Berliner Morgenpost,02.10.1999

Ungesühnte Todesschüsse
Verfahren um die Vorfälle im israelischen Generalkonsulat eingestellt

Von Jörg Meißner

Die Staatsanwaltschaft beim Berliner Landgericht hat das Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit den tödlichen Schüssen im israelischen Generalkonsulat vom 17. Februar 1999 eingestellt, obwohl sie erhebliche Zweifel an der konkreten Notwehrsituation der beiden israelischen Sicherheitsbeamten hat. Das teilte Justizsenator Ehrhart Körting (SPD) gestern als Zeuge vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Umstände des PKK-Angriffs auf das Konsulat mit. Damals waren vier angreifende Kurden erschossen worden.

Der Senator sagte, zwischen den Aussagen der Israelis und jenen anderer Zeugen gebe es so gravierende Widersprüche, dass die Sicherheitskräfte ein weiteres Mal vernommen werden müssten. Dies müsste der Strafprozessordnung gemäß so geschehen, dass die Israelis als Beschuldigte zu vernehmen wären. Da es dem Auswärtigem Amt zufolge keine Aussicht dafür gibt, die Immunität der Israelis aufzuheben, hätten die Ermittlungen eingestellt werden müssen.

Körting stellte zugleich klar, dass seine Einlassungen keine abschließende rechtliche Bewertung des Verhaltens der Sicherheitskräfte bedeuteten. Bei Schusswaffengebrauch mit Todesfolge sei es gesetzlich geboten, die Schützen zunächst als Beschuldigte zu vernehmen. Stelle sich später Notwehr als Rechtfertigungsgrund heraus, werde die Beschuldigung fallen gelassen und das Verfahren eingestellt. Soweit aber sei es in diesem Fall gar nicht gekommen.

Der Senator sagte weiter, die Staatsanwaltschaft habe sich verärgert über die Polizei geäußert. Zum einen hätte durch ein rigoroseres Vorgehen gegen die kurdischen Besetzer des griechischen Generalkonsulats am Vorabend des 17. Februar eventuell ein Abschreckungseffekt erzielt werden können. Zum anderen sei die polizeiliche Tatort-Arbeit nach dem Geschehen im Israel-Konsulat nicht als «lege artis» zu bezeichnen. Im Zusammenhang mit dem Verhalten bei der Besetzung des Griechen-Konsulats gibt es ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen beteiligte Polizeibeamte.

Während der Vorführung eines Video-Films über den Vorfall im Israel-Konsulat sagte ein ermittelnder Staatsanwalt als Zeuge aus, die getöteten Kurden seien von hinten durch Projektile getroffen worden. Dies spreche dagegen, dass die Schüsse zum Zeitpunkt eines konkreten Angriffs der Kurden abgegeben wurden.

Die Ausschuss-Sitzung fand erstmals ohne Beteiligung der CDU-Fraktion statt. Diese hatte unter Verweis auf ein Rechtsgutachten mitgeteilt, das Gremium agiere unrechtmäßig. Vertreter von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS werteten die Haltung der CDU als «schlechten Stil».