ANTIFASCHISTISCHE KOMITEES nach 1945

 

Die Darstellung der Antifaschistischen Komitees nach 1945 in Deutschland gestaltet sich als äußerst schwierig, denn an Quellen findet sich zum einen äußerst wenig und zum anderen gibt es über die antifaschistische Tätigkeit dieser Zeit wenig Sekundärliteratur. Aus diesem Grunde stützt sich die folgende Kurz-Darstellung der Antifaschistischen Komitees überwiegend auf eine wissenschaftliche Untersuchung der Antifaschistischen Aktion '45 in Braunschweig durch Albrecht Lein von 1978. Eine vergleichbare Quelle, die derartig fundiert und ausführlich die antifaschistische Arbeit jener Zeit bearbeitet, ist uns nicht bekannt.

 

Die Situation im April/Mai 1945
Schlaglichter auf die Situation im April/Mai 1945
Entnazifizierung
Konsequente Entnazifizierung?
Antifaschistische Komitees
Die Arbeit der Komitees
Einheitsausschüsse!
Zusammensetzung
Der gesellschaftliche Niedergang der Antifaschistischen Komitees
Auflösung und Isolation
Fazit zur Einheitspolitik

 

Die Situation im April/Mai 1945

 Am 8. Mai 1945 endete offiziell der II. Weltkrieg. Die Anti-Hitler-Koalition der Alliierten bestehend aus den USA, Frankreich, England und der Sowjetunion hatte das nationalsozialistische Deutschland besiegt.

Erst diese Koalition ermöglichte den Niedergang des "III.Reiches”. Der spärliche Widerstand innerhalb Deutschlands vermochte den Faschismus niemals ernsthaft zu gefährden. Auch wenn sich die Koalition über die Beendigung des Nationalsozialismus, also in der Definition des Feindes, einig war, so zeigte sich schon wenige Wochen nach Ende des Krieges, daß die Einheit der Anti-Hitler-Koalition gegen Nazi-Deutschland ein schnelles Ende an der Frage finden wird, wie es denn weiter mit dem zukünftigen Deutschland gehen solle.

 Neben den Alliierten Militär-Kräften gab es aber auch deutsche AntifaschistInnen, die - noch vor Beendigung des II.Weltkrieges - versuchten die gesellschaftlichen und politischen Fragen des zukünftigen Deutschlands selbst in die Hand zu nehmen. Es enstanden in vielen deutschen Städten sogenannte Antifaschistische Komitees, Antifaschistische Ausschüsse bzw. Antifaschistische Aktionen. Ihre Existenz und Hauptwirkungszeit bestand lediglich wenige Monate. Zumeist gründeten diese sich nach unmittelbarer Übernahme der Städte und Dörfer durch die alliierten Militärs oder nahmen an Selbstbefreiungen der Städte kurz vor Eintreffen der alliertenTruppen teil (so geschehen Wuppertal), dies blieb allerdings die Ausnahme.

 Zwar wurde das Ende des II.Weltkrieges auf en 8. Mai 1945 datiert, jedoch wurden die meisten Städte im damaligen deutschen Reich bereits im März/April von den Allierten eingenommen und damit war in aller Regel die nationalsozialistische Herrschaft vor Ort beendet.

 

Zum Teil wurden ebenfalls Antifaschistische Aktionen/Ausschüsse in den ehemaligen Konzentrationslagern von ehemaligen Häftlingen gegründet (zum Beispiel im Lager Kleipeda oder im KZ Buchenwald). Diese sahen ihre Hauptaufgabe in der Bestrafung der Nazis und der unmittelbar nötigen Versorgung der Inhaftierten in den Lagern, denn nur eine geordnete Übergabe der Lager an die Allierten sicherte den ausgemergelten zum Teil totkranken Inhaftierten ihr Überleben.

 Jedoch wird im folgenden lediglich auf die Antifaschistischen Komitees in den Städten und Gemeinden eingegangen.

 

Schlaglichter auf die Situation im April/Mai 1945

 Das gesellschaftliche Leben brach in den meisten Städten zur Zeit der Beendigung des Krieges total zusammen. Das hieß, daß die jeweilige Stadt, kurz vor der Einnahme durch die Alliierten, durch flüchtende Nazis aus den Verwaltungsstellen, Aufgabe der täglichen Arbeit und zum Teil durch Lebensmittel- und Kleiderplünderungen geprägt war.

 So waren die Alliierten vorrangig damit beschäftigt, ein "normales” Leben der Menschen zu organisieren und wieder "Ruhe und Ordnung” herzustellen.

