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Tue Oct  7 23:10:45 1997
 

Auszüge aus einer Bundestagsdebatte

Bundesjustizminister Vogel (SPD):
... Dieser Hungerstreik dient ebenso wie der angedrohte Durststreik nicht einer Verbesserung angeblich schlechter Haftbedingungen; er ist vielmehr, wie Kollege Maihofer 1 zutreffend dargelegt hat, Teil eines geplanten Kampfes gegen den Rechtsstaat mit dem Ziel, entgegen den gesetzlichen Bestimmungen die Entlassung aus rechtmäßiger Haft zu erzwingen oder doch zumindest die Rechtsstaatlichkeit der zuständigen Institutionen gegenüber der Öffentlichkeit in Zweifel zu ziehen, verächtlich zu machen und wenigstens teilweise zu lähmen. Der Rechtsstaat darf und wird bei Wahrung aller medizinischen und humanen Erfordernisse vor solchen Aktionen nicht kapitulieren ...
Die Bundesregierung ist sich dessen bewußt, daß im Zusammenhang mit den in Rede stehenden Verfahren eine sorgfältig geplante Sympathie- und Mitleidskampagne betrieben wird, an der sich einzelne und Gruppen aus unterschiedlichen Motiven beteiligen. Im Zuge dieser Kampagne ist von "politischen Gefangenen", von "Isolationsfolter", vom "Toten-Trakt" und "Vernichtungshaft" die Rede. Neuerdings ist auch der Vorwurf der schrittweisen und planmäßigen Ermordung von Untersuchungsgefangenen erhoben worden.
Gemeinsam mit den Justizministern und -senatoren der Länder weist die Bundesregierung die darin enthaltenen Tatsachenbehauptungen als Verdrehung der Wahrheit, als Versuch der Irreführung der Öffentlichkeit und als Versuch zur Motivierung von Sympathisanten mit Entschiedenheit zurück. Schon die Wortwahl ist übrigens ein wesentlicher und kennzeichnender Bestandteil eines auf Emotionalisierung angelegten Agitationskonzepts.
Namens der Bundesregierung stelle ich ausdrücklich fest: In der Bundesrepublik Deutschland wird niemand wegen seiner politischen Gesinnung oder Überzeugung verfolgt oder gar in Haft gehalten. In Haft befinden sich in diesem Lande lediglich Personen, gegen die der gesetzliche Richter wegen des dringenden Verdachts schwerer Straftaten, etwa wegen Mordes, Mordversuchs, schweren Raubes, schwerer Brandstiftung, einen Haftbefehl erlassen hat oder die rechtskräftig zu Freiheitsstrafen verurteilt worden sind. Ebenso unwahr ist der Vorwurf, die Gefangenen würden besonderen Vollzugsbedingungen, insbesondere einer sogenannten Isolationsfolter, unterworfen ...
Sämtliche Maßnahmen im Vollzug der Untersuchungshaft und auch der Strafhaft unterliegen der Kontrolle unabhängiger Gerichte. Für Untersuchungsgefangene werden darüber hinaus auch Haftbedingungen von Richtern im einzelnen festgelegt. Soweit besondere Maßnahmen angeordnet werden, finden sie ihren rechtfertigenden Grund in der besonderen Gefährlichkeit der Inhaftierten und ihrer bis in die letzten Tage hinein bekundeten Absicht, ihren Kampf gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik auch während der Haft und erst recht nach einer eventuellen Befreiung fortzusetzen ...

Weyer (FDP), nordrhein-westfälischer Innenminister und Sprecher der Innenministerkonferenz: ... Aber mit dem Ausbau des Bundeskriminalamtes ist es doch wohl nicht getan! Das ist auch eine Frage der Polizeistärke in den Ländern. Auf den letzten Polizeibeamten kommt es an, wenn wir mit der Bande fertig werden wollen. Nicht allein auf das FBI oder das Bundeskriminalamt, sondern auch auf den letzten Polizeibeamten auf der Straße kommt es dabei an ...
Es war ja nicht nur das Bundeskriminalamt, das ausgebaut wurde, sondern es sind überall die MEKs ausgebaut worden - sowohl beim Grenzschutz als auch bei den Polizeien der Länder -, damit wir auch in diesem Bereich eine dahin gehende Chancengleichheit haben, mit diesen Radikalen, mit diesen Gangs fertig zu werden. (Vogel (Ennepetal, CDU/CSU): Sie wissen auch, wie mühsam manches war!) - Es ist nicht mühsam gewesen. Wir brauchten nur Freiwillige, die sich dann auch gemeldet haben. Denen haben wir eine anständige Ausbildung, denen haben wir die Waffen gegeben, die erforderlich sind, damit wir hier im Vergleich zu den kriminellen Elementen eine Gleichheit in der Bewaffnung haben ...

(Quelle: Nr. 5, S. 8795ff)


aus: Ausgewählte Dokumente der Zeitgeschichte: Bundesrepublik Deutschland (BRD) - Rote Armee Fraktion (RAF), GNN Verlagsgesellschaft Politische Berichte, 1. Auflage Köln Oktober 1987

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Anmerkungen der Redaktion:

1 Werner Maihofer: 1972 bis 1978 FDP-Bundesminister für besondere Aufgaben, Bundesinnenminister (Rücktritt nach der "Traube-Affäre" und "Fahndungspanne Schleyer")