Resist the g8

Während des ESF's in London fand auf dem Autonomus Space der Wombles das dissent! g8 Vorbereitungstreffen statt.

Das sind meine Notizen, die ich während Vorbereitungstreffens gemacht habe.

Ich möchte betonen, dass ich hier kein Protokoll abliefere, was alles möglicherweise wichtige an diesem Tag erfasst. Ich habe nach persönlichem Interesse aufgeschrieben, schon allein deshalb, weil ich mich auch oft dabei ertappe, wie ich nur nach Interesse zuhöre. Informationsgehalt für Leute die nicht in London oder auf anderen workshops waren, hat das ganze, denke ich, trotzdem. Es wäre nur gut, wenn jemand, der auch auf dem Treffen war und Sachen mitbekommen hat, die ich nicht erwähne, oder etwas anders aufgefasst hat, dass dann auch ergänzend über die Liste zu schicken.

Das Treffen ging über den ganzen Tag und war bis auf das final plenary in 4(?) Blocks unterteilt in denen zeitgleich bis zu 4 workshops statt finden sollten (Tatsächlich sind dann aber einige ausgefallen). Ich war neben dem Abschlussplenum in den workshops dissent! und pga(1.) past mobilisations(2.), trauma and mass mobilisations(3.), und international networking(4.). Möglicherweise kommt aus HD noch ein Bericht über den action workshop.

1. Was ist dissent!

Der Tag begann mit der Vorstellung der dissent! Leute über ihr Organisierungskonzept für die Vorbereitung gegen den g8 im Juli und einem Zeitplan für die Monate bis dahin.

Dissent! ist keine Inselweite Gruppe, sondern ein Netzwerk, welches sich ca. alle 2 Monate trifft. Basis der Zusammenarbeit ist, wie den meisten von euch sicherlich bekannt, die Hallmarks von pga. In dissent! arbeiten viele Leute aus dem alten Reclaim-the-streets Zusammenhang, die zusammen mit Ya Basta Italien auch die erste europäischen pga-convenor von 1998 bis 2000 waren.

Beim pga Teil der Vorstellung habe ich nicht ganz aufgepasst. Hauptsächlich ging es aber wohl um die Hallmarks als Basis von dissent! und dem Ausrufen des global action days.

Erklärtes Ziel von dissent! ist es nicht nur den g8 in Schottland anzugehen, sondern auch eine Struktur zu schaffen, die perspektivisch über den Gipfel hinaus denkt und arbeitet und nicht, wie so oft bei vorherigen Gipfeln geschehen, direkt nach dem event wieder auseinanderfällt.

Dementsprechend möchten sie nicht mit lokalen praktischen Dingen lospoltern, sondern haben auf dem gesamten Treffen zwei Auseinander-setzungen in den Mittelpunkt gestellt:

Erstens den Austausch, die Auswertung und Weitergabe der Erfahrungen von vergangenen Gipfelmobilisierungen und Anti-Summit-Strukturen.

Zweitens das Verhältnis von lokalen OrganisatorInnen und anreisenden Protestierenden. Konkreter: Was erwarten anreisende GipfelstürmerInnen von der Organisation vor Ort? Und andersherum: Wie können sich die Anreisenden in die letzten aber entscheidenden Vorbereitungen, Entscheidungen und Organisierungen einbringen?

Dieses Vorgehen wurde unterschiedlich aufgenommen. Während ich persönlich es zum Beispiel ziemlich reflektiert und gut fand, fanden es einige andere zu unkonkret und wegen der fortgeschrittenen Zeit nahezu fahrlässig, womit sie die dissent! Leute auch lautstark konfrontierten.

Neben dem bereits aus Belgrad bekannten Mobilisierungsplakat und einem super-schönen Flyer im Stil des "We-are-everywhere" Buches und im ungewöhnlichen Format, stellten dissent! eine Broschüre vor. "Days of Dissent-Reflections on Summit Mobilisations" ist eine Sammlung von Gipfelerfahrungsbetrachtungen von Berlin 1988 bis Cancun 2003 (leider ohne Genua und Thessaloniki) Auf die Broschüre - die natürlich bei jedem pga-infopoint zu finden sein sollte... - möchten dissent! gerne feedbacks von Gruppen haben; also eine Art Auswertung der dort beschrieben Erfahrungen, angewendet auf den kommen Gipfel in Schottland.