 >>(…) es herrschte noch immer abendliches Ausgehverbot. Post- und Telefonverkehr nach außerhalb und die Bildung von Vereinigungen jeder Art waren verboten. Die soziale und politische Kommunikation mußte sich andere Wege suchen. Einige clevere Geschäftsleute mieteten in der Stadt kleine zerstörte Läden, die in den Zentren der Stadtbezirke gelegen waren. Hier konnte man gegen Entgelt Inserate aushängen lassen. Das Aushängen von politischen Plakaten mit Aufrufen zum 1. Mai und das Verteilen von Flugblättern politischen Inhalts waren selbstverständlich verboten. Wenn es dennoch geschah, wie um den 1. Mai in Salzgitter-Lebenstedt durch die dortige KPD, dann drohte die Militärregierung mit drakonischen Maßnahmen.Die Stadtverwaltung informierte über Maueranschläge. Die Unterrichtung über die Weltereignisse lieferten die Besatzungssender. So begannen der Sender Hamburg der englischen Besatzungstruppen am 4. Mai 1945 und am 8. Mai 1945 der sowjetisch kontrollierte Berliner Rundfunk Programme für die deutsche Bevölkerung auszustrahlen. (…).<<

 (Albrecht Lein, Antifaschistische Aktion 1945 - Die "Stunde Null” in Braunschweig, S. 138, Göttinger politikwissenschaftliche Forschungen, Band II, 1978).

 

Entnazifizierung

 Zunächst wurde in aller Regel die Entnazifierung vonVerwaltung und Politik unmittelbar durch die Militärregierung vollzogen. Alle Funktionsträger, die in der NSDAP organisiert waren und gehobenere Posten (Oberbürgermeister, Verwaltungsangestellte im oberen Bereich) inne gehabt hatten, wurden zunächst aus dem Amt entfernt. Ersetzt wurden diese durch Personen, die nach den Vorgaben des sogenannten SHAEF-Handbooks (Supreme Headquarters of Allied Expeditionary Forces). In diesem befanden sich die Richtlinien zur Wiederherstellung des öffentlichen Lebens, die die Alliierten festgelgt hatten. Häufig wurde ein Verfahren gewählt, >>(…),den ranghöchsten demokratischen Amtsträger der Weimarer Republik mit einer solchen Funktion zu betrauen. (…), doch die Auswirkungen der Vernichtungs- und Verwüstungsaktionen beim Rückzug der Nazis ließen an eine geordnete Tätigkeit nicht denken. Der Staatsapparat war vorübergehend lahmgelegt. Teile der Beamtenschaft warteten erst einmal ab, wie sich die Lage entwickeln würde. Ein Antifaschist, der im Polzeipräsidium tätig wurde, schilderte am 19. April 1945 eindrücklich die Situation und die Stimmung der Polizeibeamten: "Es herrschte … ein wildes Durcheinander, welches noch dadurch verstärkt wurde, daß alle anderen Behörden stillagen, keine Rechtspflege bestand und deshalb die Polizei als "Mädchen für alles” überlaufen wurde…

 Langsam kamen dann auch wieder viele Polizeibeamte zurück. Doch als gerüchteweise bekannt wurde, daß eine deutsche Division am Elm durchstoßen würde, verzog sich wieder alles, und nur wenige blieben zurück. Als sich der Durchstoß deutscher Truppen anderen tags als unwahr herausstellte, erschienen auch wieder die alten Beamten.”

 Die amerikanischen Truppen, die durch Plakate verbreiten ließen, sie seien als Befreier und nicht als Unterdrücker gekommen, waren auf die Mitarbeit von Deutschen angewiesen. Um ihr zuerst einziges Ziel zu erreichen, die für die militärische Sicherheit unerläßliche Ordnung herzustellen, stützten sie sich auf die vorgefundenen Strukturen und traditionelle Amtsträger.

 Die Macht (…) lag also beim alliierten Militär, daß im Interesse der militärischenSicherheit zunächst eine Politik der Ruhe und Ordnung verfolgte und kein Interesse an politischen Neuerungen hatte. Was es zu diesem Zeitpunkt suchte, waren Leute, die es bei der Herstellung von Ruhe und Ordnung unterstützten.<<

 (Albrecht Lein, Antifaschistische Aktion 1945 - Die "Stunde Null” in Braunschweig, S. 139/140, Göttinger politikwissenschaftliche Forschungen, Band II, 1978).

