nadir start
 
initiativ periodika Archiv adressbuch kampagnen suche aktuell
Online seit:
Sun Jan 19 15:15:34 1997
 

Info zum Prozeß gegen Birgit Hogefeld

Nr. 6

Wiesbaden, Juni 1995

 


Prozeßbericht Mitte März bis Mitte Mai

 

Nach der Gewaltanwendung gegen Birgit während des Prozesses am 9.3. stellte die Verteidigung einen Befangenheitsantrag gegen die Richter Schieferstein, Klein, Kern, Zeiher und die Richterin Lange.

Gründe:

- die zwangsweise Einzelgegenüberstellung von Birgit gegenüber dem Zeugen Esposito.

- der offensichtliche Versuch der Manipulation des Zeugen Esposito über Jahre hinweg, in denen er schließlich immer wieder andere Personen als die Angeklagte identifizierte.

- das Handeln des Senats gegen seinen eigenen Beschluß vom vorherigen Verhandlungstag - gegen die Angeklagte keine Gewalt zur Gegenüberstellung anzuwenden - jetzt mit der scheinheiligen Begründung umzuwerfen: Aufklärungspflicht.

Zur Aufklärungspflicht gehört für den Senat allerdings nicht, die Akten für die mehrfache Vernehmung des Zeugen Esposito zu vervollständigen und die BKA-Spezialisten zu laden, die den Zeugen über Jahre hinweg bearbeitet haben, um nachvollziehen zu können, wieso manche Zeugen zu dem jeweils gewünschten Ergebnis kommen.

Lediglich am 4.4. wurde der BKAler geladen, der bei Esposito die Erstvernehmung geleitet hatte und wobei der Autoverkäufer Esposito aus frischer Erinnerung mit 99%iger Sicherheit eine andere Person als Käuferin identifiziert hatte.

Der Befangenheitsantrag wurde inzwischen abgelehnt..

Auch der zweite Ansatz, Birgit eine direkte Tatbeteiligung an der AirBase Aktion nachzuweisen, nämlich weitere Zeugen aus dem Westernsaloon, läuft noch weiter. Was bei dem Zeugen Kalka schief ging, der trotz heftigsten Bemühungen von BKA, Anklage und Gericht, Birgit nicht als die Frau aus dem Western-Saloon benennen wollte, sollte bei dem gefügigen Zeugen Tui (damaliger GI) teilweise gelingen.

Pimental habe sich an dem Abend fast ausschließlich mit der Frau unterhalten, er selber habe die Frau nicht direkt gesehen, auf Nachfrage gibt er an, Brillenträger zu sein, an dem fraglichen Abend habe er sie aber nicht aufgehabt. Bei den ersten Vernehmungen mach-te er allgemeine Anga-ben zu Körpergröße, Haare, Gesicht, Augen usw., die auf viele Frauen zutreffen, auf Birgit eher weniger.

Auf den Fahndungsplakaten habe er in den Tagen nach dem Anschlag keine Frau gesehen, die der aus dem Western Saloon geähnelt habe. Ihm seien dann wochenlang Bilder vorgelegt worden, wo er dann doch schließlich eine Frau ausgedeutet habe, die auch auf dem Fahndungsplakat war (aber nicht Birgit).

November 1993 wurde ihm der schon bekannte Videofilm 4-5 mal vorgeführt und weitere Vernehmungen durch das FBI gemacht. Schließlich deutet er Birgit Hogefeld in dem Video als die Frau aus, die eine gewisse Ähnlichkeit mit der Frau aus dem Western Saloon habe.

An seine Aussagen von vor 10 Jahren kann er sich nicht mehr erinnern, dennoch will er in dem Video nach 9 Jahren die Frau erkannt haben, die damals im Western Saloon war. Seine Kurzsichtigkeit kam den Manipulationen zugute, weil er damals die Frau nicht so gut erkennen konnte, kann er jetzt besser beeinflußt werden.

So durch viele Bilder von Birgit und häufiges Ansehen des Videos auf Birgits Gesicht programmiert, sollte der Höhepunkt der Identifizierungskommödie durch die Einzelgegenüberstellung im Verhandlungssaal vollendet werden. "Ja, die war es", hätte er wahrscheinlich auch dann gesagt, wenn sie Birgit mit Gewalt und schmerzverzerrtem Gesicht umgedreht hätten. Aber sie ließen es dann doch bei der Androhung, die "Identifizierung" aus dem Video genügte ihnen offensichtlich.

Einige Wochen später trat Tui's Soldatenfreund Johnson auf. 1985 nach dem Anschlag waren ihm zahllose Lichtbilder vorgelegt worden, aus denen er schließlich eines ausgesucht hatte, das eine gewisse Ähnlichkeit mit der Frau, die im Western Saloon mit Pimental zusammen war, hatte. Es handelte sich nicht um ein Foto von Birgit. Die gewisse Ähnlichkeit machte er vor allem an der Augenpartie fest, die Augen seien groß gewesen und blau oder grün, auf keinen Fall braun. Richter Klein hielt ihm vor, daß ein weiterer Soldatenkollege, der selbst nicht zur Verhandlung erschien, bei den Vernehmungen damals gesagt habe, die Augen seien braun gewesen. BAW Hemberger verhalf dem Zeugen zu einem ehrenvollen Rückzug, indem er auf die schummrigen Lichtverhältnisse in dem Etablissement hinwies. Aller Protest der Verteidigung ob dieser unzulässigen Zurechtbiegung half nicht, Klein und Hemberger schlossen die kleinen Manipulationslücken von BKA und FBI. Aus "ganz sicher keine" wurden "möglicherweise doch" braune Augen.

Auf Nachfrage der Verteidigung bestätigte Johnson, daß Tui Brillenträger war und daß beide am fraglichen Abend ziemlich betrunken waren. Zum Schluß wieder der Versuch, Birgit dazu zu bewegen, sich umzudrehen, um ihr Gesicht diesem für Suggestionen offenen Typen auszusetzen, aber sie belassen es bei der Androhung von Gewalt. Möglicherweise schadet ihnen die allzu offene Gewalt im Gerichtssaal zur Zeit eher.

Am 24.3. hatten sie eine Zeugin, die aushilfsweise als Bedienung im Western Saloon gearbeitet und die fragliche Frau aus de Nähe gesehen hatte. Sie sagte, wenn sie ihr begegnen würde, würde sie sie wiedererkennen. Sie sagte, daß die Frau ihr selber ähnlich gesehen habe und beschrieb sich und sie wiederholt als "lange, dünne". Sie schilderte auch, daß sie einige Tage nach dem fraglichen Abend von einigen GI's vor dem Western Saloon festgehalten und als die Pimental-Begleiterin verdächtigt wurde. Der Geschäftsführer mußte sie aus dieser peinlichen Situation befreien.

Auf den 1985 ihr vorgelegten Bildern erkennt sie nur eine gewisse Ähnlichkeit bei einem Foto, daß nicht Birgit zeigt.

Auch ihr wurden nach Bad Kleinen wieder Bilder vorgelegt und der Video vorgeführt. Sie sagt eindeutig, daß sie weder auf den Bildern noch auf dem Film die Frau wiederfindet, die damals im Western Saloon war.

