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Info zum Prozeß gegen Birgit Hogefeld

Nr. 10

Mitte Februar 1996

 


Prozeßbericht Januar / Mitte Februar 1996

 

Am 23.1.96 ergriff zuerst Birgit das Wort.

 

Es gab keine "Schußabrede

Birgit ging zuerst auf die Behauptung der Bundesanwaltschaft ein, daß es in der RAF angeblich eine Absprache dazu gegeben hätte, sich "den Fluchtweg erforderlichenfalls durch Tötung von Polizeibeamten freizuschießen". Auf dieser Behauptung basiert die Mordanklage wegen Bad Kleinen gegen sie, da sie bekanntlich zum Zeitpunkt des Beginns der Schießerei in Bad Kleinen schon überwältigt und gefesselt am Boden lag. Eine solche Absprache hat es nicht gegeben.

Darüberhinaus erklärte die RAF 1992, warum sie den bewaffneten Kampf in der bisherigen Form nicht weiterführen. In dieser Deeskalationserklärrung hieß es: "Wir haben uns entschieden, daß wir von uns aus die Eskalation zurücknehmen. D.h., wir werden Angriffe auf führende Repräsentanten aus Wirtschaft und Staat für den jetzt notwendigen Prozeß einstellen."

Diese eindeutige Aussage, daß dieser Kampf nicht weitere Menschenleben fordern soll, war unbedingter Konsens in der gesamten Gruppe. Diese Haltung kam in der Weiterstadt-Aktion, bei der mehrere RAF-Mitglieder stundenlang ausschließlich damit beschäftigt waren, 10 oder 11 Wachleute und Justizangestellte in Sicherheit zu bringen, praktisch zum Ausdruck. Wenn von einer Absprache überhaupt die Rede sein kann, dann von der, daß oberstes Ziel war, das eigene und anderer Leben nicht zu gefährden.

Auch die Behauptung, Wolfgang Grams habe den Schußwechsel in Bad Kleinen eröffnet und er habe den GSG9-Mann erschossen, ist bis heute nicht bewiesen.

 

Kronzeugen-Angebot

Im weiteren schilderte Birgit, daß in der Nacht nach ihrer Festnahme ein Bundesanwalt zu ihr kam und ihr mitteilte, daß Wolfgang gestorben sei und dann sinngemäß äußerte, daß es für sie keine Lebensperspektive in Freiheit mehr gäbe, wenn sie nicht mit ihnen zusammenarbeite.

Birgit lehnte jegliche Zusammenarbeit ab.

Im November 1993 beantragte die BAW die Erweiterung des Haftbefehls wegen Mord und Mordversuch in Bad Kleinen und wegen Weiterstadt. Kurze Zeit darauf trat der Verfassungsschutz über einen Mittelsmann an Birgits Verteidigung heran. Ihr wurde das Angebot unterbreitet, daß, wenn sie Aussagen mache, die zur Verhaftung von RAF-Mitgliedern führen

1. der Mordvorwurf wegen Bad Kleinen fallengelassen würde und

2. sie die Zusicherung erhielte, daß in diesem Fall bei Verhaftungen niemand mehr erschossen werden würde.

Nachdem Birgit weiterhin jegliche Zusammenarbeit ablehnte, tauchte in der Anklageschrift plötzlich auch die Beteiligung an der Aktion gegen die US-Airbase in Frankfurt 1985 und die Erschießung des US-Soldaten Pimental auf.

Erst nachdem Birgit verhaftet war, begann die BAW, wegen Airbase auf ihre Person hin zu ermitteln.

"Sie ermitteln immer nach der Person, die sie gerne als Täter haben wollen", sagte Birgit. Um das Problem zu lösen, daß sie jahrelang nach einem völlig anderen Frauentyp gefahndet haben und daß sowohl die Autoverkäufer als auch die Soldaten, die mit Pimental in der Diskothek waren, nie bei der Vorlage von Fotos Ähnlichkeiten mit Birgit zu der gesuchten Frau festgestellt hatten, wurde ein Videofilm produziert, in dem alle aufgenommen Frauen außer Birgit sich erheblich von der von den Zeugen 1985 als dunkel- und kurzhaarig und schlank beschriebenen Frau unterschieden. Von den 4 Vergleichspersonen haben drei hellblonde lange Haare, lediglich eine trägt einen rötlich-braunen Kurzhaarschnitt. Alle vier sind ziemlich kräftig.

