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Tue Jul 21 17:04:18 1998
 

Kurzer Überblick über die Geschichte des
"Bund der Vertriebenen" (BdV)

In der bundesrepublikanischen Geschichtsschreibung werden die Vertriebenenorganisationen eher verharmlost. Die Version des "Bund der Vertriebenen", Flucht und Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus den vom deutschen Faschismus überfallenen osteuropäischen Ländern sei Unrecht gewesen und habe gegen das Völkerrecht verstoßen, wird in der deutschen (Außen-)Politik voll übernommen. Wen wundert es, sind es doch in erster Linie erzkonservative Unionspolitiker, die an den Schaltstellen der Landsmannschaften und des "Bund der Vertriebenen" sitzen. In der offiziellen geschichtlichen Darstellung und vor allem auch in der BdV-Selbstdarstellung fehlen Hinweise auf die personelle und ideologische Kontinuität der Landsmannschaften und des BdV aus der Zeit des Nationalsozialismus. Es waren Nazis, die die Gründung der Vertriebenenorganisationen vorantrieben und die politischen Inhalte bestimmten. Gerne sehen BdV-Funktionäre sich als Humanisten und weisen den Vorwurf des Revanchismus und der Kriegstreiberei mit dem Hinweis auf die Charta der deutschen Heimatvertriebenen vom 5. August 1950, in der der Verzicht auf "Rache und Vergeltung" festgeschrieben ist, von sich. Im folgenden möchten wir jedoch u.a. belegen, daß Landsmannschaften und ihr Dachverband - der BdV - in einem gut abgestimmten Zusammenspiel mit der Bundesregierung selbstverständlich eine revanchistische Politik betreiben.

Nach der militärischen Zerschlagung des deutschen Faschismus (8. Mai 1945) machte man sich in den Westzonen sofort wieder auf den Weg, die Politik des Revanchismus zu organisieren.
Für die geplante Gründung von Vertriebenenorganisationen und anderen Zusammenschlüssen von Flüchtlingen bestand zunächst ein Koalitionsverbot sowie eine Lizenzpflicht für Publikationen seitens der West-Alliierten. Mit Recht wurde damals befürchtet, daß diese Zusammenschlüsse wiederum das Gedankengut der deutsch-nationalistischen Expansionsbestrebungen verbreiten würden, und zwar in der Tradition der "Heimatbünde" und des faschistischen "Bund Deutscher Osten". Dieses Koalitionsverbot wurde Ende 1948 aufgehoben, da es sowieso auf lokaler Ebene unterlaufen worden war.

