Berliner Morgenpost, 03.11.1999

Kripo bei Verfassungsschutz
Behördenchef Vermander in der Klemme - Justiz ermittelt wegen Aktenvernichtung
Von Jörg Meißner

Im Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) pfeifen es die Spatzen von den Dächern: Behördenchef Eduard Vermander soll in eigener Sache brisanten Besuch von der Kripo erhalten haben. Dem Vernehmen nach ging es dabei um die Vermander zur Last gelegte Aktenvernichtung im Zusammenhang mit dem PKK-Angriff auf das israelische Generalkonsulat am 17. Februar 1999.

Von der Justiz wurde bestätigt, dass in dieser Sache bei der Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen den LfV-Chef anhängig ist. Ausgelöst wurde es durch eine Anzeige des Grünen-Politikers Wolfgang Wieland, der in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Vorgänge um das Israel-Konsulat auf die Aktenvernichtung gestoßen war.

Wieland sieht darin den Tatbestand des «Verwahrungsbruchs» nach Paragraph 133 des Strafgesetzbuches erfüllt. Danach handelt rechtswidrig, wer Schriftstücke, die sich in dienstlicher Verwahrung befinden, zerstört, beschädigt oder unbrauchbar macht. Als Sanktionen werden Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe angedroht.

Nach Informationen aus dem LfV wurden zwei Kriminalbeamte am vergangenen Donnerstag beim Verfassungsschutz vorstellig. Sie sollen Vermander in seinem Büro aufgesucht und sich ansonsten vor allem für die noch vorhandenen Kopien der ursprünglich vernichteten Akte interessiert haben.

Offiziell wird zum Grund des Polizei-besuchs Stillschweigen bewahrt. Ein Sprecher der Senats-Innenverwaltung teilte mit, «zu möglichen laufenden Ermittlungsverfahren» nehme man grundsätzlich nicht Stellung.

Justizsprecherin Michaela Blume erklärte, dem ermittelnden Staatsanwalt sei von den Kripo-Aktivitäten nichts bekannt. Er sei zur Zeit dabei, sich durch mehrere Ordner mit Unterlagen aus dem PKK-Untersuchungsausschuss durchzuarbeiten. Der Vorgang sei als «Verschlusssache», das heißt als geheim, eingestuft worden. Man könne davon ausgehen, dass die Kriminalbeamten Vermander noch keiner förmlichen «Beschuldigtenvernehmung» unterzogen haben. Eine solche würde der Staatsanwalt gegebenenfalls selbst vornehmen, so die Justizsprecherin.

Bei dem vernichteten Aktenvermerk handelt es sich um ein Gedächtnisprotokoll Vermanders vom
6. März 1999 über ein Telefonat mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz vom 16. Februar 1999. Darin hieß es, es sei keine Rangfolge durch die PKK gefährdeter Staaten festgelegt worden.
Am 9. März 1999 änderte Vermander den Text, weil er mit Hinweisen von Innensenator Eckart Werthebach auf eine vom Bundesamt angeblich übermittelte «Prioritätenliste» nicht übereinstimmte. Die Ursprungsnotiz ließ der LfV-Chef vernichten.

Die Angelegenheit flog auf, weil noch eine Kopie des ersten Aktenvermerks existierte und LfV-Vizechef Klaus Müller sich weigerte, diese ebenfalls dem Reißwolf zuzuführen. Vermander hatte vor dem Untersuchungsausschuss die Aktenvernichtung eingeräumt, jedoch darauf hingewiesen, dass dies nach seinem Rechtsverständnis legitim war.