Die nächsten Treffen von Dissent! sind das Scottish Dissent! Meeting am kommenden Samstag, 23.10. in Perth. Am 27.11. auf der anarchistischen Buchmesse in London. Das Dissent! Gathering am 5./6. Dezember in Wales und natürlich das internationale Treffen in Tübingen im Februar 2005.

Außerdem plant dissent! ein einwöchiges(!) Festival in Lanarkshire, Schottland im Frühjahr, dass sowohl ein großes Treffen sein soll, als auch der in UK wohl aufwendigeren Finanzierung dienen soll.

2. Past Mobilisations

Das Workshopkonzept sah vor, dass die Teilnehmenden ihre Erfahrungen bei der Organisierung von vorausgegangen Gegen-Gipfeln über folgende Bereiche austauschten: infostructure, finances, decision making, mobilisation, informations/networking, repression, actions, politics, relationship with NGO's and press.

Natürlich konnte in der Kürze der Zeit in den ganzen Kleingruppen nur weniges angerissen werden.

Es waren von allen Nordeuropäischen Gegengipfeln plus Thessaloniki und einigen Nordamerikanischen Mobilisierungen Leute da.

Die verschiedenen Gruppenergebnisse wurden von Dissent! Leuten protokolliert und zum Schluss noch mal allen zusammengefasst vorgetragen. Davon konnte ich natürlich nichts mitschreiben, so dass ich hier nur die Gedankensplitter wiedergeben kann, die in meinem workshop aufgetaucht sind:

Umstrittenes Feld war die Frage, wie weitgehend die optimale Vorbereitung zu gehen hat. So wurde eingebracht die verschiedenen sozialen Hintergründe der AktivistInnen zu sehen und deswegen kein festes Modell zu liefern, sondern mehr die Möglichkeit zu geben, sich gegenseitig zu inspirieren. Dagegen wurde gehalten, die Leute aber auf keinen Fall alleine zu lassen. Zum einen was die Informationen über Gegenseite und v.a. die eigene Infrastruktur angeht. Hier wurde als Negativbeispiel Genua angebracht, wo es zwar das Convergecenter gab, aber ansonsten völlig unklar war, was wo wie noch gebraucht wird oder noch organisiert werden muss und schließlich die Unklarheit, wo die Leute nachts unterkommen konnten.

Zu den Aktionen selbst wurde wieder die Erfahrung von Prag mit den drei Farbblöcken als Möglichkeit ins Bewußtsein gerufen. Dem stehe allerdings die einfachere Möglichkeit der Spaltung seitens der Bullen/Presse/Politik entgegen. Insbesondere da es die Einschätzung der britischen Leute ist, dass in Schottland enorm versucht werden wird zu spalten.

Eine Person fand die Erfahrung von Genf wo legal team und indymedia in einem Gebäude untergebracht waren, ziemlich gut, da es die Kommunikation erleichtert hat.

Als Schwerpunkt der Diskussion entwickelte sich schließlich die Fragestellung, wer eigentlich über welche Aktionen entscheidet. Die allgemeine Erfahrung ist es, dass es letztendlich immer ein kleiner Kreis von Leuten ist, der die Entscheidung(en) trifft. Wie könnte das verbessert werden?

In dieser Diskussion gab es bald widersprüchliche Einschätzungen über das VAAAG letztes Jahr beim g8. Die angestrebte Barriostruktur hatte nicht funktioniert und das morgendliche Deligiertenplenum wurde überschwemmt mit praktischen Problemen, was dazu führte, dass fast alles Wichtige beim großen Abendessen geklärt wurde. Von zwei verschiedenen Teilnehmenden wurde das gegensätzlich eingeschätzt. Während eine Person diesen Prozess als enorm intransparent beschrieb, war eine andere Person der Meinung, dass diese Küchentreffen wesentlich transparenter gewesen seien, als die üblichen stundenlange general meetings und stellte das für ihn transparente VAAAG dem intransparenten Thessaloniki entgegen.