Am 18.5. war wieder einer der GI's aus dem Western Saloon da. Dieser Zeuge, McCutchen, hatte sich bereits mit Tui und Johnson ausgetauscht, obwohl sie die 10 Jahre über keinen Kontakt mehr miteinander hatten. Den manipulativen BKA-Video hat auch dieser Zeuge gesehen und zwei Vergleichspersonen ausgeschlossen. Er hat dazu gesagt, es wäre klar, daß er jemanden ausdeuten sollte aus dem Film, er habe die ausgedeutet, von denen er dachte, daß eine davon die sein könnte, die er ausdeuten solle. Er bekam dann noch Lichtbilder vorgelegt, hat aber niemanden identifiziert. Auch hier brachte er offen zum Ausdruck, daß er keine klare Erinnerung mehr hat, sondern sich das "Image" der Frau zusammensetzt aus seiner Erinnerung und den vielen Fotos, die er im Laufe der bereits gesehen hat. Daß die Frau attraktiv war, wußte er noch - und nach diesem Kriterium betrachtete er die vorgelegten Bilder. Hier tauchte auch eine neu gefertigte Lichtbildmappe auf, deren Vorlage vom Anwalt widersprochen wurde, da sie tendenziös zusammengestellt ist. Aber auch in dieser Mappe war dem Zeugen kein Foto attraktiv erschienen, obwohl es so aussah, als wollte das Gericht seine Verlegenheit ob dieses ihm dann doch etwas peinlichen Kriteriums ausnutzen.

Aus der Einführung (Verlesung) zumindest eines Teils der Lichtbildmappen wird nicht nur deutlich, daß die ZeugInnen mit massenhaft Lichtbildern bombardiert wurden, sondern ferner, daß in diesen BKA-Mappen auch reichlich Leute sind, die nicht in der RAF organisiert sind oder waren. Dies zeigt noch einmal, wie das BKA in dieser Zeit an den Konstruktionen gebastelt hat, nach denen auch Leute eingeknastet wurden, aber auch, wie offen sie sich ihre "Ermittluingsergebnisse" gehalten haben und immer noch halten.

Wieder traten in dem Berichtszeitraum ausgewählte BKAlerInnen auf, meist um Banalitäten ihrer Arbeit zu schildern, beispielsweise wie sie die Erklärungen abgeholt haben, nach Fingerabdrücken gesucht haben; sie beschreiben zerstörte Autos und was sie alles asserviert haben, kommentieren Lichtbilder vom Tatort , oder was sie bei Zellenrazzien bei Gefangenen aus der RAF gefunden haben wollen etc..

Es sind ZeugInnen, die weder bei der BAW noch bei der Verteidigung Fragen aufwerfen. Wohingegen die BKAlerInnen, die Schriftgutachten, Sprengstoffgutachten usw. erstellt haben und meist zu keinem eindeutigen Ergebnis kommen, sondern mit vagen Vermutungen operieren, nicht geladen werden, weil dies die Gutachten als Farce entlarven und eventuell kippen könnte. Durch die schriftliche Einführung dieser Gutachten bleibt der BAW und dem Richterkollegium vorbehalten, wie sie sie bei der Verurteilung von Birgit verwenden.

Ähnliches gilt für die BKA-SpezialistInnen, die über Jahre hinweg ZeugInnen befragt, geführt und manipuliert haben. Es soll nicht klar werden, wie sie das gemacht haben, die schriftlichen Unterlagen sind nicht vollständig, fast nie wird deutlich, wieviele und welche Lichtbilder zu welchen Zeiten den zu bearbeitenden ZeugInnen vorgelegt wurden. Nur eine Befragung der ZeugenführerInnen könnte etwas Klarheit bringen, dies scheint aber nicht zur Aufklärungspflicht zu gehören, auf die sich das Gericht an anderen Punkten so gerne beruft. Eher scheint es das Ziel zu gefährden, das Birgit einmal so ausdrückte:

"Nach dem bisherigen Prozeßverlauf muß ich davon ausgehen, daß, würde hier statt mir eine Schaufensterpuppe auf der Anklagebank sitzen, dann hätte diese Puppe vermutlich große Chancen, als die Frau identifiziert zu werden, die mit Pimental die Kneipe verlassen haben soll."

Im Prozeß traten auch einige der bei Anschlägen Angegriffenen auf, wie zum Beispiel Tietmeyer, die nicht die Funktion haben, Häkchen für die Anklageschrift zu liefern, so daß Richter Klein hier nicht in Aktion tritt. Hier kommt eher die "sensible" Richterin Lange zum Zuge, die sich sonst nicht sehr hervortut Sie fragte den Tietmeyer:"Was macht das mit Ihnen" und sie meinte mit "das" wohl den mißglückten Anschlag und nicht die Folgen seiner Finanzstrategie in Vergangenheit und Gegenwart, die Millionen von afrikanischen BäuerInnen in Elend und Hunger treibt, sonst hätte sie die aufklärende Frage stellen müssen:"Herr Tietmeyer, was machen Sie mit denen?"

Auch bei dem AirBase Anschlag Verletzte traten Ende März im Prozeß auf. Von der Richterbank wurden sie ausführlich nach ihren Verletzungen befragt und mit Bildern ihrer toten Armeeangehörigen konfrontiert, wobei ihre Gesichter Abscheu zum Ausdruck brachten. Aber sie wurden nicht gefragt, ob sie diese an sich natürliche Abscheu auch empfinden über die Tausenden von Toten und Verletzten, die ihre Militärmaschine von Frankfurt aus startend im Libanon, im Irak, im Iran, in Libyen verursachte.

Die Militärärzte, die aus den USA eingeflogen wurden, schilderten nochmals in allen Einzelheiten die Verletzungen und ihre Bemühungen, die Soldaten wieder wehrtüchtig zu machen.

Es ist kein Zufall, daß sie das in diesem Prozeß so ausbreiten.

Weil ihnen Birgit angreifbar erscheint, da sie Fehler, eigene und die der revolutionären Bewegung der 80er, benennt. Aber Fehler benennen und daran arbeiten bedeutet nicht Schwäche, sondern Stärke.

Es richtet sich auch gegen die Prozeßöffentlichkeit, die zwar nicht groß, aber vielfältig ist.

 

18.5. - Erneuter Überfall gegen ProzeßbesucherInnen

 

Nachmittags nach dem Prozeß wollten wir zusammen den Geburtstag einer Prozeßbesucherin feiern. Zwei Prozeßbesucherinnen verließen den Zuschauerraum vor Prozeßende, um das Auto mit den Sachen für die Fête herzuholen. Als der Prozeß zuende war, ist der Rest (9 Leute) zu ihnen zum Auto gekommen. Ihnen folgte kurz danach ein Trupp Uniformierter, um die beiden Frauen in Gewahrsam zu nehmen, wie sie ankündigten. Die gewaltsame Festnahme konnte nicht verhindert werden, aber die restlichen Leute ließen sich nicht davon abbringen, die beiden zu begleiten und blieben vor dem Gebäude stehen, bis die beiden nach ca. einer Stunde wieder freigelassen wurden. Was ihnen vorgeworfen wurde, blieb unklar, lediglich, daß die Beamten eine Anordnung des Richters ausführten, ließen sie durchblicken, Die an dem Überfall beteiligten Beamten waren relativ jung, zwei Frauen waren dabei, die durch besondere Brutalität hervorstachen. Außerdem zwei Zivile, die sich eher im Hintergrund hielten.

Nachdem der martialische Konvoi zum Abtransport von Birgit durch war, kamen die beiden Frauen wieder raus.

Trotz der sehr widrigen Umstände wurde im Anschluß wie geplant Geburtstag gefeiert. Als die beiden zuvor festgenommenen Frauen danach zu ihrem Auto kamen, war ein Vorderreifen plattgemacht. Keine Frage, wer das wohl war.

Nachdem Schieferstein bei der letzten Festnahme von ProzeßbesucherInnen im Gerichtsgebäude jede Verantwortung von sich gewiesen hat, wurde bei diesem Überfall klar, daß er auf richterliche Anordnung hin geschah.

