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70 / 20 Jahre Rote Hilfe

 

 


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Der Kampf von Frauen in der Illegalität

Im faschistischen Deutschland bezeichnet Diehls, der Leiter der preußischen Geheimen Staatspolizei die Frauen als die verstocktesten Staatsfeinde, weil sie trotz Folterungen nicht zu Denunzianten werden. Es sind die Frauen, die den Gerichtsvollzieher aus den Häusern und die provozierenden Nazis aus dem Wohlfahrtsamt verjagen. Auf den Märkten kommt es vielfach infolge der ungeheuerlichen Verteuerung der Lebensmittel zu Unruhen, bei denen die Frauen eine führende Rolle spielen. Die proletarischen Hausfrauen stellten im Ruhrgebiet eine Delegation zusammen und verlangten in den Betrieben für ihre Männer Lohnerhöhung. Frauen verhindern Verhaftungen und verlangen die Freilassung ihrer Männer. So in Berlin und Breslau, wo die Frauen der Polizei einen verhafteten Lehrling und Markthändler entrissen. In Berlin konnte in einem Betrieb die Polizei eine Kommunistin nicht verhaften, weil die Arbeiterinnen mit Streik drohten. Im Rheinland zogen 40 Frauen vor das Landratsamt und forderten die Freilassung ihrer Männer. In einem anderen Ort erzwangen 60 Frauen mit ihren Kindern durch eine Demonstration die Freilassung von 40 Gefangenen. In Freiburg erreichten Frauen die Freilassung einer Kommunistin.«
Frauen in der Solidaritäts- und Kampffront!, Mopr-Verlag Zürich 1934

Frauen haben in der Roten Hilfe Deutschlands stets eine große Rolle gespielt und die oben erwähnten Beispiele sind sicher nur eine kleine Auswahl. Doch soweit uns bekannt, waren auch in der RHD nur wenige Frauen in höheren Positionen zu finden. Eine Ausnahme stellt Clara Zetkin dar, die als Vorsitzende des Exekutivkomitees der Internationalen Roten Hilfe an führender Stelle tätig war. Ansonsten gibt es leider fast keine Materialien über die aktive Rolle der Frauen in der RHD. Stellvertretend für viele Frauen, ohne die die Rote Hilfe Deutschlands sicher nicht hätte arbeiten können, seien an dieser Stelle Ottilie Pohl und ihre Mitkämpferinnen aus Berlin- Tiergarten genannt.
Ottilie Pohl, geb. 1867, war bereits früh in einem Arbeiterbildungsverein für Frauen und Mädchen und später über die SPD in der ArbeiterInnenbewegung organisiert. Sie war in Berlin Moabit als Funktionärin der Sozialdemokraten tätig, brach aber im ersten Weltkrieg mit der SPD und ging zur USPD. Für die USPD saß sie 1920 in der Berliner Stadtverordnetenversammlung. Später wurde Ottilie Pohl Mitglied der KPD und organisierte sich in der Roten Hilfe Deutschlands. Uns sind lediglich ihre RHD-Tätigkeiten aus dem Faschismus überliefert.
In Berlin Moabit gab es einen Kreis von Frauen, von denen neben Ottilie Pohl auch Rosa Lindemann und Martha Krüger namentlich bekannt sind. Die Frauen organisierten in Berlin Moabit Hilfsaktionen und trafen sich wöchentlich zur Tarnung als Kaffeekränzchen oder Versammlungen in Gartenlauben. Die Frauen sammelten Geld für Angehörige der Inhaftierten und halfen untergetauchten WiderstandskämpferInnen. »Einige unserer Frauen halfen den Männern, deren Frauen verhaftet waren, in der Wirtschaft und betreuten die Kinder. Wir hatten über dreißig Familien erfaßt und konnten manchs Leid lindern. Es war für uns eine besondere Freude zu hören, wie froh unsrere Genossen in den Gefängnissen und Zuchthäusern darüber waren, daß wir uns um ihre Angehörigen kümmerten und sie umsorgten« (Rosa Lindemann) Außerdem organisierten Frauen auch Verteilaktionen für illegale Schriften und Flugbätter.
Ottilie Pohl versteckte trotz Gefahr auch in ihrer eigenen Wohnung Verfolgte und illegal lebende WiderstandskämpferInnen. Weil sie dem aus Skandinavien eingeschleusten kommunistischen Funktionär Rudolf Hallmeyer eine Unterkunft bei Martha Krüger vermittelte, wurde sie wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens im August 1940 verhaftet. Hallemeyer flog auf und wurde mit anderen Genossen hingerichtet.
Das Gefängnis verließ Ottilie Pohl erst wieder gegen Ende 1941, nachdem sie am 30. April 1941 zu einer Gefängnisstrafe von acht Monaten verurteilt wurde. Aus der Haft entlassen, setzte Ottilie Pohl ihre Arbeit fort.
Ottilie Pohl wurde als Jüdin im November 1942, als 76-jährige, in das KZ Theresienstadt deportiert, wo sie 1943 ermordet wurde.


Quelle:
Aus: Kurt Schilde, Versteckt in Tiergarten, Berlin 1995, S.81ff
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