Daraufhin wurde festgestellt, dass die Kommunikation zwischen den anreisenden Protestierenden und den vorbereitenden locals, die letztendlich dann auch die Entscheidungen treffen, oft ziemlich schlecht war.

3. trauma and massmobilisations

Für den g8 in Schottland bereitet sich eine kleine Gruppe darauf vor, eine Betreuungsmöglichkeit zu bieten, für traumatischen Schäden die AktivistInnen in Schottland bei Bulleneinsätzen erleiden können bzw. mit ziemlicher Sicherheit erleiden werden. Inwieweit die Gruppe sich auf diese Art von Traumatisierung beschränken will oder ob es eine Ausweitung in Richtung sexistische Übergriffe gibt, scheint (so hab ich es jedenfalls verstanden) diskutiert zu werden, aber noch nicht klar zu sein.

Der workshop bot sich nicht an im größeren Maße mitzuschreiben, aber von der Facilitaterin wurde zum Thema Traumatisierung in Sozialen Bewegungen das Buch "In the Tigers Mouth - Empowerment for Social Actions" von einer australischen Aktivistin empfohlen.

4. international networking

Das Treffen war leider international weniger besucht als es hätte sein können. Neben den Leuten von dissent! und einer Menge deutscher Linker vor allem aus Berlin, waren Leute aus Griechenland, von der Antifa Schweden, aus Kopenhagen (Nordic Anticapitalist Network), von No Pasaran in Paris und jemand aus dem Baskenland.

Zwei Fragen gliederten den workshop:

A. Was erwarten europäische AktivistInnen vom Dissent! Netzwerk?

Infrastruktur und Informationsfluss

Hier wurden genannt: Organisierung von Schlafplätzen, Treffpunkten und Covergentcenter, sowie Kommunikationsstrukturen.

Immer wieder eingefordert wurde die Bereitstellung von Informationen darüber, wie die lokalen Gegebenheiten überhaupt sind, weil sie Voraussetzung dafür sind, dann auch was konkret planen zu können.

Bisher gingen noch keine genaueren Infos dazu heraus, weil immer noch nicht klar ist, wie die Rote Zone gelegt wird. Deshalb macht es noch keinen Sinn z.B. Campplätze auszusuchen. Sobald ihnen die Rote Zone bekannt ist, wollen dissent! genauere Infos über die Liste schicken und auf die Seite stellen.

Anreise

Da England als Insel leicht abzuriegeln ist, wurden Infos verlangt, wo sich im entsprechenden Zeitraum am Besten durchsickern lässt.

Die Idee eines Umsonstzuges, der den weiten und teuren Weg in den Norden angenehmer gestalten könnte wurde von Dissent! abgeblockt, da sie dafür kaum Zeit hätten und die erfolgreiche Umsetzung auch unwahrscheinlich halten.

Zur Anreise wurde angemerkt, dass von Hamburg Fähren nach Newcastle fahren, Riotair von Frankfurt Hahn und Berlin nach Prestwick bei Glasgow fliegt und dass es bestimmte Züge in UK gibt, die relativ billig sind, wenn sie früh gebucht werden.

Lokale Situation

Eine Person aus Edinburgh beschrieb die schottische Szene als sehr klein mit einem großen Mangel an allem! Deswegen wurde darauf hingewiesen, dass es wichtig sei, die lokale Struktur nicht zu überfordern, sondern die Kapazitäten realistisch einzuschätzen.

Es wurden Informationen über die schottische Gesetzeslage (schottisches Recht unterscheidet sich von englischem) gefordert sowie Einschätzungen wie die Bullen vor Ort drauf sind.

Aktionen

A lot of actions sind jetzt schon England geplant. Klar ist aber das der Schwerpunkt auf Schottland liegen muss. Bisher haben nur NoBorder und Climate Change angekündigt in Schottland Aktionen vorzubereiten.

Es gab einige Debatten darum, dass dissent! bzw. wir alle spätestens jetzt konkrete Planungen zu einer großen konfrontativen Aktion machen müssten.

Einige auf dem Treffen waren sehr Unzufrieden mit der Unkonkretheit der bisherigen Planung; sie sagten sie hätten trotz diverser workshops noch nichts wirkliches was sie zurück in ihre Gruppen/Treffen tragen könnten.

