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Wed Dec  4 17:38:12 1996
 

Zu meinen Haftbedingungen


Birgit Hogefeld


Nach meiner Verhaftung im Juni '93 war ich genau ein halbes Jahr in Totalisolation, d. h. ich war 24 Std. täglich allein - davon 23 Stunden in einer knapp 8 qm großen Zelle und 1 Stunde im Hof (mehr als 2 Monate dieser Zeit war ich überhaupt nicht draußen, denn mein Hofgang sollte in einem winzigen Käfig stattfinden, weil ich immer wieder mit anderen Frauen an Fenster geredet hatte, in diesen Käfig bin ich nicht gegangen).
Seit Ende Dezember habe ich zusammen mit den anderen Frauen der U-Haftabteilung täglich eine Stunde Hofgang - allerdings nur mit denen, die nicht arbeiten. Praktisch sind das meistens 3 - 4 Frauen, die zusammen mit mir im Hof sind (manchmal bin ich auch ganz allein draußen, theoretisch könnten meistens 7-8 Frauen zusammen mit mir raus, aber gerade auf U-Haft sind immer Frauen auf Entzug oder haben Prozeß oder gehen nicht raus, weil sie sowieso nur kurze Zeit im Knast sind). Freundschaftliche Beziehungen zu anderen Frauen lassen sich für mich aus verschiedenen Gründen nur schwer herstellen, zum einen ist eine U-Haftabteilung immer eine Durchgangsabteilung (niemand ist hier so lange wie ich), viele Frauen sind bloß wenige Tage hier, und die meisten, die wissen, daß sie länger im Knast bleiben müssen, versuchen so schnell wie möglich Arbeit zu kriegen und gehen dann zu anderen Zeiten in den Hof als ich. Nur am Wochenende könnte ich auch die Frauen, die arbeiten, im Hof sehen, aber da sie werktags kurz nach 6 Uhr aufstehen müssen, schlafen die meisten am Wochenende aus und gehn nicht raus. Die restlichen 23 Stunden bin ich in der Zelle eingesperrt, das Fenster hat Betongitter, und das einzige, was ich seit 10 Monaten sehe, wenn ich rausschaue, ist eine hohe graue Mauer und darüber den Himmel - ein Antrag auf Verlegung in eine Zelle auf der anderen Seite desselben Flurs, von wo aus ich eine Grasfläche mit Pflanzen und in einiger Entfernung Bäume sehen könnte, wurde mit der Begründung abgelehnt, daß die Zellen auf beiden Seiten gleichwertig seien. Ich bin außer dieser einen Stunde Hofgang von allem, was hier den Knastalltag der anderen Gefangenen ausmacht, ausgeschlossen: "Umschluß" in andere Zellen, alle Freizeit- und Sportveranstaltungen, Kirche, Bücherbenutzung eben alles, außer dieser einen Stunde Hof mit den anderen Frauen, die vom BGH genehmigt wurde, um meine Haftsituation in der Öffentlichkeit als "normal" hinzustellen.
In den restlichen 23 Stunden wird meine Isolierung offensiv durchgesetzt, im Moment, wo ich das hier schreibe, haben die anderen Frauen "Aufschluß" d.h. alle Zellentüren (bis auf meine) sind offen, und alle können sich in allen Zellen und auf dem Flur und Küche "frei" bewegen. Ich höre jetzt die Stimmen, höre, wer mit wem redet, wer mit wem im Flur Tischtennis spielt, wer sich beschwert, weil die Küche wieder mal versifft ist usw. Wenn gleich eine der Frauen den Tischtennisball in Richtung meiner Tür springen läßt, herkommt und "hallo" sagt, dann wird sie gleich von den Schließerinnen angeschnauzt, und wenn sie nicht sofort von der Tür weggeht, wird ihr mit Einschluß gedroht. Wie gesagt, es handelt sich um dieselben Frauen, mit denen ich heute morgen im Hof war, und wenn wir jetzt miteinander reden, werden sie mit Repressalien bedroht - ich nicht, womit sollten sie mir drohen?