Dementsprechend stellten mehrere Zeugen Ähnlichkeiten zu der anderen dunkelhaarigen Frau und zu Birgit fest. Ausgerechnet der Zeuge aber, der 1985 in seiner Vernehmung gesagt hatte, er könne die Frau nicht genauer beschreiben, da er in der Diskothek seine Brille nicht dabei hatte und kurzsichtig sei, glaubte auf dem Videofilm Birgit wiederzuerkennen.

Das Problem, daß Birgit in dem BKA-Schriftgutachten von 1985 bezüglich der Autokäufe ganz unten in der Wahrscheinlichkeitsskala eingeordnet war, wurde durch die Anfertigung neuer , auf sie bezogener, Schriftgutachten gelöst.

 

Zeugen: Kurzsichtigkeit erwünscht

Die ZeugInnen-Befragungen, wie sie seit Prozeßbeginn im Nov. 94 abliefen, beschrieb Birgit weiter, machen diese Arbeitsweise ebenfalls deutlich.

Das Gericht fragt ausschließlich die Punkte aus früheren Vernehmungen ab, die Birgit belasten könnten. Hat also einer einmal was "passendes" zur Größe oder zur Augenfarbe gesagt, wird dieser Punkt abgehakt - Ungereimtheiten bleiben unerheblich. Wenn z. B. ein Zeuge die "richtige" Körpergröße nennt, aber etwa zur Augenfarbe "unpassende" Angaben gemacht hatte, wird eben die Augenfarbe vom Gericht nicht thematisiert oder, falls es die Verteidigung tut, fragt das Gericht den Zeugen solange, bis er sich gar nicht mehr festlegen will.

Birgit beschrieb dies anhand des Umgangs mit der Kurzsichtigkeit des Hauptbelastungszeugen durch das Gericht: Nachdem die Verteidigung auf diesen Punkt aufmerksam gemacht hatte, wurden in den nachfolgenden Vernehmungen den Soldaten durch das Gericht auch Fragen in die Richtung gestellt, ob sie nach fast 10 Jahren nicht auch vermuten würden, daß dieser Zeuge doch nicht ganz so kurzsichtig gewesen sein könnte.

An der Autoanmietung 1988, Anklagepunkt Tietmeyer, ist dies auch sehr anschaulich: Die Autovermieterin hatte mit absoluter Sicherheit eine andere Frau auf dem Fahndungsplakat ausgedeutet - übrigens eine helläugige, blonde Frau.

Nach Bad Kleinen hatte diese Zeugin in ihrer Lokalzeitung ein Foto von Birgit gesehen, unter dem stand, daß Birgit Hogefeld die Autoanmieterin war. Bei einer verdeckten Gegenüberstellung, wo sich Birgit die Hand vors Gesicht hielt, brachte die Zeugin ein neues Merkmal ins Spiel, an dem sie Birgit trotzdem wiedererkannt haben will, nämlich O-Beine.

 

Stammheimer Tradition

Nach diesen Beispielen aus über einem Jahr Hauptverhandlung, die sich fortsetzen ließen, ging Birgit auf ihre eigene Einstellung zu diesem Prozeß ein.

Aus der Inszenierung von 70er Jahre/Stammheim - Ritualen wollten Birgit und ihre Verteidigung sich ausklinken. Sie taten alles, um zu dokumentieren, daß sie diesen Part nicht übernehmen, z. B. nur ganz wenige Befangenheitsanträge, und dies keineswegs, weil weitere unbegründet gewesen wären.

Auch im Prozeß nicht nach eingefahrenen Mustern zu reagieren, begründete Birgit aus den vielen Diskussionen der letzten Jahre und aus ihren eigenen Reflexion über die RAF-Geschichte. Sie wollte wissen, ob, wenn sie zum alten und eingespielten Muster nichts beiträgt, dieses trotzdem so abläuft wie schon immer seit den 70 er Jahren.

Das Gericht dokumentierte durchgängig

- sie sind nur am Zusammenschustern von Belastungsmaterial interessiert

- Akten waren oft unvollständig, das Gericht entwickelte keinerlei Interesse für die fehlenden Teile

- Gutachten - auch die widersprüchlichen Schriftgutachten - wurden ohne der Verteidigung die Möglichkeit zum Nachfragen zu geben, verlesen, Anträge zur Ladung der Gutachter/Innen zurückgewiesen

- bei Antragsbegründungen der Verteidigung verfielen regelmäßig eines oder mehrere Senatsmitglieder in demonstrative Schlafstellung

- alle Interviewanträge von Journalisten wurden abgelehnt mit der "Begründung", Birgit hätte in ihren Prozeßerklärungen den bewaffneten Kampf propagiert und würde ein Interview nutzen, um dazu aufzurufen...