Das Kalkül, die ProzeßbesucherInnen einzuschüchtern, wird nicht aufgehen!

 


Aus der Diskusssion der InfoAG

Der Prozeß gegen Birgit und damit unsere Arbeit als InfoAG fallen in eine Phase, in der sich der Bezugsrahmen linker, radikaler linker Politik völlig aufgelöst hat. Dieser Zerfallsprozeß ist nur vordergründig an Bad Kleinen / Steinmetz bzw. der Entscheidung der Raf 1992 und der sog. Bruchpolitik festzumachen.

Vielmehr drückt sich darin aus, daß eigenständige Orientierungen, auf die jetzt zurückgegriffen werden könnte, nicht entwickelt wurden. In dieser Situation greift eine Schärfe als Form um sich, die inhaltlich merkwürdig unscharf und ungreifbar bleibt. Die "Schärfe" drückt sich aus in den Deutungen und Bewertungen der Person Birgits; dabei findet keine politische Auseinandersetzung , sondern Individualisierung statt. Diese Individualisierung kann eines der Mittel sein, politische Widersprüche auf andere zu projizieren, abzuspalten, anstatt sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Die "Auseinandersetzung" bleibt auf der Ebene von Klatsch und Tratsch, Unterstellungen, persönlichen Angriffen und laienpsychologischen Deutungen. Gegen Birgit wird der ganze Charakter einer Individualisierung solcher Art sichtbar. Nicht nur in der harten Entsolidarisierung, die fast sofort nach Bad Kleinen einsetzte, sondern auch darin, daß in den Psycho-Deutungen und Unterstellungen etwas Grenzverletzendes, Übergriffiges liegt.

Es ist so, daß durch die Formen, die sich in der Auseinandersetzung etabliert haben, jeder tatsächlich kritisch hinsehenden Auseinandersetzung die Luft abgedrückt ist - daß darin Kritik oder Fragen, die nicht gleich auf Abgrenzung, Gegenlinie, Polarisierung abzielen und diese nicht befördern wollen, keinen Raum haben.

Eine Auseinandersetzung mit den Fragen und Gedanken, die Birgit aufwirft, findet nicht statt. Birgit ist hier nicht nur Einzelperson, sondern sie steht für die Diskussion in der Raf und auch weitergreifend für die Versuche und Bewegungen in den 80-er Jahren, an denen ja nicht nur die Raf Anteil hatte. Mit Blick darauf würde Kritik (an Birgit, an der Raf, an der "Front") Sinn machen. Gerade diese Anstrengung steht aber noch aus.

Als wir mit dem Info angefangen haben, dachten wir, diese Fragen müßten doch vielen unter den eigenen Nägeln brennen, zumal der Einschnitt Bad Kleinen sie nochmal schärfer jeder/m einzelnen gewahr werden ließen.

Unsere Hoffnung und teilweise Befürchtung, in einer Papierflut unterzugehen, trat nicht ein.

Uns wurde öfter unterstellt, wir würden Kritik an Birgit unterdrücken. Abgesehen davon, daß das nicht unsere Intention ist, hatten wir dazu bislang gar keine Gelegenheit: Es kam nichts bei uns an. Schwammig und vom Hörensagen kennen wir folgende Kritikpunkte:

- Birgit stehe nicht zu ihrer Geschichte

- sie "hat's nicht klar"

- sie sei unehrlich

Diesen Punkten ist gemeinsam, daß sie schwer greifbar und überprüfbar sind, da sie sich auf der Ebene von Deutungen und Interpretationen der Person bewegen. So bleibt es Geschmackssache, sich ihnen anzuschließen oder nicht.

Desungeachtet sind sie ungeheuer abwertend. Und wirkungsvoll, wie nicht nur an der schwachen Solidarität, sondern auch an dem starken Polarisierungsdruck deutlich wird, der sich gegen Birgit wie gegen uns richtet.

Aus der Verantwortung für die Wirkungen dieser unreflektierten Bilder, Projektionen und subtilen Wertungen kann sich niemand davonstehen, egal ob er sie in die Welt gesetzt hat oder nur nachplappert.

Nach unserer Aufforderung an uns und andere im Vorwort in Info 1, eine je eigene Verantwortlichkeit für die Entwicklungen der letzten 10 Jahre zu entwickeln, hatten wir uns vorgestellt, daß dieses Sich-in-Abgrenzung-zu- oder In-Anlehnung-an- Definieren, was auch ein sehr beredtes Schweigen über die jeweils eigenen Anteile einschließt, bald aufhören würde. Daß vielen das Schweigen, auch das eigene, bald unerträglich werden müßte. Daß das Bewußtsein der eigenen Verantwortung bald breiter die Auseinandersetzung bestimmen würde.

Daß das Schweigen nicht nur nicht durchbrochen würde, sondern sich eher verstärkt, war für uns nicht absehbar. Und auch nicht die Formen, die das annehmen würde.

 

Weithin bleibt der Blickwinkel auf Birgit, auf die Raf oder auf uns als Info-MacherInnen gerichtet.

Für uns stehen Fragen an andere nicht so im Vordergrund, sind nicht der Kristallisationspunkt, an dem wir unsere Verantwortung und Solidarität festmachen. Die Entscheidung, etwas zum Prozeß zu machen, haben wir, jede/r von uns, aus ihrer eigenen Geschichte getroffen und nicht nur aus dem Verhältnis zu anderen abgeleitet.

 

In der Unterstellung, Birgit stünde nicht zu ihrer Geschichte, wird der Maßstab eines "richtigen Verhältnisses" zur eigenen Geschichte angewandt, bevor er entwickelt und definiert ist.

Bedeutet, zu etwas "zu stehen", immer noch, keine Fragen stellen zu dürfen ?

Ist, zu etwas zu stehen, nicht viel eher, auch Fragen zuzulassen, die Widersprüche nicht abzuspalten, und sich die eigene / kollektive Geschichte kritisch neu anzueignen, so wie es die Raf versucht hat, ohne bislang die weitertreibenden Momente ihres Ansatzes zu reformulieren. Notwendigerweise stößt sie dabei an Grenzen, wo es nicht politisch breiter diskutiert wird.

Statt diese Suchbewegung als solche wahrzunehmen und

aufzugreifen, wird durch Unterstellungen, Schuldzuweisungen und schnelle Wertungen ein Klima geschaffen, in dem individueller Rückzug oder die Neuauflage alter Lautsprechermentalitäten zu vorherrschenden Reaktionen werden. Auch Birgit soll, wenn sie "nichts klar hat", doch lieber den Mund halten, ist verschiedentlich zu hören oder zu lesen. Hier tradiert sich die Bedeutung von "Klarheit" als die individuelle Fähigkeit, Fragen und Widersprüche zu "überwinden", anstatt sich ihnen zu stellen, unserer Meinung nach ein großer Fehler der an die Raf angelehnten Politik der 80-er Jahre.

 

Die Personifizierung (Individua-lisierung) von Widersprüchen und damit ihre Entpolitisierung ist keineswegs neu. Sie zog schon immer starre Aus- und Eingrenzungspraktiken nach sich und es scheint darin ein irrationales und auch ein repressives Moment durch. Die unhinterfragte Ebene platter Bewertungen (gut-schlecht; straight - naiv etc.) hantiert kriterienlos und fragt schon garnicht nach deren Bedingtheit und Herleitung . Dies wäre aber eine Voraussetzung für den kritischen Blick auf die Geschichte (als individuelle und kollektive) und die Auseinandersetzung damit.