 

Das in der Zeit der staatlichen Desorganisation wie am Ende des Krieges, die Antifaschistischen Komitees ihre Hauptaktivitäten entfaltete, erklärt sich unter anderem aus der politischen Rolle der Polizei als Unterdrückungsapparat gegen linke (ArbeiterInnen)-Opposition in kapitalistischen Gesellschaften, insbesondere im Nationalsozialismus.

 

Konsequente Entnazifizierung?

 >>Bei einem Staatsorgan allerdings war weder die Besatzungsmacht noch die Bevölkerung an der Kontinuität der Arbeit interessiert. Die Polizei, vor allem die Politische Polizei , sollte aus antifaschistischen Kräften neu aufgebaut werden. Die Militärregierung hatte ausschließlich der Polizei die Anweisung gegeben, sofort alle Angehörigen der NSDAP und ihrer Gliederung zu entlassen, was auch geschah. Es stellten sich zuerst aktive Antifaschisten ein, dann auf Anraten der schon Eingestellten eine Reihe von ehemaligen kommunistischen KZ-Insassen für den Aufbau der Politischen Polizei zur Verfügung. Diese Menschen hatten natürlich für Legalitätserwägungen gegenüber den Nazis kein Verständnis und setzten sich durch umfangreiche Beschlagnahme von Wohnungen, Eigentum und anderen Vermögenswerten von führenden Nazis sowie durch deren Inhaftierung über die bestehenden Gesetze hinweg, die allerdings für solche Zeiten nicht vorgesehen waren, (…). Doch schon Anfang Mai wurde das gesamte Personal der Politischen Polizei abgelöst bzw. entlassen (…). Auch in der Polizei entschloß sich die Militärregierung schon eine Woche nach der Übernahme der Stadt (Braunschweig, d.V.) am 5. Juni 1945 durch englische Truppen, die Wiedereinstellung von politisch belasteten Polizeibeamten zu fordern.<<

 (Albrecht Lein, Antifaschistische Aktion 1945 - Die "Stunde Null” in Braunschweig, S. 144, Göttinger politikwissenschaftliche Forschungen, Band II, 1978).

 

Diese Tendenz, bereits nach der Übernahme (nach dem offiziellen Ende des II. Weltkrieges), personell wie auch strukturell wieder auf die traditionellen Strukturen des Nationalsozialismus zu bauen, kennzeichnet die Politik der Allierten im allgemeinen.

 Nicht nur im Polizeiapparat, sondern gerade im wirtschaftlichen Bereich, wurde auf den alten Strukturen und Personen aufgebaut. Der Großteil der Produktion in der Industrie ruhte nur wenige Wochen, wenn die Arbeit ruhte, dann aus dem Grunde der Zerstörung der Produktionsanlagen und weil die Aufräumungs- und Reparaturarbeiten noch nicht zu Ende gekommen waren.

>>Nicht nur die allierte Militärregierung, sondern auch die in ihrem Auftrag tätigen deutschen Stellen erstrebten also keinen demokratischen Neubeginn, sondern eine Wiederaufnahme ihrer traditionellen Tätigkeit.Die Möglichkeit zu einer alternativen Politik gab ihnen die Militärregierung nicht, sie wollten sie aber auch nicht. Wenn die Arbeiterbewegung eine alternative Politik durchsetzen wollte, mußte sie dies außerhalb und gegen die deutsche Leitung der Verwaltung tun.<<

 (Albrecht Lein, Antifaschistische Aktion 1945 - Die "Stunde Null” in Braunschweig, S. 145, Göttinger politikwissenschaftliche Forschungen, Band II, 1978).

 

Vor diesem Hintergrund gründeten sich sofort nach der Befreiung der Städte, Gemeinden und Dörfer im April 1945 vielerorts Antifaschistische Komitees, um zunächst die konkrete Entnazifizierung vor Ort durchzuführen.

 

Antifaschistische Komitees

 Oftmals wird davon gesprochen, daß nach 1945 die Möglichkeit bestanden hätte, daß die deutsche Bevölkerung sich selbst hätte entscheiden können, welches gesellschaftliche System das zukünftige Deutschland haben sollte. Aber schon die Entstehung der Antifaschistischen Komitees machte im Kern deutlich, wie gründlich der deutsche Faschismus gewütet hatte, vor allem gegen die ehemals in Europa stärkste ArbeiterInnenbewegung. Allein die Tatsache, daß sich kein relevanter antifaschistischer Widerstand aus eigener Kraft hatte durchsetzen können, wirft schon einen Blick auf das eigentliche Problem: die organisierten Kräfte, die wirklich konsequent mit den Strukturen der kapitalistischen Gesellschaft hätten brechen wollen, waren viel zu schwach, um einerseits eine konsequente Entnazifizierung innerhalb Deutschlands durchzuführen und andereseits sich gegen die imperialistische Politik der Allierten - vor allem gegen die Interessen der USA - durchzusetzen.