"Wer meine Texte und Erklärungen kennt", sagte Birgit, "und darin einen derartigen Aufruf sieht, ist entweder unerträglich dumm oder unerträglich ignorant". Im Fall dieses OLG-Senats vermutete sie das zweite.

 

Zum Schluß ging sie noch auf die Repressionsmaßnahmen gegen das Wohnprojekt in der Fritzlarer Str., Frankfurt, und andere, ein. Hier zeigt sich, daß der Staat an weiterer Eskalation interessiert ist. Aus dem Wohnprojekt sitzen zur Zeit mehrere Leute in Beugehaft. Der Hintergrund ist, daß in der Wohnung verschlossene Motorradkoffer aus der Steinmetzschen Hinterlassenschaft sich befanden, in denen (angeblich) Sprengstoffspuren gefunden wurden. Daraus konstruieren die Ermittlungsbehörden, daß Steinmetz an der Knastsprengung in Weiterstadt beteiligt gewesen sei und den Verdacht gegen eine Frau aus dem Wohnprojekt, die sich dem Zugriff der Ermittlungsbehörden entzogen hat. In der TAZ vom 22.01.96 stellte Birgit klar, daß Steinmetz in keiner Weise in die Weiterstadt-Aktion einbezogen war. Sollte er tatsächlich irgendwelchen Sprengstoff gehabt haben, dann war der jedenfalls nicht für die RAF bestimmt.

 

Hemberger von der Bundesanwaltschaft (BAW) reagierte auf die begründeten Vorwürfe von Birgit Hogefeld mit plumper Polemik. Ihm fiel dazu nur ein, Birgit habe vor den zahlreich erschienenen PressevertreterInnen ein verfrühtes Plädoyer halten wollen.

Er, der Oberpriester der Anklage in roter Robe und mir fünf schwer bewaffneten Leibwächtern und einer Leibwächterin im Rücken, braucht natürlich auf die entlarvende Kritik von Birgit an der Logik der Prozeßführung überhaupt nicht einzugehen und braucht sie auch nicht zu fürchten, da er der "angemessenen" Verurteilung durch Schieferstein, den vorsitzenden Richter, auch ohne Beweise sicher sein kann. Zugeben mußte Hemberger den Erpressungsversuch bei Birgit seitens der BAW. Scheinheilig bot er auch jetzt Birgit in aller Öffentlichkeit die Kronzeugenregelung an. Er wollte diese allerdings nicht öffentlich konkretisieren.

Zu dem noch deutlicheren Erpressungsversuch des Verfassungsschutzes gegen Birgit wollte er angeblich nichts gewußt haben. Daß aber beide Behörden auch etwas von Pressearbeit verstehen, erhellt die zur Zeit laufende Operettennummer mit ihrem Mordsgehilfen Steinmetz.

Dann hatte der GSG-Typ Nr. 4 , ausgestopft und sein Killergesicht hinter Bart und Schminke versteckend, seinen Auftritt. Das was er von sich gab, korrespondierte mit seiner Verkleidung. Er sei um 15.15 Uhr auf dem Bahnsteig _ gewesen und habe von dort beobachtet, wie die Zielpersonen (gemeint waren Wolfgang Grams und Birgit Hogefeld) in Begleitung des Spitzels Steinmetz das Billardlokal verließen und zum Bahnsteigtunnel gingen. Er habe diese Beobachtung per Funk weitergegeben, dann sei der Funkspruch "Zugriff freigegeben" zurückgekommen. Er sei dann die Treppe zum Tunnel runtergegangen. Am Treppenabsatz seien ihm Wolfgang Grams und Steinmetz entgegengekommen. Er habe sie aber nicht festgenommen, sondern sei an ihnen vorbei auf Birgit Hogefeld zu, die an einer Fahrplanübersicht stand. Er habe ihr die Pistole an den Kopf gehalten und "Polizei, Hände hoch" gerufen und sie dann zu Boden gedrückt und sie nach einigen Minuten zusammen mit dem GSG-Typ Nr. 7 gefesselt, er sei dann als Bewacher von Birgit Hogefeld ununterbrochen dort geblieben und habe sie um 15.45 Uhr an BKA-Polizisten übergeben.