 

Andererseits ist manches gutgemeinte Schulterklopfen für Brigit darauf gerichtet, ihre bislang geäußerten Andeutungen von Fragen zum Einfallstor für ihre Ablösdung von ihren politischen und geschichtlichen Grundlagen zu machen.

Am 03.05.1995 war in der "Jungen Welt" ein fataler Appell von Kirchenleuten zur "Zu-sammenlegung" abgedruckt. Hierin wird, was in den Ansätzen der Raf an richtigem und auch an Herausforderung in die Gesellschaft hineinwirkte, auf ein "Terrorismusproblem" reduziert. Die Gefangenen aus diesem Zusammenhang werden als Individuen mit fehlerhaftem Lebensweg eingeordnet, den aufzuarbeiten sie durch die Zusammenlegung Gelegenheit bekommen sollen.

Darin trifft sich dieser Text mit Bestrebungen des VS, der nicht nur bei Birgit an die Zellentür klopfte, weil er es sich nur als Schwäche vorstellen kann, wenn es Fragen gibt.

Der individuelle Weg, die eigene Geschichte über den Haufen zu werfen, stand jederzeit offen, dafür braucht es weder eine Zusammenlegung noch eine Erklärung der Raf wie die von August 1992.

Die "resozialsierende" Intention der Christen ist nur eine Variation der Erwartung, daß die Zusammenlegung die wechselseitige Zerfleischung herbeiführe. Daß der Zusammenlegung Wirkungen zugedacht werden, die das politische Klärungsinteresse aushebeln, kann nicht gegen die Forderung von Gefangenen nach Zusammenlegung sprechen. Sie bleibt zu unterstützen, auch wo Gefangene die Einbeziehung von Birgit Hogefeld ablehnen.

Auch manche gutgemeinte Solidarisierung mit Birgit und der Versuch, sie als positiv besetztes Gegenbild zu etablieren, zurrt die Auseinandersetzung auf die Ebene der individuellen Bewertung fest.

So fällt auch in solidarischen Äußerungen zu Birgit (z.B. M. W. im Schwarzen Faden, siehe gekürzt auch: Junge Welt vom 17.02.95) die Tendenz auf, Birgit aus ihrem Zusammenhang herauszulösen und sie und die Raf in einer Schwarz-Weiß-Zeichnung zu enthistorisieren (früher: böse - heute: gut). Diese Tendenz beinhaltet die Gefahr, in dem Aufbruch der Raf die emanzipativen und für den Kampf notwendigen Elemente nicht mehr wahrzunehmen und so jegliche Kontinuität zu zerschneiden und so dazu beizutragen, daß das "Innehalten",die "Kampfpause", die "Besinnung", das "Ringen um neue Wege und Ziele" zum Bruch mit der Geschichte uminterpretiert werden.

Starre Bewertungskriterien und die Unfähigkeit., sich in Widersprüchen zu bewegen, ohne sie abzuspalten und bei "anderen" zu verorten, prägen -auch wenn es dazwischen immer wieder Aufbrüche gab - lange Phasen linker Geschichte in der BRD. Dies ist also keineswegs nur ein "Problem" der Raf und der an sie angelehnten Politik.

 

Mit der Raf ist untrennbar der Versuch verbunden, in diese Gesellschaft verändernd einzugreifen und die Erkenntnis, daß eine emanzipative Politik den ganzen Menschen erfordert. Gerade diese Elemente, die auch in andere Teile linksradikaler Politik einflossen, spielen in den aktuellen Äußerungen nahezu nirgends mehr eine Rolle. Sie gilt es - im Bewußtsein der Fehler, Fragen, Widersprüche - wieder und vor allem eigenständig zu entwickeln.

Dies kann - wenn überhaupt - nicht geschehen, ohne sich zur gemachten Geschichte eigenverantwortlich ins Verhältnis zu setzen. Dies schließt eine solidarisch-kritische Auseinandersetzung mit Birgit und dem Prozeß gegen sie ein, aber auch die Aufforderung,auch nach allen Prellungen, die das einfache Solidaritätsgebot gegenüber den Gefangenen erfahren haben mag. für die Freilassung aller politischen Gefangenen weiterhin einzutreten.

Zu den weiterzuführenden Aufgaben gehört auch der rückwärtsgewandte Punkt, kon-kret-persönliche Verantwortung für Steinmetz' Gedeihen in Wiesbaden zu übernehmen wie dessen Werdegang als Typus einer Karriere im Anti-Imp-Rahmen zu entschleiern.

Das Abkehren vieler in die Zurückhaltung können wir verstehen und finden wir auch angebrachter als so tun, als wäre nichts geschehen. Andererseits ist das Kopf-in-den-Sand-Stecken nicht der Gipfel der schönen Tugend der Redlichkeit.

 

Wer auch die Fäden wieder aufnimmt, die aus der Geschichte der Raf schlagen, wird die Erfahrungen derer brauchen, die jetzt so laut reden und nichts sagen, und derer, die schweigen und auch derer, die einen Bezugsrahmen radikalen Denkens und Handelns weiterschreiben wollen, der weder mit der Raf angefangen hat noch mit ihr zu Ende wäre.

 

 


 

Beitrag aus Saarbrücken:

 

basis: Zum Prozeß gegen Birgit Hogefeld

 

Wir haben im Rahmen der von der Initiative LIBERTAD! organisierten Prozeßbegleitung am 28. 3. und 4.4. den Prozeß von Birgit besucht. An beiden Prozeßtagen war der gemeinsame Angriff von RAF und Action Directe gegen die US Air Base in Frankfurt/Main im August 1985 Gegenstand der Verhandlung gewesen.

 

Bei unserem Prozeßbesuch in Frankfurt am 4. April, als auch zwei Vertreter nationaler Befreiungsorganisationenen aus den USA, der MLN(M) (Movimiento Liberation National/Mexico) und NAPO (New Africans People Organisation), als Besucher im Prozeß gegen Birgit Hogefeld waren, haben wir kurz nach Ende des Verhandlungstags mitbekommen, wie Birgit aus dem Gebäude des Oberlandesgerichts gebracht wurde. Die Straßen wurden weiträumig abgesperrt, dann kam, mit Blaulicht und Sirenengeheul ein grauer BMW aus der Einfahrt geschossen, in dem Birgit auf dem Rücksitz gesessen haben muß. Sehen konnten wir sie nicht, die Fenster waren rundum zugehängt.

Es muß für sie so sein, als würde sie einen Sack über den Kopf gezogen bekommen. Die Methode, die dahinter steckt ist bekannt: die Gefangene soll, entsprechend den Isolationshaftbedingungen, denen alle politischen Gefangenen immer noch unterworfen sind, von all dem abgeschirmt werden, was für sie Anhalt von Orientierung sein könnte, sie soll das Gefühl des Ausgeliefertseins verinnerlichen.

Die Methode hat auch einen Namen: systematische, weiße Folter!

Der Prozeß gegen Birgit spiegelt etwas von dem wider, was in diesem Moment spürbar war: mit ihm soll der Sack über die Köpfe all derer gestülpt werden, für die die militanten Kämpfe in den achtziger Jahren Anhaltspunkte geben können für die Auseinandersetzung innerhalb der radikalen Linken in Deutschland über die Neubestimmung eines revolutionären Projekts.

Der Prozeß selbst hat als Inhalt den von den westeuropäischen Guerilla- und militanten Widerstandsgruppen dem imperialistischen System erklärten revolutionären Krieg in seiner ganzen Dimension im Laufe der achtziger Jahre. Angesichts der Niederlage der Linken eine scheinbar erdrückende Last, sich damit verantwortlich auseinanderzusetzen. Alleine konnte bisher kein Zusammenhang, keine Gruppe dieser Verantwortung gerecht werden.

