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Der Familienbetrieb

Nach Hermann Schimpfs Tod übernahm sein Sohn German das Ruder auf Liquidambar. Wesentliche Veränderungen, von Verbesserungen ganz zu schweigen, brachte dieser Wechsel für die ArbeiterInnen der Plantage nicht mit sich. German Schimpf wurde am 13. April 1918 auf Liquidambar geboren. So besagt es auch eine Urkunde, die die Wand am Zugang zum Verwaltungsgebäude ziert. Allerdings handelt es sich hier nicht um die Geburtsurkunde, sondern um eine Ehren-urkunde der Deutschen Wehrmacht vom 23. Oktober 1938. Vater Hermann Schimpf nahm zwar 1934 die mexikanische Staatsbürgerschaft an, blieb aber zeit seines Lebens ein deutscher Patriot. Ein Intensivkurs in deutschen Tugenden könne auch seinem Filius nicht schaden, dachte er sich wohl. So kam es, daß der in Mexiko geborene Sohn German Schimpf vom 1. Oktober 1936 bis zum 25. Oktober 1938 statt eines Sombreros den Stahlhelm der Hitlerarmee überstülpte. Als Gefreiter des Infanterie-Regiments 73 in Hannover kehrte German Schimpf im Winter 1938, die Ehrenurkunde im Gepäck, auf dem Passagierschiff Iller nach Mexiko zurück.

Nun begannen für German Schimpf die Lehrjahre im Kaffeegeschäft. Schon bald konnte er tatkräftig zur Vermehrung des Familieneinkommens beitragen. Schließlich wurde ihm von seinem Vater im Dezember 1967 eine Generalvollmacht erteilt. Und zehn Jahre später, nach dem Tod des Vaters, durfte er das Erbe antreten.

Ihm und seiner Schwester Hildegard hatte Hermann Schimpf die Ländereien, Immobilien und Konten in Mexiko vermacht. Aber damit wollten sich Hildegard und German Schimpf nicht zufrieden geben. Sie fochten das Testament an, in dem ihr Vater seine europäischen Besitztümer anderen Verwandten und Freunden zugeteilt hatte. Und sie bekamen Recht. Nach Erbauseinandersetzungen, die sich über zwei Jahre bis 1979 hinzogen, erhielten die nimmersatten Kinder zur Abgeltung der Pflichtteilsansprüche die Hälfte der Schweizer Bankkonten, den Familienschmuck, 450000 US-$ und eine Auszahlung über 1,13 Millionen DM.

Während sich Hildegard nun gänzlich den angenehmen Seiten des Lebens widmete, führte ihr Bruder das Kaffeegeschäft weiter. Und mit dem nötigen Kleingeld versehen, konnte auch das eine oder andere Malheur, Mißernten und Preisschwankungen unbeschadet überstanden werden. Nach so vielen unternehmerischen Erfolgen sollten sich auch seine Familienhoffnungen erfüllen. Und 1987 war es dann soweit. German Schimpfs Tochter Marianne, als Besitzerin der Liquidambar-Anteile Selva Negra (übersetzt: Schwarzwald) auch nicht untätig, kam unter die Haube.

Am 2. Mai 1987 heiratete die 26-jährige Geschäftsfrau den Sohn des Hamburger Kaffee-Importeurs Karl Hudler. In der Kirche des Heiligen Geistes in Mexiko-Stadt gaben sich Marianne Schimpf und Laurenz Hudler das Ja-Wort. Ergriffen lauschten die geladenen Gäste dem klassischen Orchester, das die Trauung mit Stücken von Mozart, Mendelsson, Vivaldi, Bach, Schubert und Händel untermalte.

Aus aller Welt waren 180 Freunde, Verwandte und Geschäftspartner angereist, um der Eheschließung des Paares beizuwohnen. Auch Gabriele Küstermann von der Import-Export Handelsgesellschaft mbH Intercambio aus Hamburg zählte zum Kreis der Anwesenden. Jahrelange Zusammenarbeit mit der Familie Schimpf hatte ein Verhältnis wachsen lassen, das über das Maß üblicher Geschäftsbeziehungen hinaus ging. So nahm Frau Küstermann auch regen Anteil an den privaten Angelegenheiten der Kaffeepflanzer im fernen Chiapas. In einem Brief vom 15. April 1988 kommt die menschliche Wärme, mit der sie die Geschehnisse auf Liquidambar verfolgte, zum Ausdruck: »Lieber Don German! Eben kam Nina Hudler ins Büro und erzählte, daß Laurenz aus Tuxtla angerufen hatte, um seiner Mutter zu gratulieren und dabei von Ihrem großen Geburtstagsfest auf der Finca berichtet hat. Wie schön, daß alle dort diesen Tag mit ihrem Patrón zusammen feiern konnten. Wir hoffen nun aber sehr auf eine fröhliche Nachfeier in Hamburg.«

In einem anderen Brief an den »Lieben Herrn Schimpf« vom 5. Dezember 1986 heißt es: »Escudero und Contreras sollen mir bitte auf einem extra Bogen genau aufschreiben, wie die Markierungen bei Hannover und Germania aussehen werden. Wie ich aus den ersten Ventas gesehen habe, läuft die Finca Hannover unter dem Namen von Juan Contreras und die Finca Germania unter dem Namen von Guillermo Escudero.« Die beiden genannten Herren, die als Strohmänner die Besitztitel der Fincas unter ihren Namen laufen ließen, gehörten auf der Hochzeitsfeier am 2. Mai 1987 zu den prominenteren Gästen. Guillermo Escudero ist Präsident der Nationalen Kaffeepflanzer Union (UNPC). Später sollte er an der Ausarbeitung der Verträge zur Schaffung der Freihandelszone Mexiko-Kanada-USA beteiligt sein. Am 16. November 1992 wurde ihm für seine Bemühungen eine Ehrenurkunde vom mexikanischen Staatsoberhaupt Salinas de Gortari überreicht.

Doch an die große Politik werden die Hochzeitsgäste kaum gedacht haben, als sie, die musikalische Untermalung durch das abschließende Orgelkonzert genie-ßend, vom nunmehr Ehepaar Schimpf-Hudler aus der Iglesia del Espiritu Santo geleitet wurden. Im »Salon Mayita«, einem liebevoll mit leicht rosa-weißer Farbdominanz dekorierten Festsaal, brachten Pepe González und seine Band die erlesene Gesellschaft in Stimmung. Beim Galadiner, Musik und Tanz konnten Freunde der Vermählten wie Gabriel Orantes, der als Anführer der Todesschwadrone in der Region Frailesca gilt und von der UCPFV mehrerer Morde beschuldigt wird, für einen Moment die Sorgen und Nöte des Alltags vergessen.



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