Die Aussage von Nr. 4 steht im Widerspruch zu Zeugenaussagen, die ihn an Kleidung, Tasche und auf seinem Beobachtungsposten ins Mikrophon sprechend erkannten und bezeugten, daß er auch in der Zeit von 15.15 Uhr bis 15.45 Uhr oben auf dem Bahnsteig _ war. Es war die Zeit, wo die tödlichen Schüsse fielen. Und auch GSG Nr. 6, der selber in der fraglichen Zeit auf dem Bahnsteig _ war, hatte bei seiner Vernehmung bei der Staatsanwaltschaft in Schwerin auf die Frage, ob neben ihm noch weitere Leute von seiner Gruppe in dieser Zeit auf dem Bahnsteig _ gewesen seien, geantwortet, sämtliche Personen von Nr. 1 bis Nr. 5 seien die ganze Zeit über oben gewesen. Es entspricht auch nicht der Logik einer mit hunderten von Polizisten bis ins Kleinste vorbereiteten Festnahme, daß derjenige, der einen wichtigen Beobachtungsposten hat, diesen verläßt, um die Festnahme vorzunehmen.

Es spricht also alles dafür, daß die Nr.4 die ganze Zeit auf dem Bahnsteig war, und dies hätte Birgit auch gegebenenfalls sofort feststellen können, wenn der Typ sich nicht hinter der Maske versteckt hätte.

Die Frage, warum die Einsatzleitung in Bad Kleinen die Nr.4 als festnehmenden Beamten von Birgit präparierte und präsentierte und damit vom Bahnsteig _ während der Schießerei wegzauberte, wurde nicht gestellt. Sie liegt aber auf der Hand, weil durch ihre Beantwortung möglicherweise geklärt werden kann, wer die tödlichen Schüsse abgegeben hat.

In ihrer Erklärung vor der Vernehmung von Nr.4 hatte Birgit noch darauf hingewiesen, daß an der Stelle, von wo Wolfgang Grams angeblich auf den Polizisten Newrzella geschossen haben soll, keine Patronenhülsen aus Wolfgangs Waffe gefunden wurden, sondern ausschließlich im Gleisbett.

Daß die Verteidigung sich vorsichtig an die Klärung dieses Widerspruchs herantastete, versteht sich von selbst.

Der Zeuge, sich dauernd beratend mit seinem Rechtsbeistand, die Bundesanwaltschaft und die gesamte Richterbank so wach, lauernd, wie noch nie, taten alles, daß die Beantwortung der entscheidenden Fragen verhindert wurde. Immer, wenn der Zeuge sich verhedderte und sich zu widersprechen schien, griffen sie ein mit ihren stereotypen Floskeln: "ist nicht geeignet", "gehört nicht zur Sache", "ist nicht von der Aussagegenehmigung gedeckt", "widerspricht dem Richterbeschluß von heute morgen". Dieser Gerichtsbeschluß besagt, daß Fragen, die die Glaubwürdigkeit des Zeugen in Zweifel ziehen, nicht zugelassen werden.

Da der Verteidigung klar war, daß dieser Zeuge fast in keinem einzigen Punkt die Wahrheit sagte, verlangten sie seine Vereidigung. Die ZuschauerInnen blieben wie üblich bei der Vereidigung sitzen. Schieferstein forderte überraschend den regelmäßigen Prozeßbeobachter Pfarrer Janssen auf, sich zu erheben, weil er wissen müsse, was dieser Vorgang bedeute. Als dieser das ablehnte, zeterte Schieferstein ungewöhnlich schrill, er werde davon dem Bischof in Limburg berichten.

 

 


 

Beweisanträge

 

Anfang Februar stellte die Verteidigung Beweisanträge.

 

Die manipulative "Beweisführung"

der Anklage, insbesondere die Methoden, die Zeugen zu einer "Weiterentwicklung" ihrer Aussagen bis zur Behauptung des Gegenteils zu beeinflussen, sollen untersucht werden.

Es soll nachgewiesen werden

- daß der BKA-Videofilm, der nach 1993 eine große Rolle bei den Zeugenbefragungen spielte, eine durch die Untersuchungsreihe eines Psychologischen Instituts bestätigte Suggestiv-Wirkung hat. Bei dem Film handelt es sich um Aufnahmen von Birgit, die in der JVA Bielefeld gemacht verdeckt wurden sowie vier Vergleichspersonen, die sich erkennbar unecht bewegen, da sie versuchen, Birgit zu imitieren.