Aber es ist auch so, daß manche Frauen Angst haben, mit mir viel zu tun zu haben, hier hat sich natürlich rumgesprochen, daß eine Frau, mit der ich mich vor einigen Monaten angefreundet hatte, im Prozeß vom Richter gefragt wurde, ob "sie denke, ich wäre der richtige Umgang für sie", und ob ihr bekannt wäre, daß "die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung strafbar ist". Vor wenigen Tagen hat mir eine Frau im Hof erzählt, daß sie bei einer Schließerin nachgefragt hat, ob ihr Kontakt zu mir in ihrer Akte vermerkt ist. Alles in allem ist es so, daß sie die eine Stunde Hofgang machen müssen und ansonsten alles dafür tun, daß ich in den restlichen 23 Stunden am Tag keine anderen Gefangenen zu Gesicht kriege - eben über Drohung und Repressalien, aber auch über Organisierung im Knastbetrieb (beispielsweise werden alle anderen über den Hof zum Besuch gebracht, einfach weil das der kürzeste und schnellste Weg ist, mich schließen sie dafür durch unzählige Türen durch unterirdische Gänge, weil ich dort niemandem begegnen kann). Meine Besuche (2 x I Stunde im Monat) finden immer noch in Trennscheibenzellen statt - außer denen mit meiner Familie - und selbst die Anwälte sehe ich nur hinter Panzerglas. Bücher, Zeitungen und Musikkassetten bzw. CDs sind limitiert - politische Zeitschriften und Broschüren werden oft beschlagnahmt oder monatelang blockiert, Fotokopien bekomme ich überhaupt keine - d. h. ich bin von aktuellen politischen Auseinandersetzungen weitgehend abgeschnitten. Verschärft wird das seit einigen Wochen noch dadurch, daß ich mehr als 3 Wochen lang überhaupt keine Post bekommen habe, weil das für mich zuständige Gericht alle Briefe an mich bzw. die von mir an andere nicht weitergeleitet hat. Im April wurde Anklage gegen mich erhoben, der Prozeß soll in Frankfurt stattfinden, und seit dem 1. April ist das dortige OLG zuständig - es ist der Strafsenat, der letztes Jahr über Monate die Freilassung von Ali Jansen verhindert hat, obwohl sein Gesundheitszustand lebensbedrohlich war, und der vor wenigen Tagen Eva Haule zu lebenslänglich verurteilt hat. Bei mir war ihre erste Handlung, keine Post mehr durchzulassen, und zu allen Leuten, mit denen sich eine verbindliche politische Diskussion angefangen hat zu entwickeln, ist das immer noch so. Letzte Woche hat mich eine Freundin besucht, Briefe, die sie mir vor über 6 Wochen geschrieben hat, sind immer noch nicht da, und sie bekommt auch keine von mir - so hängt dann der Besuch völlig in der Luft. Die Verhinderung der politischen Auseinandersetzung ist die eine Seite, die andere ist die, freundschaftliche Beziehungen und alles, was für Menschen eben wichtig ist, zu verhindern. Kürzlich wollte mir jemand einen uralten Brief von meinem erschossenen Lebensgefährten Wolfgang Grams schicken, ich wollte diesen Brief gern haben, weil ich sonst überhaupt nichts von Wolfgang habe - außer Erinnerungen. Wolfgang war 1978 nach der Erschießung von Willi Stoll 6 Monate im Knast, es ging um einen Brief, den er in dieser Zeit an eine Freundin geschrieben hatte. Dieser Brief, der 1978, ein Jahr nach dem "deutschen Herbst", die BGH-Zensur passiert hatte, wurde jetzt von demselben Gericht angehalten, weil er "grobe Beleidigungen" enthalte.


Portrait Birgit Hogefeld

Birgit Hogefelds Postadresse ist z.Z.:

Birgit Hogefeld,
c/o OLG, 5. Strafsenat,
Zeil 42,
60313 Frankfurt