 >>Die Arbeiterbewegung hätte nur dann die Naziherrschaft beseitigen und sich selbst organisieren können, wenn durch Zusammenarbeit mit antifaschistischen Wehrmachtsoffizieren und Mannschaften die Möglichkeit des Aufstandes real gewesen wäre. Das zeigte sich am deutlichsten in der Befreiung Wuppertals durch einen bewaffneten Aufstand deutscher Antifaschisten aus der Arbeiterbewegung und der Wehrmacht. Nach blutigen Straßenkämpfen überwältigten Arbeiter und Soldaten die führenden Nazis. Ein antifaschistischer Stadtrat und eine deutsche antifaschistische bewaffnete Polizei wurden gebildet, die auf die amerikanischen Truppen warteten, welche drei Tage später ohne Widerstand und Verluste in die Stadt einzogen. Die Militärregierung entwaffnete sofort die Polizei und ging gegen die den Aufstand anführende Antifa vor. Das befreite Wuppertal wurde zu einer besetzten Stadt. Die Tatsache, daß sich das deutsche Volk nicht aus eigener Kraft befreite, sondern andere die Nazis aus der deutschen Führung verjagten, hatte für die Konzeption und Politik der deutschen Antifaschisten schwerwiegende Konsequenzen. Dadurch wurde (…) die Perspektive eines neuen Deutschland verschüttet, und es erfolgte eine Konzentration der deutschen Antifaschisten auf die nachträgliche Abwehr des Nazismus. (…). <<

 Diese defensive Grundhaltung wird nochmals deutlich an der Konzeption der meisten antifaschistischen Gruppen jener Zeit und der Tatsache, >>daß die seit Herbst 1945 in verschiedenen Teilen Deutschlands (…) enstehende NS-Geheimorganisation, die von Kreisen der ehemaligen Hitlerjugend getragen wurde, sich "Bewegung Freies Deutschland” nannte, nur wenige Wochen, nachdem sich das seit 1943 in Moskau bestehende "Nationalkomitee Freies Deutschland” (einer von Kommunisten ins Leben gerufenen Organisation, d.V.) aufgelöst hatte. Abgesehen von wesentlichen Ausnahmen in Leipzig, Berlin und München bezeichneten sich die antifaschistischen Bewegungen als Kampforganisationen gegen den Faschismus und nicht als Komitee Freies Deutschland. Gerade die Überlassung des Begriffes der Befreiung und damit implizit der Erneuerung Deutschlands an Nazis und Reaktionäre durch den Aufbau tragenden Kräfte kennzeichnet (…) deren Defensivposition.<<

 (Albrecht Lein, Antifaschistische Aktion 1945 - Die "Stunde Null” in Braunschweig, S. 130/131, Göttinger politikwissenschaftliche Forschungen, Band II, 1978).

Die Arbeit der Komitees

 In den ersten Tagen wurde zunächst eine enge Zusammenarbeit mit den alliierten Kräften gesucht. Oft wurden die ersten Verhaftungen der Nazi-Größen durch die Beteiligung der AntifaschistInnen eingeleitet, da diese den Militärbehörden Listen der Nazis vor Ort vorlegten. Einige Komittes entwickleten gar eine regelrechte Recherchearbeit, um die Nazis aufzuspüren oder darauf hinzuwirken und konkrete Beweise zu erbringen, daß die nun massenhaft "unwissend”, "unschuldig” auftretenden ehemaligen Nazi-Funktionäre an Verbrechen etc. beteiligt waren. In den ersten Wochen erhielten die verschiendenen antifaschistischen Ausschüsse regen Zulauf.

 >>Die Idee einer Antifaschistischen Aktion fand in diesem Augenblick große Resonanz. In der Bevölkerung gab es nämlich ein antifaschistisches Motiv: die Wut auf die Nazis, die sie unmittelbar terrorisiert hatten. Die Empörung existierte in den Betrieben wie auch in den Wohnvierteln. "Die Leute wollen nicht verstehen, daß die Nazis heute noch im Besitz ihrer durch Terror und andere Gewaltmaßnahmen erlangten Vorteile (Wohnungen,Stellungen, Vermögenswerte usw.) bleiben können”. Vor allem konnte man nicht verstehen, daß die Nazis nach den "für derartige Fälle nicht eingestellten Gesetze behandelt” wurden. So berichtete der Polizeipräsident an die Militärregierung. Die Militärregierung verhinderte, daß die Wut zu Racheakten an den Nazis führte.