- daß insbesondere die ZeugInnen Walter-Chorfi, Walter und Chorfi nach Bad Kleinen nicht mehr von ihren eigenen Erinnerungen bezüglich der Autoanmieterin von 1988 ausgingen, sondern von der Annahme, sie sollten Birgit Hogefeld ausdeuten, da dies laut eines Zeitungsberichtes mit Bild die vom BKA ermittelte Autoanmieterin sei. Widersprüche zu ihren früheren Aussagen, z. B., daß die Automieterin blaue Augen gehabt habe, erklärten sie dem Gericht damit, sie könne ja gefärbte Kontaktlinsen getragen haben.

Sie brachten aber neben den angeblichen O-Beinen nach Bad Kleinen noch weitere Merkmale ins Spiel, z. B. "eine gekrümmte Nase" und "fleischige Wülste" unter den Augen. Betrachtet mensch das Foto von Birgit, das nach Bad Kleinen durch die Medien ging, wird völlig klar, wodurch diese "Weiterentwicklung" erzeugt wurde. Das Gesicht, das auf der Aufnahme zu sehen ist, wirkt durch den Lichteinfluß so, als habe es diese Merkmale.

- Zur Beurteilung der Schriftgutachten soll ein Obergutachten erstellt werden.

- Das Fasergutachten, ein 1995er Produkt aus der BKA-Werkstatt und das einzige "Beweismittel" für Birgits Beteiligung an Weiterstadt, ist dadurch demontiert, daß es sich bei den gefundenen Fasern um die üblicherweise in der industriellen Massenproduktion verwendeten Faserzusammensetzungen handelt.

 

Der zweite wichtige Komplex in den Beweisanträgen behandelt Fragen wie die von der Anklage behaupteten "Schußabrede" unter den RAF-Mitgliedern und die ebenfalls nicht nachgewiesene Behauptung, Wolfgang Grams habe den GSG-9-Mann erschossen.

"Schußabrede" - sowohl diese Wortschöpfung als auch deren Inhalt ist ein geistiges Erzeugnis der BAW.

Demgegenüber soll nachgewiesen werden,

- daß das seit den 70er Jahren öffentlich erzeugte Bild von den "blindwütig um sich schießenden Terrroristen" zu keinem Zeitpunkt zutreffend war

- daß darüberhinaus die Erklärungen der RAF ab 1992 eine eindeutige Aussage zur Deeskalation enthalten.

Um dem offensichtlich fehlenden Sachverstand der BAW und des erkennenden Senats nachzuhelfen, soll der Politologe Prof. Narr als Sachverständiger geladen werden. Ferner sollen die Polizeibeamten, die seit Anfang der 80er Jahre an Festnahmen von RAF-Leuten beteiligt waren, bekunden, daß es nur bei einer Festnahme zum Schußwaffengebrauch kam.

Es ist nicht bewiesen, daß die Projektile, die Newrzella entnommen wurden, aus Wolfgang Grams' Waffe stammen.

Die Projektile existieren nicht mehr, da sie vom Wissenschaftlichen Dienst in Zürich zwecks Untersuchung (?) unidentifizierbar gemacht wurden. Auch lassen grobe Fehler bei der Dokumentation Fragen dahingehend zu, ob es zu Manipulationen oder Austausch der Projektile kam. Ferner herrscht bis heute keine Klarheit darüber, welche und wieviele Waffen durch die GSG 9 oder andere Polizeikräfte in Bad Kleinen eingesetzt waren.

Desweiteren deckt sich der Fundort der Geschoßhülsen aus Wolfgang Grams' Waffe und Zeugenaussagen zu seinem Standort während des Schußwechsels nicht mit dem von der BAW behaupteten Standort bei der angeblichen Erschießung Newrzellas. Auch die tatsächlichen Standorte von GSG-9-Beamten, v.a. Nr.4, sind ungeklärt. Für die Behauptung der "Schußabrede" spielt auch eine Rolle, ob Wolfgang Birgits Festnahme mitbekommen, oder, wie die BAW behauptet, nicht mitbekommen hat. Zu diesen Standortfragen sollen neben einem Fachmann der Ballistik Augenzeugen aussagen. Die Verteidigung beantragte, GSG-9-Nr.6, Nr.3, die Zeugin Denninghoff und Steinmetz als Augenzeugen zu hören. Der Zeugin Denninghoff soll außerdem der unvermummte Nr.4 gegenübergestellt werden.

Ob und welche Beweisanträge der Verteidigung das Gericht zuläßt, entscheidet sich in der 2. Februar-Hälfte. Davon hängt auch ab, wie lange der Prozeß noch gehen wird.

 


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