Das Konfrontative Aktionen bisher noch gar nicht von dissent! angesprochen wurden, begründeten dissent! hauptsächlich mit einem scharfen Gesetz in England. Auf"conspiracy for riot" oder so ähnlich gibt es hohe Haftstrafen und ihre Einschätzung ist, dass die Bullen im Fall von dissent! auch schon zugegriffen hätten, wenn sie beispielsweise den Aufruf verbalradikaler formuliert hätten. Aus diesem Grund wollen sie sich zu weit aus dem Fenster legen und erhoffen auch hier wieder schon in der Vorbereitung die Beteiligung möglichst vieler Gruppen von außerhalb bzw bauen auf relativ spontane Organisierung von Aktionen als Schutz vor Repression.

Außerdem wollen sie keine Leitlinien vorgeben, denen sich die verschiedenen DemonstrantInnen später unterzuordnen hätten. Sie setzen auf die Entfaltungsmöglichkeit möglichst aller Protestformen.

Abgesehen davon ist die Situation in Gleneagles selbst ja noch so unkonkret, wie beispielsweise die Lage der Roten Zone. Außerdem lässt ihre Netzwerkstruktur wenig Konsensentscheidungen (insbesondere über Aktionsformen) zu, weil sie auch doch ein wildgemixter Haufen sind (anarchists, ex-rts, radikalökologen, 'autonome'...)

Und überhaupt ist auch noch gar nicht klar, wo genau der Anti-summit eigentlich statt finden soll. Bisher stehen sich zwei Ideen gegenüber: Entweder das näher liegende, aber kleinere Perth oder die schottische Hauptstadt Edinbourgh. Dies muss noch ausdiskutiert werden, möglichst mit der Beteiligung auswärtiger Gruppen/Zusammenhänge.

Desweiteren gab es den Vorschlag einen Plan vorzubereiten, wie auf eine Dichtmachen der Grenzen reagiert werden könnte, so beispielsweise mit einer Blockade des Eurotunnels durch AktivistInnen auf beiden Seiten.

B. Was können InternationalistInnen tun?

Was dissent! momentan am meisten gebrauchen können ist Geld. Finanzierung scheint in UK generell sowieso schwieriger zu sein und dazu haben sie keine Kontakte zu Gewerkschaften (auf nationaler Basis), so dass sie finanziell ziemlich mies dastehen.

Das am Naheliegensten ist natürlich die Mobilisierung in den jeweiligen Ländern.

Dissent! wollen die Organsierung als ganzes gerne dezentralisieren, so auch die Informationsverteilung. Sie stellten sich vor eine Kontaktadresse in einem jeweiligen Sprachraum zu haben, an die sie Infos schicken können und von dieser Adresse aus wird die Weitergabe dann autonom geregelt.

Zur Rechtshilfeunterstützung wird wahrscheinlich das European Legal Team nach Schottland fahren.

Ansonsten gab es noch einige Ideen, wie beispielsweise die Organisierung einer Karavane nach Schottland.

Die Frage nach der Einbeziehung von lokal people/immigrants (und die Finanzierung von Fahrtkosten für Flüchtlinge, Marginalisierte und Leute aus Nicht-westlichen Ländern).

Und zu guter Letzt: Was wollen die g8 in Gleneagles überhaupt besprechen...?

Die zusammen gekommenen Fragen sollen auf dem Treffen dissent! Treffen in Glasgow besprochen werden.

5. Das Abschlussplenum

Das Abschlussplenum bestand aus dem kollektiven Sammel von Eindrücken und Ideen darüber, was wir von den Tagen erwarten und wie wir glauben(oder uns wünschen) die g8 zu konfrontieren.

Das war ganz nett und es kamen einige nette Aktionsideen bei rüber (mein Favorit ist das Abtragen der einzigen Straße die nach Gleneagles führt mittels massenweisen Spateneinsatz oder Überflutung) aber die mühe dies zu protokollieren hab' ich mir nicht gemacht. Abgesehen davon wurden die Vorstellungen von Dissent! protokolliert und sind mit Sicherheit schon auf der Webseite zu finden.

esf london | wsf | www.agp.org (archives) | www.all4all.org

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