Berliner Morgenpost, 15.8.1999

Beim Kurdensturm schlief der Verfassungsschutz sanft und selig

Von Walter Scharfenecker Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Köln, Peter Frisch, der nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vor dem Berliner Untersuchungsausschuß aussagen muß, dürfte vor diesem Gremium nur wenig Erhellendes zu den Kurden-Krawallen am 16. und 17. Februar beisteuern. Das belegt zumindest ein dem Ausschuß bereits vorliegender «Vermerk» des Chefs des Berliner Verfassungsschutzes, Eduard Vermander. Am Vormittag des 16. Februar führte Vermander um 9 Uhr mit Frisch ein Telefongespräch. Darin , so heißt es in dem Vermerk, habe ihm Frisch mitgeteilt, «daß die Festnahme des Öcalan in Kenia und die Planung und Ausführung von Aktionen der PKK in der Bundesrepublik Deutschland zunächst auch «am BfV vorbeigegangen seien». Wie verworren die Lage beim Verfassungsschutz in Köln war, geht aus dem weiteren Verlauf des Vermander-Vermerks hervor. Obwohl kurdische PKK-Anhänger um 4.03 Uhr das griechische Generalkonsulat in Berlin am Wittenbergplatz gestürmt und besetzt hatten, wußte Frisch mehr als fünf Stunden (!) später offensichtlich nichts davon. Vermander zitiert ihn: «Nach erster Einschätzung aufgrund von Erkenntnissen des BfV sei davon auszugehen, daß in erster Linie griechische Einrichtungen sowie diplomatische und konsularische Vertretungen Kenias, ferner Einrichtungen der Türkei und Deutschlands gefährdet sein können.» Zu diesem Zeitpunkt hatte die mittlerweile auf 150 Eindringlinge angewachsene PKK-Gruppe die Einrichtung des Berliner Konsulats bereits kurz und klein geschlagen und fast alle Akten vernichtet. Immerhin konnte Frisch den ganz allgemeinen Hinweis geben, «das Augenmerk auf Büros der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands zu richten.» Vermander gab die Warnung sofort weiter, so daß starke Polizeikräfte das Willy-Brandt-Haus in Kreuzberg schützen konnten. Der Chef Frischs, Bundesinnenminister Otto Schily (SPD), muß laut Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts dagegen nicht vor dem Berliner Ausschuß aussagen. Wie Frisch hätte er anderenfalls aber nichts umwälzend Neues berichten können. Das Lagezentrum seines Ministeriums stand nämlich nach einem Vermerk eines Beamten im Auswärtigen Amt erst «ab 4.30 Uhr zwecks Verifizierung der mittlerweile eingegangenen ersten Agenturmeldungen über die Festnahme des Kurdenführers mit dem Lagezentrum des Auswärtigen Amtes in Verbindung.» Zu diesem Zeitpunkt wüteten die straff geführten Berliner PKK-Terroristen bereits seit einer halben Stunde im griechischen Generalkonsulat. Völlige Klarheit gewann das Auswärtige Amt erst um 6.30 Uhr durch einen Anruf aus dem Büro des griechischen Außenministers in Athen.