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indymediaBolivien: El Alto nach dem Aufstand
von Indymedia El Alto; Übersetzung: eduardo/ kh. - 21.10.2003 16:41
http://de.indymedia.org/2003/10/63830.shtml

El Alto, die Nachbarstadt von La Paz, die entscheidend zum Sturz des bolivianischen Präsidenten Sánchez de Lozada beitrug, versucht die Schäden des 10-tägigen totalen Streiks und die Verluste an Getöteten und Verletzten zu überwinden - eine schwere Aufgabe, weil die meisten Einwohner der Fast-Millionenstadt sehr arm sind. Hier ein Bericht von Indymedia El Alto vom 19. 10.

Die Bewohner El Altos reparieren nach dem Sturz des Blutrünstigen die Schäden
http://bolivia.indymedia.org/es/2003/10/3829.shtml
Autor: Indymedia El Alto (19/10/2003 13:02)

Hunderte Familien, die sich mit der Behandlung ihrer schußverletzten Angehörigen beschäftigen müssen, informelle Händler, die von ihrem täglichen Verkauf leben und jetzt 10 Tage der Untätigkeit ohne jede Einkünfte auskommen mußten, Fahrer, die Kredite für den Kauf ihrer Fahrzeuge abbezahlen müssen und mehr als eine Woche lang nicht gearbeitet haben. Ganz zu schweigen von den Straßen voller Schutt, Müll und (herumliegenden) Gegenständen, die als Schlagwaffen dienten und bei Straßenblockaden und zum Sturz des "Mörder-Präsidenten" eingesetzt wurden.

Die Bürger von El Alto, eine Million Menschen, haben an diesem Wochenende mit der langsamen und mühseligen Reparatur ihrer materiellen Schäden und Überwindung der menschlichen Verluste begonnen, vor allem mit der Behandlung der Verletzten aus den 10 Tagen des totalen Streiks, während denen offiziell 76 Personen starben, obwohl weiterhin Leichen von Personen mit unbekannter Identität "auftauchen".

Straßen und Alleen mit aufgehäuften Trümmern, mindestens dreitausend Tonnen Müll, Verkaufsbuden und Stände zum nächtlichen Verkauf von Sandwiches, die wie ein Sieb aussehen (voll von Löchern von den Schüssen). Vier Fußgängerbrücken von 15 Metern Länge, die mitten auf die Avenida Juan Pablo Segundo und andere Straßen gefallen sind - das waren einige der materiellen Schäden.

Hinzu kommen die Reste einer Tankstelle, die bei der Schießerei im Gebiet von Río Seco explodiert ist, die Plünderung und "Entleerung" der Lager der Firma Electropaz (einer Filiale der spanischen Iberdrola) und schwere Schäden an der Getränkeverpackungsanlage der bekannten multinationalen Marke "Pepsi" von nichtalkoholischen Getränken.

Ein anderer Aspekt des Wiederaufbaus besteht darin, daß es in vielen Straßen tiefe Gräben gibt, die dazu dienten, die Durchfahrt von Militärfahrzeugen von El Alto in die Stadt La Paz zu verhindern. Außerdem gibt es auf verschiedenen Alleen unbenutzte Kraftstoffbehälter, ein weiteres Mittel der "Blockade", Fahrzeugschrott, verschiedenes Großeisen und sogar Hinweistafeln von den Gehwegen und aus den Vorgärten, die ebenso dazu benutzt wurden, um die Durchfahrt von Fahrzeugen zu verhindern.

Auch sind Asche und Draht von verbrannten Autoreifen mitten auf den Straßen und Alleen dieser Rebellenstadt zu sehen. Die Einwohner führten an den Straßenecken Nachtwachen durch, in einem Klima der psychologischen Einschüchterung durch vermummte Militäreinheiten, die in die Luft schossen, bei einer Aktion, die als "Jagd auf kommunale Führer" bezeichnet wurde und die vor allem in den Vierteln Santiago Segundo, Río Seco u. a. stattfand.

PERSONENSCHÄDEN

Aber die größten Schäden bestehen in den Verlusten von mindestens 40 Menschenleben von Bürgern und Bürgerinnen von El Alto in den Stadtbezirken Villa Ballivián, Villa Ingenio, Río Seco, Senkata, La Ceja, Ventilla u. a., wo die Repression durch Militär und Polizei ebenso grausam wie blutig war.

Die meisten Todesopfer gab es in Villa Ingenio, eines der am meisten von Armut geprägten Bezirke dieser Stadt, in dem nach Angaben des Nationalen Statistischen Instituts (INE) 93 % der Einwohner ihre elementaren Bedürfnisse nicht befriedigen können. Nach der Volkszählung von 2001 hat El Alto 649 958 Einwohner mit einer jährlicher Bevölkerungszunahme von 9,5 %, was als "Bevölkerungsexplosion" bezeichnet wird.

Von der gesamten Einwohnerschaft können nur 47 350 Personen (7,5 %) ihre elementaren Bedürfnisse befriedigen. El Alto hat 62 681 Bürger, die sich "an der Schwelle zur Armut" befinden, weitere 312 807 Einwohner leben in "mäßiger Armut", 108 434 sind "Bedürftige" und weitere 3 263 Bürger "am Rande der Gesellschaft".

Dramatisch in der Schwebe ist weiterhin das Problem der Verletzten, die zwischen Sonnabend, dem 11. und Mittwoch, 15. Oktober wie bei einer Wallfahrt in die Hospitäler und Gesundheitszentren von La Paz und El Alto strömten, als diese Einrichtungen wegen mangelnder Kapazität kollabierten und die Regierung vermöge ihres Gesundheitsministers Javier Tórrez Goitia hartnäckig behauptete, die Demonstranten würden den demokratischen Prozeß stören. Vom exponentiellen Anstieg der Zahlen von Toten und Verletzten war bei ihm jedoch nicht die Rede.

WIRTSCHAFTLICHES DILEMMA

Ein anderer Aspekt dieser Volksrebellion besteht darin, daß die Einwohner(inn)en El Altos kein permanentes Einkommen bzw. Lohn haben, weil sie "Gremiales" (Selbständige) sind, das heißt, informelle Händler, die von den täglichen Einkünften aus dem Verkauf von Waren leben, der während der 10 Tage des totalen Streiks nicht stattfinden konnte.

Mehrere Vorsteher der 562 Bezirke, aus denen diese Stadt besteht, führten Spendenaktionen in den Stadtteilen durch, um "eine Möhre, ein halbes Kilo Zucker, ein paar Nudeln oder Kekse" zu sammeln, besonders für die Kinder dieser Händler/innen, die bei den Blockaden von Straßen und Alleen und den kilometerlangen Märschen zwischen El Alto und La Paz mitmachten.

Die Fahrer des öffentlichen Dienstes (Busse und Minibusse) stellen einen anderen Aspekt dieser Revolte dar. Die Eigentümer von Tausenden dieser Fahrzeuge sind durch Schulden und unbezahlte Kredite belastet, sowie durch die tägliche Besteuerung des Transports von Fahrgästen von El Alto nach La Paz.


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