 Das Echo auf die Existenz der Antifa war daher in zweierlei Form zu vernehmen: Einmal strömten alte Funktionäre der Arbeiterbewegung zur Antifa. Allerdings waren KP-Funktionäre deutlich überrepräsentiert. Zum anderen wurde die Antifa als politische Führung anerkannt. Das zeigte sich in ihrer vielfältigen Tätigkeit: Sie verteilte oder verkaufte von NS-Organisationen konfiszierte Gegenstände des täglichen Bedarfs wie Bekleidung u.ä. an Bedürftige, sie zwang Nazis zu Trümmereinsätzen, sie versuchte bei Übergriffen von DP's zu helfen und sie erteilte politische Unbedenklichkeitsbescheinigungen. Gerade von der Arbeiterschaft wurde sie als Führung anerkannt, das zeigte sich bei der Einsetzung von Betriebsräten. Auch hatte sie Einfluß bei der Besatzungsmacht. Die Polizeiführung und die Politische Polizei setzte sich aus ihren Mitgliedern zusammen. Dabei wäre es aber verfehlt von der Idee auszugehen, die Antifa wäre eine einheitliche schlagkräftige Organisation gewesen.<<

 (Albrecht Lein, Antifaschistische Aktion 1945 - Die "Stunde Null” in Braunschweig, S. 157/158, Göttinger politikwissenschaftliche Forschungen, Band II, 1978).

 

Politisch drückte sich die Akzeptanz der Antifaschistischen Komitees in der personellen Besetzung der Betriebsräte aus. Überwiegend waren aktive AntifaschistInnen aus der ehemaligen KPD oder ehemaligen SPD führende Mitglieder und Begründer der unmittelbar nach der Übernahmne der Städte wiedergegründeten Betriebsräte. Wie eingangs erwähnt, lag die Produktion nur für sehr kurze Zeit still und der gewerkschaftliche Aufbau wurde von den Alliierten begrüßt und unterstützt. Allerdings nur soweit es der Produktiviät der Betriebe diente. Eine politische Organisierung, die über die betriebliche Ebene hinausging, war untersagt und wurde rigoros verfolgt. So hatten die Komitees in den ersten Wochen zwar maßgeblichen Einfluß, jedoch konnnten sie die Umsetzung auf politischer Ebene nicht gegen die Allierten durchsetzen.

 Bereits nach einigen Wochen jedoch wurden auch die zunächst "nützlichen” AntifaschistInnen in den Betrieben aus ihren zentralen Funktionen enthoben oder in der späteren Phase gezielt durch SPD-orientierte Betriebsräte ersetzt.

 

Einheitsausschüsse!

 Daß die Antifaschistischen Komitees ideologisch nicht einheitlich waren, läßt sich auf ihre Zuammensetzung zurückführen. Wie bereits erwähnt, waren die kommunistischen AntifaschistInnen zumeist deutlich in der Überzahl, aber nicht nur quantitativ waren die Auschüsse kommunistisch geprägt, auch ging zumeist die Initiative und die Gewinnung von neuen Mitgliedern auf die Aktivität der KommunistInnen zurück. Dennoch kann in keinem Falle davon gesprochen werden, daß die Antifaschistische Aktion lediglich ein Sprachrohr der KPD oder ausschließlich der KommunistInnen gewesen wäre. Zum einen war die KPD weder als Partei zugelassen noch ausreichend zu diesem Zeitpunkt als Gesamtorganisation reorganisiert, als daß sie als Partei oder Organisation einen solch maßgeblichen Einfluß hätte ausüben können. Im Gegenteil. Das Bemühen in den ersten Monaten möglichst weite Kreise und politische Spektren in die Antifaschistischen Ausschüsse einzubinden, war in der Regel festzustellen. Da waren nicht nur KommunistInnen, SozialdemokratInnen, LinkssozialistInnen (ehemalige SAP-, KPO- und ISK-Mitglieder), sondern zum Teil sogar ehemalige DDP-Mitglieder bis hin zu Liberalen sowie christliche ArbeiterInnen personell an den Antifaschistischen Komitees beteiligt.

 Aber gerade die ideologische Uneinheitlichkeit in Bezug auf die Perspektive der zukünftigen Gesellschaftsstruktur - nicht bezüglich des Willens der Bekämpfung des Nazismus! - war Monate nach dem erfolgreichen Wirken der Antifaschistischen Aktion von 1945 entscheidend für die Umorientierung der Mitglieder zu den sich reorgansierenden/wiedergegründeten Parteien SPD, KPD etc.