Erwartungen sind auch daran geknüpft, welche Antworten Birgit, die zehn Jahre lang in der RAF gekämpft hat, im Zusammenhang mit dieser Phase revolutionären Kampfs in der BRD geben kann. Die Ausgangsbedingungen angesichts der Defensive, Zersplitterung und Zersetzung, in der sich die Reste der revolutionären und linksradikalen Bewegung immer noch bewegen, machen es ihr nicht einfach, sich dieser Verantwortung zu stellen.

Dies kennzeichnet den gesamten bisherigen Prozeßverlauf, in dem sich ein individualisiertes politisches Herangehen kultiviert.

Das Diktat über den Prozeßverlauf haben Bundesanwaltschaft und der 5. Strafsenat eindeutig in der Hand. Dem alleine juristisch beikommen zu wollen, heißt sich in die Falle der eigenen Entpolitisierung zu begeben. So oder so verläuft die Konfrontationslinie politisch, manövrieren der Senat und die Bundesanwaltschaft damit, die Delegitimierung revolutionärer Intervention zum Inhalt des Verfahrens zu machen.

Wie sieht das aus? Schon eine Woche vorher, am 28. März, inszenierten die BAW und der Senat den Prozeß als Reality-TV: Zwei Stunden war ausschließlich - im Zusammenhang mit der Air-Base-Aktion - die Rede von zerstörten menschlichen Körpern, abgerissenen Gliedmaßen, aufgerissener Bauchdecke usw. Offensichtlich geht es der politischen Justiz am wenigsten um die für ihre Prozeßführung notwendigen "polizeilichen und juristischen Tatsachen". Um so mehr um Stimmungsmache. Die Atmosphäre im Gerichtssaal wird bewußt emotionalisiert und sorum die politisch-militärische Aktion der Guerilla als sinnloses Blutbad entpolitisiert.

Inwieweit sich die restlichen Prozeßbeteiligten dafür benutzbar machen lassen, müssen sich sowohl Birgit, ihre AnwältInnen als auch die Prozeßbesucher selbst fragen und fragen lassen.

 

Am 2. März 1995 hat sich Birgit mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit gewandt, in der sie die Absicht der Bundesanwaltschaft, die Erschießung des GIs Pimental im Jahre 1985 durch die RAF zum Prozeßgegenstand zu machen als einen Versuch bewertet, die Politik der RAF seit Anfang 1992 zu denunzieren und damit die radikale Linke zur Neuauflage von alten Grabenkämpfen zu bringen. Diese Einschätzung ist schon alleine darüber zu widerlegen, daß bereits Ende 1993 Eva Haule, als eine der Gefangenen aus der RAF, die noch nicht mit lebenslanger Haftstrafe verurteilt war, eben aus Anlaß des Versuchs der Auseinandersetzung mit der Erschießung Pimentals erneut der Prozeß gemacht wurde. Mit dem alleinigen materiellen Ziel, "lebenslänglich" gegen sie zu verhängen. Dieser Prozeß hat weder dazu geführt, daá sich die radikale Linke zum Einschnitt der RAF im April 1992 neu ins Verhältnis gesetzt hätte noch an Auseinandersetzungen angeknüpft worden wäre, die 1985 zwar einige Wellen hochschlagen ließen, jedoch nie zu einer wirklichen Klärung von Fragen für die Weiterentwicklung eines revolutionären Projekts beigetragen haben. Der Prozeß gegen Eva Haule war für den überwiegenden Teil der Reste der linksradikalen Bewegung schlichtweg ohne weitergehende politische Bedeutung, obwohl sich auch mit ihm die beabsichtigte Abrechnung mit revolutionärer Politik in den achtziger Jahren und endgültige Einbetonierung der politischen Gefangenen manifestierte.

An diesem Punkt ein - sicher verkürzter, aber notwendiger - Blick zurück: Der Angriff auf die US-Air-Base, und damit zusammenhängend die Erschießung des GI's Pimental, war keine isolierte Aktion, die für sich allein betrachtet und politisch bewertet werden kann, sondern integriert in die Entwicklung der Antiimperialistischen Front in Westeuropa und dem damit verbundenen Aufbau einer revolutionären Gegenmacht im Herzen der Metropole.

Getrieben aus dem Zwang, die fundamentale Krise des imperialistischen Systems in einer ganzen Phase von kaltem und heißem Krieg zu lösen, holten die westlichen Staaten zur Gegenoffensive aus. Wenn sie sich in vielem auch uneins waren, darin waren sie sich einig: Die Befreiungsbewegungen des Südens sollten zerschlagen, vom Imperialismus unabhängige Wege fortschrittlicher Länder zertreten, die Sowjetunion und die Länder des Warschauer Vertrages - auf deren Kollaps man spekulierte - totgerüstet werden. In den Zentren ihrer Macht stellten sie dafür die Weichen: Durch politisch-militärisch-ökonomische Umstrukturierung und einer Strategie der präventiven Konterrevolution mit der Konsequenz einer militarisierten Gesellschaft. Als Beispiele seien genannt: Raketenstationierung, Reagens "Krieg der Sterne" SDI, Hochtechnologie, flexible Automatisierung und Massenentlassungen, Aufrüstung und Ausbau der Polizei und der Geheimdienste...

Die greifbare Möglichkeit zur Befreiung und der Gestaltung menschenwürdiger Lebensbedingungen, die Kämpfe um politische und soziale Emanzipation, wie sie für die unterdrückten und ausgebeuteten Massen verbunden waren und sind mit dem Sieg des vietnamesischen Befreiungskampfes, mit Kuba, mit dem ehemals revolutionären Nicaragua sollte für lange Zeit zerstört werden.

Es war eine Zeit, in der für die revolutionären Kräfte auch in Westeuropa wenig Zeit war: "Wir waren uns bewußt, was in dieser Schlacht wirklich auf dem Spiel stand, wir alle, die wir in Italien, in Deutschland und anderswo neue Wege gesucht, ausprobiert und umgesetzt haben, um auf die fundamentalen Veränderungen, die im Gang waren, und auf das wahre Niveau der Konfrontation dieser Epoche zu reagieren." (Kampfkomitee der Gefangenen aus Action Directe, 1993).

Soweit zu den historischen Ausgangsbedingungen, ohne die nichts zu begreifen und eine politische Kritik dieser Kampfphase gar nicht zu leisten ist. Sicher gab es Fehler, vermeidbare wie auch unvermeidbare. Fehler aufgrund persönlicher Unerfahrenheit, genauso wie es praktisch-organisatorische Schwächen und auch eine fehlerhafte und bisweilen oberflächliche Analyse politisch-sozialer Ausgangsbedingungen und der internatio-nalen Kräfteverhältnisse gab. Das wiederum stand in wechselseitiger Beziehung dazu, daß der Blick der Kämpfenden fast ausschließlich auf die Strategie des imperialistischen Roll-Backs fixiert war und weitergehende politische Vorstellungen und gemeinsam bestimmte gesellschaftspolitische Ziele nur unterbelichtet vorhanden waren.

 

Birgit sagte in ihrer Prozeßerklärung: "...meiner Mei-nung nach reicht es aber nicht aus, die Erschießung Pi-mentals einfach bloß als schlimme Fehlentscheidung zu bezeichnen, ohne zugleich eine Antwort auf die Frage zu suchen, wie es dazu kommen konnte, daß Menschen, die mit der Vorstellung aufgestanden waren, für eine bessere Welt zu kämpfen, sich soweit von ihren eigenen Idealen entfernen konnten...".

