mir wurde mitgeteilt, dass Objektschutz durch die örtlichen Polizeidirektionen mit ausreichenden Kräften ausgeübt würde." Kilian selbst hielt sich gegenüber der "Berliner Zeitung" bedeckt: "Ich werde am Mittwoch vor dem Ausschuss aussagen."