 Auch das Programm drückte vor allem den Willen der endgültigen Zerschlagung des Nazismus aus. Das braunschweiger Programm der Antifaschistischen Aktion enthielt zwölf Punkte, die so oder in ähnlicher Weise von vielen Komitees im damaligen Deutschland vertreten wurden:

 

  1. Zusammenfassung aller antifaschistischen Kräfte.
  2. Bereinigung aller Behörden von Nazis und sofortige Ersetzung durch fähige Antifaschisten.
  3. Säuberung von Justiz, Polizei,Arbeitsamt, Schulen und Genossenschaften.
  4. Einsetzung von Betriebsräten als Interessenvertretung und Überwachung der Betriebsleitung; Wiederzulassung der Gewerkschaften.
  5. Versorgung der Kriegsopfer durch Vermögen der Nazis.
  6. Entlassung aller politischen Gefangenen, Ahndung und Wiedergutmachung aller Naziverbrechen durch besondere Gesetze und Volksgerichte.
  7. Wiederherstellung normaler Verhältnisse.
  8. Sicherung der Ernährung.
  9. Wiederherstellung des Verkehrs; Sicherstellung der Versorgung mit Gas, Wasser, Strom.
  10. Wiederherstellung normaler Arbeitsbeziehungen.
  11. Wiederaufnahme der öffentlichen Gesundheitspflege.
  12. Tageszeitung.

Zusammensetzung

 Erstaunlich war die Tatsache, daß die überwiegenden Teile der Mitglieder der Komitees in dem klaren Bewußtsein mitarbeiteten, in einer Einheitsorganisation tätig zu sein. Als eine entscheidende Schwäche der ArbeiterInnenbewegung und ihres Niederganges wurde die Spaltung der ArbeiterInnenklasse durch die Antifa-Mitglieder gekennzeichnet, dies sowohl von SPD- wie auch KPD-orientierten AntifaschistInnen.

 Die meisten Mitglieder waren ArbeiterInnen zwischen 40 und 50 Jahren. Eine überrragende Beteiligung jugendlicher AntifaschistInnen setzte nicht ein - eher das Gegenteil. Dies erklärt sich in erster Linie sicherlich aus der Sozialisation der zu dieser Zeit Jugendlichen, diese hatten zwölf Jahre nationalsozialistische Gesellschaftserziehung über sich ergehen lassen müssen.

 Haupträger waren somit jene Funktionäre der ArbeiterInnenbewegung, die schon vor der Machtübertragung auf die Faschisten 1933 politisch aktiv gewesen waren.

 Nach den ersten Monaten stießen zumeist die aus den ehemaligen Konzentrationslagern vormals inhaftierten politischen Gefangenen hinzu und forcierten zum Teil sehr stark die Arbeit der Komitees. Auch unter ihnen war der Anteil der KommunistInnen überwiegend.

 Die Beteiligung von Frauen überstieg in der Regel nicht ein Drittel, es lag sogar zumeist weit darunter. Über ein getrenntgeschlechtliche Organsierung ist nichts bekannt.

 

Der gesellschaftliche Niedergang der Antifaschistischen Komitees

 Bereits Ende des Jahres 1945 hatten die Antifaschistischen Auschüsse ihre zentrale politische Rolle verloren. Da mit dem Sieg der Allierten zunächst eine politische Organisierung verboten war, stieß die antifaschistische Initiative der Komitees, die in erster Linie die Bewältigung Tagesaufgaben übernahmen, in ein Vakuum. Anfänglich tolerierten die Militärregierungen faktisch die Antifaschistischen Komitees, unterbanden aber rigoros jeden Versuch der weitergehenden politsichen Organsierung als Parteien oder ähnlichem. Erst ab Mitte des Jahres 1945 wurden die ersten Anträge auf Zulassung der Parteien gestellt. Bereits seit dieser Zeit begann die Bedeutung der Antifaschistischen Ausschüsse zu schwinden. Ende des Jahres 1945 gab es bereits erste Anweisungen der SPD, daß eine Mitgliedschaft in der AntifaschistischenAktion und SPD nicht zulässig sei, hingegen versuchte die KPD mehr und mehr die Antifaschistsichen Komitees im Sinne der Initiative zur sozialistischen Einheitspartei zu nutzen.