Mit der Behauptung, daß mit der Erschießung des GIs Edward Pimental 1985 die RAF "eine der schlimmsten Fehlentscheidungen" ihrer Geschichte begangen hat, hat sich Birgit sehr viel Beifall von verschiedenen Seiten ge-fallen lassen müssen. Sie hat daran anknüpfend einen moralischen Anspruch für die Legitimität revolutionärer Intervention angedeutet und abzustecken versucht, der Tür und Tor öffnet für die Psychologisierung der politischen Praxis revolutionärer Gruppen. Angesichts der tatsächlichen politischen Konfrontation, die mit diesem Prozeß von Staats wegen geführt wird, der sich immer noch im Krieg mit der RAF wähnt und daraus auch in Bad Kleinen keinen Hehl gemacht hat, hat sich Birgit auf einen Pfad begeben, auf dem sie selbst zum Objekt dieser Kriegsführung wird.

Keiner hat die Erwartung, daß in Bezug auf die kritische Auseinandersetzung mit der Erschießung Pimentals Birgit die Position des Genossens aus den USA einnehmen könnte, der als Mexicano zum Schluß kommt, daß Pimental einfach auf der falschen Seite der Barrikade ge-kämpft hat. Diese Klarheit kann und darf der Genosse haben, für die radikale und revolutionäre Linke hier kann sie jedoch nicht alles gewesen sein. Aber sie muß Bestandteil der Auseinandersetzung darüber sein, daß die Dimension des revolutionären Kriegs international die achtziger Jahre bestimmt hat und auch wieder in die imperialistischen Zentren zurückkehren wird, auch wenn es momentan kaum Anhaltspunkte dafür gibt.

Jede Ignoranz gegenüber dieser Dimension, egal ob in die Geschichte zurückblickend oder die aktuelle Situati-on bewertend, verwandelt die Subjekte des revolutionären Prozesses in Spielfiguren der Herrschenden.

Bei aller notwendigen politischen Kritik im Zusammenhang mit der Entwicklung der antiimperialistischen Front von Guerilla und militantem Widerstand in den achtziger Jahren kann der Schluß nicht dahin gehen, daß alle gemachten Erfahrungen, gerade auch die gemachten Fehler, so zur Disposition stehen, daß sie je nach Befindlichkeit und persönlichem Kalkül den Herrschenden zum Fraß vorgeworfen werden.

 

"Die Air Base in ihrer Funktion als Drehscheibe des imperialistischen Krieges und Geheimdienstzentrum steht unmittelbar in der Konfrontation zwischen internationalem Befreiungskampf und Imperialismus - die Krieg ist - und damit alle Soldaten, die dort sind."

(aus der 2. Erklärung der RAF vom 25. 8. 85 zur Aktion gegen die Air Base und zur Erschießung des GI's Pi-mental)

Am 8. August 1985 detonierte auf dem Gelände der US Air Base in Frankfurt eine Autobombe; zwei US Mili-tärangehörige kamen bei diesem Angriff ums Leben, Gebäudeteile des Headquarters der Air Base wurden zerstört. Ein Kommando George Jackson der Guerillagruppen Action Directe und RAF erklärte zu dem Angriff u.a.:

"Die Strategen des imperialistischen Krieges in Washington, Brüssel, Bonn, Paris...werden von hier aus nicht länger vom gesicherten Einsatz ihrer Militärmaschine und der ruhigen Planbarkeit ihres Krieges ausgehen".

Die US Air Base in Frankfurt war und ist eine der größten Drehscheiben für den Krieg der westlichen Industrieländer gegen die sogenannte Dritte Welt. In den achtziger Jahren konzentrierte sich die Strategie des im-perialistischen roll backs gegen die international um Befreiung kämpfenden Völker u.a. auf die verstärkte militärische Intervention im Nahen und Mittleren Osten.

Der Militärputsch in Ankara im Herbst 1980 war begleitet von einem Manöver der NATO in der Türkei; 1980 versuchten Spezialtruppen der US Delta Forces eine Landung im Iran, um völkerrechtswidrig, dort gefan-gengenommene US-Bürger militärisch zu befreien; die Massaker an palästinensischen Flüchtlingen in Lagern im Libanon durch die israelische Armee und libanesische Falangisten 1982 wurden unter dem Schutz von US-Fregatten vor der Küste Libanons durchgeführt; mit dem sogenannten Camp David Abkommen zwischen Ägypten und Israel verstärkten die USA ihre Truppenpräsenz im Nahen Osten durch ständige gemeinsame Manöver mit der ägyptischen Armee.

Von Frankfurt aus wurde der Truppentransport und der Transport militärischen Geräts abgewickelt. Überhaupt lief und läuft der Großteil an Nachschub und Versorgung aller in Westeuropa, im Mittleren und Nahen Osten und in Afrika stationierten US-Truppen über die Air Base. So stand die Air Base auch während des 2. Golfkriegs 1991 im Zentrum der Planungen für den Blitzkrieg gegen den Irak, bei dem in wenigen Tagen über 100000 Menschen getötet wurden.

Die Air Base trägt auch den Namen "Gate Way To Europe". Sie war schon immer als militärisches Einfallstor für den imperialistischen Krieg gegen die ehemaligen Staaten des Warschauer Vertrages gedacht gewesen. So wurden auch die ersten Cruise missiles über die Air Base in die BRD eingeflogen.

Als Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre die Planung des Baus einer neuen Startbahn für den zivilen Teil des Frankfurter Flughafens bekannt wurde und sich dagegen breiter Widerstand organisierte, wurde schon bald der Zusammenhang zwischen militärstrategischen Planungen der Imperialisten und dem Bau der Startbahn West hergestellt. Das Kommando George Jackson hat damals in seiner Erklärung auch Bezug auf den Widerstand gegen dieses Projekt genommen.

Durch die Erschießung des GI's Pimentals und die daraufhin folgenden Auseinandersetzungen in großen Teilen der revolutionären Linken über die Legitimität dieser Aktion geriet einiges von der anvisierten Zielbestimmung der gesamten Aktion in den Hintergrund. Die RAF hatte den GI erschossen, um mit Hilfe seiner ID-Card in die US Air Base eingelassen zu werden.

 

Gruppe basis

Saarbrücken, April 1995


 

Zuschrift:

 

Lesehinweise

 

Wir hoffen auf jene, "die bei aller notwendigen Kritik an Stasi und RAF das ebenso deprimierende wie historisch bewiesene Axiom verteidigen, daß der Kampf um eine bessere Gesellschaft eines bewaffneten Elements bedarf"

(Junge Welt 10.05.1995)

 

Die Verteidigung dieses Axioms besteht zunächst in der Fundierung und Herausarbeitung einer politischen und gesellschaftlichen Erkenntnis; weniger im schnellen Bejubeln jedweder Regelverletzung oder in der Reaktivierung von Bruchstücken aus der politischen Argumentation der RAF.

Das Bergen der Erkenntnisse aus dem Kampf der RAF muß auf ihre Einbettung und Verbindung mit dem analytischen Instrumentarium des revolutionären und sozialistischen Lagers hinauslaufen.

Georg Fülberths Untersuchung zur Nachkriegs KPD und zur DKP verfolgt die Frage, warum die Politik der Organisationen sich beinahe gesetzmäßig von den objektiven und subjektiven Bruchlinien der Gesellschaft wegbewegt hat.

Diese Frage könnte auch gegenüber der RAF aufgeworfen werden. Ergänzt um die Untersuchungsebene der notwendig minoritären Rolle revolutionärer Politik in der kapitalistischen Metropole. Die soziale und politische Substanz der Ressonanz-Gruppen und - Bereiche der RAF-Politik sollte auch mithilfe analytischer Entzauberung der Bezugnahme auf sie erschlossen werden. Hilfreich könnte dabei das Buch "Bewegungslehre" sein (Agentur BILWET: Bewegungslehre. Botschaften aus einer autonomen Welt. Berlin / Amsterdam - Edition ID-Archiv - 1991).

