Antinationale Gruppe Bremen [ANG]
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Einleitung der ANG
Einleitung zum Vortrag von Christine Zunke am Dienstag, den 15. März 2011 um 19.30 Uhr im Infoladen Bremen, St. Paulistrasse 10-12. Veranstaltet von der Antinationalen Gruppe Bremen in Kooperation mit dem AK Kritik des Antisemitismus des AStA der Uni Bremen, sowie der Rosa-Luxemburg-Initiative Bremen.

[Terminhinweis: Vortrag von Lars Quadfasel am 19.4.11 um 19.30 Uhr im Infoladen:
"Gegen Standpunktdenken. Zur Kritik des Marxismus-Positivismus von MG und Gegenstandpunkt."]




Einleitung
zum Vortrag "Moral und Gesellschaftskritik. Es gibt nur einen vernünftigen Grund, Freiheit gesellschaftlich verwirklichen zu wollen: Moral" von Christine Zunke am 15.3.2011



Aktuell deutet sich wiedereinmal bei den Antifa-Vorbereitungen zu den Nazi-Aktivitäten am 1. Mai in Bremen das Problem an, ob es darum geht den BürgerInnen nachzuweisen, warum sie wie die Nazis denken, oder ob die Demokratie gegen die Nazis verteidigt werden sollte. Also die Frage ob der Faschismus im Alltag, oder die Alltäglichkeit des Faschismus aufgezeigt werden solle. Dieser Widerspruch verweist auf einen ungeklärten Begriff von Faschismus und damit auf einer noch allgemeineren Ebene auf die Frage, wie Ideologie zu bestimmen sei. Dieser Frage wird heute Abend jedoch gar nicht nachgegangen, sondern es soll in dem Referat von Christine Zunke, um eine Reflexion des Verhältnisses von Moral und Gesellschaftskritik gehen.
Und dieses ist nach 1945 – so denken wir –verbunden mit der Bestimmung, was die Retransformation der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft in eine postnazistische Gesellschaft bedeutet. Diese Frage haben wir im November auf unserer Konferenz „Auf einer Skala von eins bis zehn – Wie scheiße ist Deutschland?“ zur Debatte gestellt. Hintergrund und Motivation diesen Kongress in der Form zu veranstalten, waren anlässlich des 3.10. nicht zuletzt auch bestimmte Entwicklungen innerhalb linksradikaler Debatten um Nationalismus, über die zu reflektieren wir für notwendig hielten und halten.
Einer der Punkte ist eine mit dem Erfolg des UmsGanzeBündnisses, der mit den Protesten in Heiligendamm ins Rollen kam, verknüpften breiteren Aufnahme von Begriffen, die in gewissermaßen popularisierter Form an die Tradition der Nationalismus- und Staatskritik der MG und des Gegenstandpunktes anknüpfen. Ein wichtiger Begriff dabei, ist der des Interesses. Aus diesem Grund haben wir heute Christine Zunke eingeladen, die in einer kritischen Wendung von Kants Moralphilosophie, eine Kritik an diesem Interessensbegriff formulieren wird.
Um noch einmal deutlicher werden zu lassen, vor welchem Hintergrund wir es für wichtig halten, dass sich Linksradikale in diesem Zusammenhang zumindest darüber im Klaren sind, mit welchen theoretischen Begriffen sie operieren, noch einige Worte zu einer Diskussion im Rahmen der Vorbereitungen der Gegenveranstaltungen zum 3.10. letzten Jahres.