 Hintergrund dieser Entwicklung war die unterschiedliche Politik der Allierten und die unter anderem daraus resultierenden politischen Bestrebungend er jeweiligen Parteien in den vier Besatzungszonen. Während im sowjetisch besetzten Teil schon mit Beginn des Wiederaufbaus der Parteien der SPD und der KPD gemeinsame Ausschüsse zu Erarbeitung eines Konzeptes zu einer sozialistischen Einheitspartei eingerichtet wurden, orientierten sich die SPD-Ortsgruppen zum großteil an der Politik Kurt Schumachers (SPD), die seit Beginn an nicht auf die Zusammenarbeit mit kommunistischen Kräften setzte und schon Anfang 1946 wieder offen antikommunistisch auftrat, >>so daß ein SPD-Flugblatt im September 1946 schon wieder die poliemische Frage stellen konnte: "Sollte es doch mit den rotlackierten Nazis stimmen?”.

 (Albrecht Lein, Antifaschistische Aktion 1945 - Die "Stunde Null” in Braunschweig, S. 232, Göttinger politikwissenschaftliche Forschungen, Band II, 1978).

 

In der sowjetisch besetzten Zone kam es zu Vereinigung der SPD und KPD zur SED. In den drei Westzonen kam es zu dieser Entwicklung nicht. An dieser Stelle soll auf die Problematik der Vereinigung der beiden ArbeiterInnenparteien nicht weiter eingegangen werden. Die Erwähnung des Sachverhalts ist aber zum Verstehen der Auflösung der Antifaschistischen Ausschüsse und der Abgrenzung zu den Antifaschistischen Komitees, seitens der SPD, unabdingbar.

 

Folgende Faktoren führten zum Niedergang der Sammlungs- bzw. Einheitspolitik der Antifaschistischen Aktionen im Nachkriegsdeutschland in den Jahren nach 1945:

 a. die Interessen der allierten Politik in den Westzonen, die darin bestand, den Aufbau einer kapitalistischen Gesellschaft in Form der parlamentarischen Demokratie voranzutreiben. Ausführende Organe waren zunächst ihre eigenen Militärregierungen, später mehr und mehr ihre deutschen Vertreter der bürgerlich-konservativen Parteien sowie die Wirtschaft der Großindustrie und Banken, die durch die Politik den Spielraum erhielten ihre Strukturen weiterzuführen oder zu reorgansieren.

 b. Die (seperaten) Interessen der beiden großen ArbeiterInnenparteien SPD und KPD und ihrer Politk sowohl in denWestzonen als auch in der von der Sowjetunion besetzten Zone. War die Politik der SPD imWesten schon nach kurzer Zeit durch den Kurs Schumacher bestimmt, der jegliche Zusammenarbeit bereits im Jahre 1946 mit KommunistInnen ablehnte, so stellte sich dies im Osten anders dar. Dort war es unmittelbar nach der "Normalisierung” des politischen Lebens (Zulassung der Parteien) zur Vereinigung von SPD und KPD gekommen.

 Während in den Westzonen zahlreiche Antifaschistische Komitees verboten wurden oder aber sich selbst auflösten, weil ihre ehemals gesellschaftliche Funktion der Entnazifizierung und der unmittelbaren Befriedigung der tagtäglichen Lebensbedürfnisse von staatlichen Institutionen übernommen wurden, wurden die Antifaschistischen Ausschüsse im Osten mit der Begründung aufgelöst, daß die Funktionmit dem Ziel, der Schaffung der Einheitspolitik, mit der Gründung der SED abgedekct sei. So waren die meisten Komitees bereits Ende 1946 nicht mehr existent. Einige wenige wurden erst 1949 aufglöst, fristeten aber ein politisch isoliertes Dasein.

 

Auflösung und Isolation

 Am Beispiel der Antifaschistischen Aktion Braunschweig läßt sich zum Teil exemplarisch der Auflösungsprozeß dieser antifaschistischen Bewegung in den Westzonen ablesen:

 >>Der Versuch, die Antifa in einen Parteienblock umzuwandeln, blieb erfolglos. Die Vorgänge um die Gründung der braunschweiger SPD hatte die Gegnerschaft der an Schumacher orientierten SPD-Mitglieder gegen die KPD und nunmehr geführter Antifa noch verstärkt. Sie sahen keine Aufgabe mehr für die Antifa und so gingen sie dazu über, die ihnen unterstehenden Gliederungen der Antifa aufzulösen, um die Mitglieder in die SPD zu überführen.

