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Hausdurchsuchungen bundesweit


  • Subject: Hausdurchsuchungen bundesweit
  • From: ID-SCHLESWIGHOLSTEIN@BIONIC.zer.de (ID-Schleswig-Holstein)
  • Date: 13 Jun 1995 20:09:00 +0000

  • 
    
    
    Da wir es noch nicht geschafft haben eine Zusammenstellung der Ereignisse  
    fertig zu stellen (diese wird im Laufe des Vormittags erscheinen)  
    verschicken wir hier den Artikel aus der Jungen Welt vom 14.6.95
    
    
    Dokumentiert aus Junger Welt vom 14.6.95
    
    > Unter  verschiedenen  Vorwänden  durchwühlte  die Polizei linke
    > Wohnzimmer. Von Elke Spanner und Ivo Bozic
    
    >> Hauptsache Großrazzia!
    
     Bundesweit  rund  50  linke  Hausprojekte,  Privatwohnungen  und
     Infoläden waren am Dienstag das Ziel einer großangelegten Razzia
     der  Polizei.  In  acht  Bundesländern  stürmten  Sondereinsatz-
     kommandos und Beamte der Landeskriminalämter  sowie  des  BKA in
     den frühen Morgenstunden die Häuser und politischen Zentren. Den
     Einsatzbefehl gab die  Generalbundesanwaltschaft (BAW) in Karls-
     ruhe, die, so ihr Sprecher Rolf  Hannich,  im  Zusammenhang  mit
     laufenden  Ermittlungsverfahren gegen  "linksextremistische  und
     linksterroristische Gruppierungen" die Durchsuchungen angeordnet
     hatte. Über  Details  und  Hintergründe der Großrazzia hatte die
     BAW den Tag über eine Informationssperre  verhängt. Die Meldung,
     die  Polizeiaktion  richte  sich gegen die Antiimperialistischen
     Zellen  (AIZ),  wollte  die  BAW    ebenfalls   nicht  eindeutig
     bestätigen.  Von  konkreten   Ermittlungsverfahren  war  in  den
     Durchsuchungsbefehlen nur  vereinzelt  die  Rede.  Hauptvorwand:
     Unterstützung   einer    terroristischen    Vereinigung    sowie
     Verbreitung der autonomen Untergrundzeitschrift radikal.
    
     Vier  Hausprojekte  und  Privatwohnungen    wurden    in  Berlin
     durchsucht. Der Einsatz wurde mit  dem  Verdacht der Verbreitung
     der  radikal  begründet.  In  zwei  Häusern  suchte  die Polizei
     außerdem  zwei  Männer,   nach denen  im  Zusammenhang  mit  dem
     vereitelten Anschlag auf den in Bau  befindlichen Abschiebeknast
     in Grünau gefahndet wird. Dafür brachen sie morgens um sechs Uhr
     mit  Spürhunden   in    die    Wohnungen  ein  und  hielten  die
     BewohnerInnen bis mittag fest.  Dazu,  ob  die  Ermittlungen  im
     Zusammenhang mit Grünau auch  den Hintergrund für Durchsuchungen
     in anderen Städten abgaben,  wollte  sich  BAW-Sprecher  Hannich
     ebenfalls nicht äußern.
    
     In Hamburg wurde  neben  mehreren Privatwohnungen eine Druckerei
     durchsucht. Die Polizei beschlagnahmte  dabei  Flugblätter sowie
     eine    Druckplatte,    auf    der    sich   ein  Flugblatt  des
     "Antirassistischen  Telefons" befand.  Darin  wird zu Mahnwachen
     wegen  rassistischer  Übergriffe in Polizeistationen aufgerufen.
     Außerdem wurden die BewohnerInnen  von  vier  Privatwohnungen im
     Schanzen-  und  Karolinenviertel  durch das SEK geweckt. Vorwand
     auch  hier:  Herstellung  und  Verbreitung der radikal . Bei den
     Durchsuchungen wurden auch zwei oder drei Menschen verhaftet. Da
     sie nach kurzer Zeit  jedoch  wieder  freigelassen  wurden,  ist
     davon auszugehen, daß ihre Festnahme nicht Ziel der Razzia war.
    
     Anders hingegen in Schleswig-Holstein:  In  Rendsburg und Lübeck
     nahm die Polizei zwei Männer fest,  wobei  der  Haftbefehl gegen
     sie  wegen    des    Verdachts   auf  "Mitgliedschaft  in  einer
     terroristischen Vereinigung" die  Begründung  der Durchsuchungen
     von mehreren  Wohnungen  abgab. Wie ein Mitarbeiter vom "Projekt
     Informationsdienstes Schleswig-Holstein"  der  jungen  Welt  be-
     richtete,  wurde   einer    der beiden  bereits  nach  Karlsruhe
     transportiert. Auch  für  die  Durchsuchung  des  Infoladens  in
     Neumünster  galt  die  Fahndung nach   einem  der  beiden  jetzt
     Verhafteten als Grund. Nach Aussagen der Bundesanwaltschaft soll
     er sich regelmäßig  dort  aufgehalten haben. Bei der Gelegenheit
     beschlagnahmte die Polizei sämtliches  Material aus dem Büro des
     "Informationsdienst  Schleswig-Holstein" - vom Archiv bis zu den
     Computern.
    
     Elf  Durchsuchungen   ließ    die  Generalbundesanwaltschaft  in
     Nordrhein-Westfalen durchführen - in Duisburg, Münster und Köln.
     Hier  waren  die  Einsätze  nicht    personenkonzentriert,    zu
     Festnahmen  kam  es  nur  kurzzeitig wegen Widerstands gegen die
     Polizei. In Köln drang die  Polizei  in  zwei  ehemals  besetzte
     Häuser, eine Wohnung  sowie  in den  Infoladen  ein.  Auch  hier
     verschafften sich die Beamten den  Zutritt  mit  der Begründung,
     sie seien auf  der  Suche  nach Beweisen für die Herstellung der
     radikal .
    
     Insgesamt erscheinen die Gründe für  die  bundesweite Großrazzia
     konstruiert. Auf der Suche nach den  TäterInnen von Grünau wurde
     das selbe Haus  in  Berlin-Kreuzberg bereits im Mai auf den Kopf
     gestellt. Die in der Szene immer  unbedeutender werdende radikal
     existiert  bereits  seit  rund  zwanzig Jahren und wurde von den
     Sicherheitsbehörden  schon  oft   als   Vorwand  für  repressive
     Maßnahmen    genutzt.       Offenbar    geht    es    der    Ge-
     neralbundesanwaltschaft um etwas anderes. Nachdem die Polizei in
     den  letzten  Jahren    häufiger    mit    Ermittlungen    gegen
     RechtsextremistInnen in die  Öffentlichkeit  getreten  ist,  war
     jetzt wieder ein Beweis für die Schlagfähigkeit  auch  gegen die
     radikale Linke fällig.  Der  letzte "Erfolg" in dieser Richtung,
     Bad Kleinen, liegt zwei Jahre zurück  und  ging für die BAW eher
     nach hinten los. Was  vermutlich als "erfolgreicher Schlag gegen
     Linksterrorismus" verkauft werden  soll,  war nicht mehr als ein
     mediengerecht aufgebauschter Einschüchterungsversuch. 
    
    

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