In diesem Zusammenhang diskutierte die ANG mit anderen Bremer Gruppen die Frage, in welchem Verhältnis der Nationalsozialismus zur bürgerlichen Gesellschaft steht. Ist das Ganze der kapitalistischen Gesellschaft ein Gefüge, in welchem mit rationalen Mitteln (Zweckgerichtetheit der Mittel der Prodktion) ein System mit irrationaler Zwecksetzung (MW, Wert um des Wertes willen produzieren) am Laufen gehalten wird?. Ist also das Prinzip kapitalistischer Gesellschaft rational-irrational, verstehbar und nicht verstehbar zugleich, wie Adorno formuliert, wie steht es dann mit einer Gesellschaft, die sich die Vernichtung von ‚Nicht-Ariern‘ zum obersten Ziel gesetzt hat? Von dieser Frage ausgehend tauchte in der Diskussion irgendwann der Begriff des Interesses und damit folgendes Problem auf:
Wie ist das Interesse zu bestimmen, die Nation zu lieben? Müssen die Leute in ihren Funktionen, die Betonung liegt auf Funktionen, Charaktermasken wie Marx sagt, das Interesse haben, dass ‚ihre‘ Nation die stärkste ist? Wenn die eigene Nation in der internationalen Konkurrenz gut aufgestellt ist, sind die Voraussetzungen das eigene Interesse als Kapitalist oder Lohnarbeiter zu verwirklichen doch eher besser als schlechter? Ist also Nationalismus so etwas wie die Verfolgung eines von den Verhältnissen vorgegebenen Interesses, ein subjektiv angeeignetes objektives Interesse? Führt aber nicht Nationalismus, wie die Geschichte gezeigt hat, zu so etwas wie völkischer Raserei, wo von zweckrationalem Interesse nicht mehr die Rede sein kann? Ist das dann ein durchgedrehtes ‚bloß subjektives‘ Interesse?
Diese Fragen werden heute nicht der Gegenstand sein. Aber mit ihnen ist das Thema des heutigen Abends verbunden und vielleicht wird an ihnen die Problemstellung deutlich, die letzten Endes oder vielmehr im theoretischen Kern von höchster praktischer Relevanz ist, und das heißt: die Revolution betrifft. Man könnte sagen – wie das Interesse theoretisch bestimmt wird, davon hängt ab, wie die Voraussetzungen der Abschaffung der alten Verhältnisse und die Gestaltung neuer Bedingungen sind.
Was ist also mit der Revolution, der Überwindung kapitalistischer Gesellschaft? Ist diese im objektiven Interesse jedes Lohnarbeiters, der gezwungen ist seine Arbeitskraft zu verkaufen oder liegt sie im subjektiven Interesse, im Streben nach Glück, das im Kapitalismus ausbleibt? Warum also Revolution? Für diese bedarf es offensichtlich eines Interesses – aber wie ist dieses zu begründen?
Bestimmt man das Interesse als das, was direkt aus der Struktur des Systems folgt, oder besser ableitbar ist, worin wäre dann das Interesse an der Abschaffung dieser zu begründen? Schlichtweg, wo soll die Idee herkommen? Aus einer reinen Idee? Dann also andererseits: Welche Möglichkeit bleibt, das Interesse an der Abschaffung der ökonomischen Verkehrsformen zu bestimmen? Bloße Idee, aus dem Himmelreich, einem objektiven, einem subjektiven Interesse, bloßer Lust, Wille, Moral, Verstand, Erfahrung? Auf jeden Fall, so haben wir selbst gemerkt, kippt man leicht in eine Entgegensetzung oder in einen Widerspruch der Bestimmung des Interesses an der Revolution: Es kann nicht aus der Identität mit den Verhältnissen abgeleitet werden, objektiv vorliegen, und muss irgendwo anders herkommen oder zumindest in en etwas anderem begründet sein. Zugleich aber mehr als bloß subjektiv sein. Denn wenn es sich um eine rein subjektive, willkürliche Setzung handelte, möchten wir zumindest lieber nicht dabei sein.

