taz Berlin, 03.11.1999

Skandalchronik: Werthebach

In seiner einjährigen Amtszeit ist Innensenator Eckart Werthebach (CDU) immer dann zu Höchstform aufgelaufen, wenn es die Grundrechte der Bürger einzuschränken galt. Erst vor wenigen Tagen forderte er, genervt von den vielen Demonstrationen eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit. Als persönlichen Erfolg verbuchte der Innensenator eine Gesetzesänderung, die Polizeikontrollen auch ohne konkreten Verdacht ermöglicht. In den Koalitionsverhandlungen will er eine Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen, einen mehrtägigen Unterbindungsgewahrsam und eine gesetzliche Regelung des polizeilichen Todesschusses durchsetzen.

Am meisten Aufsehen erregte die versuchte Besetzung des isrealischen Generalkonsulats im Februar, bei der 4 Kurden getötet und 16 verletzt wurden. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss kam zu dem Schluss, dass Werthebach früher und besser über die Gefährdung des Konsulats informiert war, als er öffentlich zugegeben hatte.

Die Affäre beim Verfassungsschutz, der einen Polizeidirektor zu Unrecht der Scientology-Mitgliedschaft verdächtigte, ist nicht aufgeklärt. Auch die Polizeireform stockt. Nur der angeschlagene Polizeipräsident darf sich freuen: Seine Amtszeit ist verlängert worden.

Auch in der Drogenpolitik hat sich Werthebach als Hardliner profiliert. Den Modellversuch zur kontrollierten Heroinabgabe lehnt er ebenso ab wie die Einrichtung von "Druckräumen". Kein Pardon kennt er auch bei der PDS: Sechs PDS-Organisationen lässt er observieren. Und kaum gab es im Kosovo Hoffnung auf Frieden, wollte Werthebach die Flüchtlinge schon "konsequent zurückführen".

Als "Maulkorbsenator" profilierte sich Werthebach in der eigenen Behörde: Mitarbeitern, die mit Journalisten oder Politikern reden, drohte er mit Disziplinarverfahren.

Plutonia Plarre