 

Die gegenkulturellen Stichworte, die in den Texten der Raf aus dem Jahr 1992 und gelegentlich in Birgit Hogefelds Prozeß-Erklärungen anklingen, sind kategorial noch nicht ausreichend u nd zu sehr dem Kultur- und Lebensgefühl der jugendkulturell geprägten Bewegungen der letzten 25 Jahre verhaftet.

 

Indem Positionen und Orientierungen der Raf mit einer Begrifflichkeit untersucht werden, die vor und nach diesem strategischen Ansatz bewaffneten Widerstands in Westeuropa Relevanz haben, werden auch Raf-spezifische Setzungen bewertungsmäßiger und strategischer Art entideologisiert (nämlich ihres Glaubenscharakters beraubt) und politisiert: nämlich in ihre Elemente zerlegt und damit für ihre Aufgreifbarkeit und Weiterführbarkeit vorbereitet.

Die Einsicht, die auch eine deprimierende ist, daß der Kampf um eine bessere Gesellschaft eines bewaffneten Elements bedarf, wird neu formulierbar.

 

Zu dieser Kategorienbereinigung können viele Schritte und Texte beitagen: Z.B.Merleau-Ponty: Humanismus und Terror, der in einer historisch-politischen Auseinandersetzung mit der Sowjetunion der 30-er und 40-er Jahre und den Moskauer Prozessen philosophische und strategische Kategorien gewinnt, die sowohl für die Annäherung an die DDR wie für die Einordnung der beaffneten Strategien der 70-er und 80-er Jahre in Westeuropa wesentliches austragen.Rosa Luxemburgs "Junius"-Broschüre: "Die Krise der Sozialdemokratie" reißt die Fragestellung der beinahe notwendig minoritären Rolle internationalistischer Politik in den kapitalistischen Zentren in weittragender Klarsicht an.

 

Beiträge und Anstrengungen, die zu einem historisch-politischen Denken befähigen und von daher auch eine Annäherung an die Geschichte und Politik der Raf ermöglichen, sind das Gebot der Stunde.

 

Wo im Zerfallsprozeß der an die Raf angelehnten politischen Rahmen Erkenntnis- und Bewertungssplitter aus dem bisherigen Orientierungssystem zum Besen werden, auf dem man / frau mit oder gegen Birgit Hogefeld reitet., kehren nur das objektiv Sektiererische der Raf-Ideologie und Raf-Politik wieder und das Unvermögen, abweichende Positionen auf das gesellschaftliche Substrat abzuklopfen, das in sie eingegangen ist.

Sekten zeichnen sich nach einer Bemerkung von G. Lukacs dadurch aus, daß sie versuchten, den Reichtum der Gattung in sich zu verkörpern, obgleich ihnen die Kapazität dazu abgehe. Was heißt: Der Handwerkskasten der wenigen festliegenden Antworten, die oft schnell erlernbar scheinen, ist dem Gegenstand der historischen und gesellschaftlichen Prozesse nicht ausreichend angemessen. In dem vertretenen Weltbild fehlen der Reichtum der Geschichte des Menschen: seiner Denk-. Leidens- und Befreiungsgeschichte und das Ausschreiten der Widersprüchlichkeit gesellschaftlicher Prozesse.

Es geht nicht um Kontemplation. Sie will nicht, daß "die Politik etwas Gefährliches oder auch nur Ernsthaftes sei. Was man letztlich verteidigt, ist die Unverantwortlichkeit des politischen Menschen."

"Wer offensive Perspektiven aufzeichnet, kann immer Provokateur gescholten werden; wer Rückzugsperspektiven aufzeichnet, kann immer Konterrevolutionär gescholten werden ..." (Merleau-Ponty).

 

M.L.

 

Der Anstoß zur Zuschrift:

 

Junge Welt: 10.05.95:

 

Stasi: Viel geRAFft

 

Der Prozeß gegen MfS-General Neiber und fünf seiner Kollegen soll in Kürze beginnen. Die Berliner Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, nach 1980 zehn RAF-Mitglieder in der DDR aufgenommen, ihnen neue Papiere, Arbeit und Wohnung besorgt zu haben. Der ursprüngliche Plan der Anti-Terroristen, Neiber & Co. dafür Beihilfe zum Mord anhängen zu können, ist nicht aufgegangen; nun bleibt als Delikt Strafvereitelung übrig.

Eigentlich müßte Neiber von Bundespräsident Herzog einen Verdienstorden erhalten, denn er hat dazu beigetragen, aus erbitterten Staatsfeinden angepaßte Bürger zu machen. Doch es geht offensichtlich nicht um die Unterordnung des gesellschaftlichen Antagonismus unter das staatliche Gewaltmonopol, wie es in bürgerlich-demokratischen Republiken üblich ist, sondern um die Liquidierung dieses Antagonismus: ein Element totalitärer Herrschaft. Deswegen gibt sich der starke Staat nicht mit der Auflösung der RAF zufrieden, wie sie nach 1980 Neiber mit seinen Mitteln betrieben und nach 1990 die RAF selbst angeboten hat. Er will Rache und exemplarische Abstrafung: Die in die DDR Geflüchteten wurden gleich nach der Wiedervereinigung doch noch eingesperrt, selbst wenn sie zuvor andere denunziert hatten. Und nun sind diejenigen dran, die ihnen Asyl gewährten.

Aber bitte kein Lamento. Das Einklagen der bürgerlichen Rechte sollen jene betreiben, die sich wie Antje Vollmer mit der Vorstellung besoffen gemacht haben, Deutschland sei nach 1968 >>zivilisiert<< worden. Der Clou wird nur sein: Ausgerechnet jetzt, wo es drauf ankäme, werden sie ihr Fähnlein von der notwendigen Zivilität einrollen und gemeinsam mit der Reaktion reißmüllern: Kreuziget sie!

Für eine nüchterne Solidaritätsarbeit mit den Angeklagten bietet der Prozeß dennoch gute Möglichkeiten: Drängelten sich bei den Verfahren gegen Honecker oder Mielke oft Stalinisten und selbsternannte Spartakisten in den Vordergrund und verbreiteten eine muffige Atmosphäre, könnten sich dieses Mal auch standhafte Linksliberale in der Tradition von Heinrich Böll gerufen fühlen. Er, der der Springer-Presse einst ein >> Freies Geleit fur Ulrike Meinhof<< entgegenschleuderte, würde sich heute wohl für die MfS-Genossen, die eben dieses freie Geleit gewährt haben, stark machen. Vor allem aber darf auf das Zusammenstehen der besten Linken aus 0st und West gehofft werden: jener, die bei aller notwendigen Kritik an Stasi und RAF das ebenso deprimierende wie historisch bewiesene Axiom verteidigen, daß der Kampf um eine bessere Gesellschaft eines bewaffneten Elements bedarf.

 

Dieter Fleiner

 


 

Technics und Hinweise

 

Das Prozeßinfo wird in Wiesbaden gemacht. Beiträge möglichst als Diskette auf Word for Windows 06 (oder 02). Adresse: InfoAG zum Prozeß gegen B. Hogefeld, Werderstr. 8, 65195 Wiesbaden

Telefon nur: freitags 18- 20 Uhr: 0611 / 44 06 64

Da manchmal Prozeßtermine ausfallen, ist es vor allem für Leute mit weiter Anreise sinnvoll, kurz vorher bei der InfoAG anzurufen.