 Der erste Fall wurde am 27. September bekannt. Mit zunehmender Klärung innerhalb der SPD häuften sich dann von SPD-Mitgliedern vorgenommene Auflösungen. Die Gegnerschaft zur KP-geführten Antifa erreichte einen Höhepunkt, als der SPD-Bezirksausschuß am 17. Dezember der Antifa mitteilte, daß er die Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft in SPD und Antifa beschlossen habe. Alte Antifa- und SPD-Funktionäre (…) ignorierten jedoch den Beschluß und blieben Mitglied der Antifa. Die Antifa gab ihre Funktionäre an SPD und KPD ab und sank selbst zur Bedeutungslosigkeit herab, aus der sie sich wiederum mit einem neuen Konzept befreien wollte.<< In den Überlegungen hieß es: >>(…) "Die augenblickliche politische Situation bedingt die Gründung der politischen Parteien. Hierbei ist es die Aufgabe der ANTIFA, die Bevölkerungskreise zu erfassen, die in keine politische Partei eintreten wollen. Es handelt sich darum, diese Volkskreise, die nicht gewillt sind, in eine politische Partei einzutreten, zur Mitarbeit im Kampf gegen den Faschismus heranzuziehen.” Aber auch dieser Versuch, die Einheitsfrontorganisation der Nichtorganisierten zu sein, schlug fehl, denn den Kampf gegen den Faschismus sah niemand mehr als seine Hauptaufgabe an. Neue Mitglieder konnte die Antifa so gut wie gar nicht gewinnen. (…).

 Die Besatzungsmacht behinderte zudem die politische Auseinandersetzung mit dem Faschismus. So war z.B. die Gründung vonSportvereinen seit Dezember 1945 nicht mehr genehmigungspflichtig, aber der Zusammenschluß der Opfer des Faschismus in einer Organisiation wurde als politische Angelegenheit monatelang hinausgezögert und die unmittelbare Aufgabe, die aus den Lagern Zurückgekehrten zu versorgen, durften nur städtische Stellen übernehmen. Die Eigeninitiative von deutscher Seite wurde regelrecht verboten.<<

 (Albrecht Lein, Antifaschistische Aktion 1945 - Die "Stunde Null” in Braunschweig, S. 232/233, Göttinger politikwissenschaftliche Forschungen, Band II, 1978).

 

Fazit zur Einheitspolitik

 Auch heute noch stellt sich immer wieder die Frage, wie wirksam gegen rechte und faschistsiche Tendenzen zusammen vorgegangen werden kann. Heute bezeichnen wir die Politik nicht mehr als Einheitsfrontpolitik, jedoch finden sich in Form der heutigen Bündnispolitik viele Aspekte der Frage nach einem einheitlichen Vorgehen wieder.

 Deshalb ein paar abschließende, auswertende Worte, die sich mit dem Gedanken des Einheitsfrontbegriffes auseiandersetzen und sicherlich auch für die heutige Politik anregende Wirkung besitzen.

 >>Der spontane Drang angeblich zur "Einheit” erwies sich als Drang zur Sammlung der Verfolgten des Naziregimes, erwies sich als der Ausbruch vorerst weniger aus der erzwungenen Isolation. Die "Einheit” in der Antifa stellte sich als eine scheinbare heraus, da sie nur auf Grund ihres Vorsprunges im organisatorischenAufbau, der gelichwohl politische Gründe hatte, in der Lage war, für einen kurzen Zeitraum unterschiedliche Tendenzen mangels Alternative und nicht auf Grund von Übereinstimmung zu vereinen. Die SPD-Kreise erwachten erst später aus der Betäubung als die Linkssozialisten und Kommunisten in der Antifa. Doch als sie sich besannen, entfernten sie sich von der Antifa. Im bürgerlichen Lager war gleiches zu erkennen. Zuerst regten sich de antifaschistischen Kreise des christlichen und liberalen Bürgertums, später erst die Kollaborateure. (…).

 Die Haupttendenz jener Tage hieß also "Sammlung” und nicht "Einheit”.<< Zur Durchsetzung politischer Ziele und vor allem kontinuierlicher Politik ist aber die Einheit einer Organsiation von Nöten, denn so >>entbehrte die "Sammlung” im Gegensatz zur "Einheit” der politsichen dynamik und bestätigte damit Erfahrungen in der deutschen und darüberhinaus in der internationalen Arbeiterbewegung. Dort kamen Sammlungen in der Zeit der Defensive und nicht der Offensive zustande. (…) Die Sammlung dient der Abwehr der Angriffe des Gegner, die Einheit dem Angriff auf den Gegner.<<

 (Albrecht Lein, Antifaschistische Aktion 1945 - Die "Stunde Null” in Braunschweig, S. 240/241, Göttinger politikwissenschaftliche Forschungen, Band II, 1978).

 

April 1995
Autonome Antifa (M)
organisiert in der
ANTIFASCHISTISCHEN AKTION/Bundesweite Organisation