Denn ist diese Setzung der unmittelbaren, nichts als sich selbst verpflichteten Durchsetzung des eigenen Interesses, nicht in Wahrheit keineswegs etwas qualitativ anderes, sondern genau das, was der am Vorbild der kapitalistischen Ökonomie gebildete Alltag für jeden und jede gegenwärtig bedeutet? Oder noch regressiver, wie Christine Zunke in ihrer Ankündigung zum heutigen Vortrag schreibt, ist derlei Bedürfnis nicht Ausdruck des Wunsches zurück zur Monarchie, in der der Einzelne, nämlich der König, gegenüber und durch die anderen seine Bedürfnisse befriedigt? Wir denken, die Schwierigkeit, die unseres Erachtens die an der MG und dem Gegenstandpunkt geschulten Positionen haben, den Widerspruch zwischen objektivem und subjektivem Interesse zu denken, ist keinem bloßen Denkfehler geschuldet, sondern liegt in der Sache selbst, dem Verhältnis von Gesellschaft, Subjekt und Revolution. Um diesen Widerspruch als Widerspruch zu denken braucht es unseres Erachtens etwas Drittes – dieses Vermittelnde stellt z.B. die Moral als ein Mittel und zugleich Gegenstand kritischer Vernunft dar. Moral ist nicht bloß ein Instrument der Sicherung bürgerlicher Herrschaft oder was auch immer, sondern an ihr zeigt sich, dass es im eigenen Interesse notwendig ist qua Vernunft zu begründen, warum Verbesserungen für mehr Leute als einen selbst zu verwirklichen notwendig ist, also ein in der Tat subjektives Bedürfnis zu objektivieren. Repressiv aber wird ein moralischer Standpunkt, wenn er sich selbst nicht als einen solchen erkennt. Daher freuen wir uns, Christine Zunke zu begrüßen, die wir eingeladen haben, dies an einer Kritik des Interessensbegriffs der von der Zeitschrift Gegenstandpunkt vertretenen Position auszuführen.

Außerdem wollen wir noch auf die Veranstaltung „Gegen Standpunktdenken. Zur Kritik des Marxismus-Positivismus von MG und Gegenstandpunkt“ mit Lars Quadfasel von der Hamburger Studienbibliothek hinweisen, welche am 19.4. um 19.30 voraussichtlich im Infoladen stattfinden wird. Hier wird Lars den Kapitalbegriff von MG und Gegenstandpunkt kritisch hinterfragen und erklären warum das Begriffssystem des Gegenstandpunktes es im systematisch verwehrt das Kapital als prozessierenden Widerspruch zu fassen und somit notwendig zu kurz greift.



Ankündigung des Vortrags:
Moral und Gesellschaftskritik

Es gibt nur einen vernünftigen Grund, Freiheit gesellschaftlich verwirklichen zu wollen: Moral


Die Vorstellung einer befreiten Gesellschaft, in der die Bedürfnisse der Menschen nicht unter dem blinden Gesetz der kapitalistischen Ökonomie bloße Mittel zur Verwertung des Werts, sondern Zweck der gesamtgesellschaftlichen Produktion wären, ist eine moralische Vorstellung, die sich nicht über das bloß individuelle Interesse begründen lässt. Denn das individuelle Interesse, meine Bedürfnisse (und die der Menschen, die ich mag) sollen Zweck der gesellschaftlichen Produktion sein, mündet konsequent in einer Vorstellung von Weltherrschaft. Nur in einem modernen Feudalismus mit mir an der Spitze hätte ich exklusiven Zugang zum gesamten Mehrprodukt und meine Bedürfnisse könnten auf höchstem Niveau verlangen und befriedigt werden. Das Interesse, das für die ganze Menschheit einen herrschaftsfreien Zustand fordert, ist dagegen nicht sinnlich, sondern aus reiner Vernunft praktisch begründet – und damit moralisch; dieses moralische Interesse an der Menschheit nannte Immanuel Kant Pflicht. Christine Zunke möchte diesen sperrigen Begriff aufnehmen und darstellen, warum die Abschaffung des Kapitalismus eine Pflicht ist, auch wenn sie eigenen Interessen (Freizeit, Karriere etc.) entgegensteht.




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