Vertrieb:

Die Nr. 5 wird verbreitet über:

* Schleswig-Holstein: Rote Hilfe, Postfach 644, 24125 Kiel, Tel. / Fax: 0431 75141

* Hamburg"Über den Tag hinaus" c/o: Schwarzmarkt, Kleiner Schäferkamp 46, 20357 Hamburg

* Berlin / Ex-DDR: Prozeßbüro Birgit Hogefeld, Dieffenbachstr. 33, 10967 Berlin, Fax: 030 / 649354

* NRW I: Infoladen c/o CILA, Braunschweiger Str. 23, 44145 Dortmund

* NRW II (Rheinland / südliches Ruhrgebiet): Autonome Gruppe Rheinbach c/o:

Cafe Störtebecker, Victoriastr. 2, 53879 Euskirchen

* Stuttgart: Infobüro für politische Gefangene, Mörickestr. 69, 70199 Stuttgart

* Saarland: basis, Alte Feuerwache, Am Landwehrplatz 2, 66111 Saarbrücken, Tel.: 0681 / 399990 FAX: 0681 / 34145

* Bayern: Infobüro c/o: Bücherkiste, Schlehenstr. 6, 90402 Nürnberg

n Weitere regionale VerteilerInnen werden gesucht, um hier in der Liste als Verteilstelle aufge führt zu werden.

n InteressentInnen für die Zusendung von Einzelexemplaren wenden sich an eine dieser Adres sen in ihrer Nähe, nicht nach Wiesbaden (Geld jeweils beifügen !)

Birgits Postadresse:

Birgit Hogefeld c/o OLG Frankfurt, 5. Strafsenat, Postfach. 60256 Frankfurt

Veranstaltungen zum Prozeß:

26.05.95: Dortmund

21.06.95: Heidelberg: 20 Uhr: Marstallhof / Marstallsaal Altstadt (Bad Kleinen & Prozeß)

wahrscheinlich Anfang Juli: Trier

Entschuldigungen:

Ein nicht gezeichneter - auch ohne Ortsstichwort eingegangener - Beitrag -: "Mythos odr kritische Solidarität - der Fall Birgit Hogefeld" erreichte uns während der Fertigstellung von Info 4. Er fehlt auch diesmal: Die Zusendung war als Druckvorlage nicht verwendbar mangels Qualität. Das Einskannern, zu dem wir ausnahmsweise Gelegenheit hatten, scheiterte dann heute am Fertigstellungstag ebenso an der mangelnden Typendeutlichkeit. Jetzt können wir es selber nicht mehr abschreiben.

Fotos aus Berlin zum Preungesheimer Knast in Frankfurt veröffentlichen wir das nächste Mal.

Viel Post und Einzelbestellungen, die wir nicht ausführen können, sind unbeantwortet geblieben.

Spendenkonto:

zu Verfahren Birgit Hogefeld und Todfesermittlungsverfahren z.N. Wolfgang Grams:

Sonderkonto V. Luley, "Bad Kleinen", Postbank Frankfurt, BLZ: 50010060, Kto-Nr.: 16072-603

für Birgits persönlichen Bedarf: Sonderkonto Birgit Hogefeld:

R. Limbach, Ökobank, BLZ: 50090100, Kto-Nr.: 250228

 

Das nächste reguläre Info erscheint im Juli 1995: Wir warten auf Diskussionsbeiträge ! Sollte Birgit Hogefeld eine grundsätzlichere Prozeßerklärung abgeben, werden wir eine Ausgabe dazwischen schieben, die ihrer Verbreitung dient.

 

Foto von der Demo gegen das UN-Treffen-Gipfeltreffen über Sozialpolitik, in Kopenhagen am 10. März 1995. Es nahmen ungefährt 3.000 Leute aus dem linken Spektrum teil. Darunter um die 200 - 300 aus dem autonomen Spektrum.

Der Transparent-Text lautete:

 

Freedom for: Mumia Abu-Jamal (USA), Birgit Hogefeld (D), Marc Rudin (DK) and all other politcal prisoners !

Aufruhr - Widerstand, kein ruhiges Hinterland ! Autonomi-Kollektiv


Verfassungsschutz-Aktivität

Der äußere im April 1995 in Berlin abgestempelte Umschlag war an die InfoAG in Wiesbaden adressiert. Der einliegende zweite an eine frühere Bekannte von Klaus Steinmetz, dem Bad Kleinen-Spitzel, der aus Wiesbaden stammte. Die Weiterleitungsbitte war auf einen mit Susanne unterzeichneten Papierstreifen geschrieben; dieser Bitte wurde entsprochen.

Der Inhalt des zweiten Umschlags entpuppte sich als Schreiben von K.S. bzw. seiner Kollegen an die Empfängerin. Es hatte die selbe Bauart wie jene Schreiben, mit denen der VS über K.S. nach Bad Kleinen Gruppen und Einzelpersonen aus seinem früheren Betätigungsfeld zu steuern suchte.

Zwar hat der Brief Elemente des Versuchs, gegenüber der Empfängerin an einer früheren persönlichen Beziehung anzuknüpfen; insgesamt ist er jedoch auf Veröffentlichung und Weiterverbreitung angelegt; auch das Lob, das der InfoAG gespendet wird, kann nur die Funktion haben, die Spaltungswirkung, die dem bösen Wort von der "Steinmetzchen Einheit" zukam, zu vertiefen.

 

Die InfoAG erklärt:

 

1.

Beim Erhalt doppelter Umschläge werden wir in Zukunft beide öffnen. Es sei denn, eine derartige Übermittlungsweise an Dritte ist vorher abgesprochen.

 

2.

Der Brief ist mit einer distanzierenden Stellungnahme der Empfängerin im Adressenverteiler der Infoläden verbreitet worden. Daß er dann - wie geschehen - bei der Presse landete (bisher: Junge Welt: 06.05.1995), war nur logisch.

Wir halten die Veröffentlicheung für falsch; es gibt keinen Grund, den vom VS beabsichtigten Wirkungen von Bewertungen, die K.S. in den Mund gelegt werden, auf die Beine zu helfen.

Wir hätten es vorgezogen, den Brief an den VS Rheinland-Pfalz mit der Bemerkung "Annahme verweigert" zurückzuschicken. Daß dem mangels Absenderkennung eine Öffnung vorausgegangen wäre, ist kein Widerspruch.

 

3.

Es gibt keinen Grund, sich mit dem Inhalt auseinanderzusetzen oder den Brief als "Dokument" in Umlauf zu bringen und für die "Analyse", Kaffeesatzleserei oder den pornografischen Blick auf alles,was mit Geheimdiensten zu tun hat, bereitzustellen.

 

Die linke Diskussion braucht wahrlich andere Materialien.

 

4.

Die Wahl der Adresse betrachtet die InfoAG als Angriff des VS auf ihre Arbeit, den sie jedoch unirritiert ignorieren kann.

___________________________________________________________________

 

Aus: Stadtratte Nr. 26, München:

Nächste Prozeßtermine

 

Dienstag 30. Mai 1995

Donnerstag 08. Juni 1995

Dienstag 13. Juni 1995

Donnerstag 22. Juni 1995 Beginn erst 13.30 Uhr !

Donnerstag 29. Juni 1995 Beginn erst 13.30 Uhr !

Donnerstag 06. Juli 1995

Donnerstag 13. Juil 1995

Freitag 21. Juli 1995

Montag 21. Aug. 1995

 

Gerichtskomplex Frankfurt / Eingang Hammelgasse (ebenerdig) / Nähe S- Bahnstation Konstabler-Wache - Beginn: jeweils 9.30 Uhr