Kirchen als Geburtshelfer des Revanchismus

In dieser Situation spielten kirchliche Stellen eine zentrale Rolle, indem sie für die späteren großen Vertriebenenorganisationen die organisatorische Starthilfe gaben; sie haben "vielfach die Bedeutung einer schützenden und tarnenden Glocke über den zunächst noch verbotenen landsmannschaftlichen- und anderen Gruppenbildungen der Vertriebenen gewonnen" (Dr. Max Hildebert Boehm in seinem Buch "Die Vertriebenen in Deutschland" [Band 1]). (1)
Mit der scheinbar harmlos, eher humanistisch klingenden Begründung: "Flüchtlingsangelegenheiten sollen grundsätzlich von Flüchtlingen wahrgenommen werden" (2) , forderte der CDU-Zonenausschuß im August 1946 die Zulassung einer Vertriebenenorganisation für die britische Zone. Weiter hieß es: "Den Flüchtlingen darf das Recht, sich zur Selbsthilfe zusammenzuschließen, nicht versagt werden". (3) Es läßt sich erahnen, was Selbsthilfe für sie bedeuten sollte, wenn man dann im "Sudetendeutschen", der offiziellen Zeitung der Sudetendeutschen Landsmannschaften (SL), in der Ausgabe vom 22. Juli 1966 folgendes lesen konnte: "Deutsche Politik muß die Räumung der russisch, polnisch und tschechisch besetzten Zonen zum Ziele haben."
In den Jahren 1948/49 gründeten sich die - bis heute einflußreichsten - Landsmannschaften der Sudetendeutschen, der Ostpreußen, der Schlesier sowie der Pommern. Gerade sie waren es, und sind es auch heute noch, die am aggressivsten auf ihr "Recht auf Heimat" pochen. Ziemlich deutlich wird das u.a., wenn der vormalige Landesobmann der Sudetendeutschen Landsmannschaft Frank Seiboth im Jahre 1958 folgendes von sich gibt: "Der deutsche Osten war nicht nur in der Vergangenheit die Kornkammer des Reiches. Er wird es wieder einmal sein müssen, und er wird außerdem deutsche Menschen aufnehmen müssen, damit wir in der Enge des halben Deutschlands nicht ersticken." (4)
Vor 1945 konnte Seiboth auf eine passable NS-Karriere zurückblicken: SS-Hauptsturmführer, Gauhauptstellenleiter, Gauschulungsleiter, HJ-Gebietsführer im Sudetenland und Mitglied der NSDAP-Gauleitung Reichenberg (Liberec).
Auch anhand von Aussagen des Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft Schlesien, Herbert Hupka, wird es immer wieder deutlich, wohin Vertriebenenpolitik will. So verkündete er 1984 folgendes: "Das Deutsche Reich existiert fort. [...] Ostdeutschland umfaßt nicht nur Ostdeutschland jenseits von Oder und Neiße, also den heute unter polnischer und sowjetischer Herrschaft stehenden Teil des Deutschen Reiches, sondern auch das Sudetenland und die deutschen Siedlungsgebiete zwischen Ostsee und Schwarzem Meer." (5)
Linus Kather, damaliger stellvertretender CDU-Vorsitzender, unterstützte im März 1949 die Gründung eines "Gesamtverband(es) der Ostvertriebenen für die britische Zone".
Laut BdV-Selbstdarstellung schlossen sich dann am 9. April 1949 die auf Länderebene organisierten neugegründeten Gruppierungen der Vertriebenen zum "Zentralverband der vertriebenen Deutschen" (ZvD) zusammen.

Bei jedem Revanchistentreffen Bei jedem Revanchistentreffen ...

Am 24. August 1949 gab es einen weiteren Zusammenschluß, nämlich den der auf westdeutscher Ebene organisierten heimatpolitischen Verbände zu den "Vereinigten Ostdeutschen Landsmannschaften" (VOL).
Bevor dann am 27. Oktober 1957 der Bund der Vertriebenen - Vereinigte Landsmannschaften und Landesverbände (BdV) gegründet wurde, gab es noch die Zwischenstationen, in dem der ZvD in den "Bund der vertriebenen Deutschen" (BvD) - 18. November 1951 - und der VOL in den "Verband der Landsmannschaften" (VdL) - 18. August 1952 - aufging. Die endgültige Konstituierung des BdV fand am 14. Dezember 1958 in West-Berlin statt.

Kontinuitäten von Krüger ...

Der erste BdV-Präsident Dr. Hans Krüger war natürlich - wie sollte es auch anders sein - ein strammer Nazi, der nach 1945 in der CDU Unterschlupf gefunden hatte und von dort auch Unterstützung für seine weitere politische Karriere bekam. Wähend seiner BdV-Präsidentschaft setzte Krüger im Auftrage der CDU die Politik des Revanchismus im Vertriebenenverband durch.
Über seinen Einfluß schrieb die "Rheinische Post" am 18. November 1963: "Kaum eine Regierungserklärung wurde in den letzten Jahren von Bonn konzipiert, für die nicht der erste und bisher einzige BdV-Präsident im Kanzleramt, meist unbemerkt von der Öffentlichkeit, vorgesprochen und Wünsche geäußert hätte, die dann mehr- oder minder deutlichen Niederschlag fanden."
Im Dritten Reich war der Blut- und Sonderrichter Hans Krüger ein Spezialist bei der Durchsetzung der faschistischen Ausrottungspolitik, der u.a. sechs Millionen polnische Bürger zum Opfer fielen. Unmittelbar nach dem faschistischen Überfall auf Polen wurde Krüger NSDAP-Ortsgruppenleiter und Richter im okkupierten Konitz (Chojnice) und im November 1940 zum Oberamtsrichter beim dortigen Amtsgericht ernannt sowie 1942 als "Stellvertreter in erster Linie" an das neugebildete Sondergericht berufen. In den offiziellen Vernehmungen nach 1945 sagte der polnische Bürger Pabich aus, daß bereits in den ersten Wochen von Krügers Amtstätigkeit "rund 2000 Polen aus Chojnice umgebracht wurden, die bis zu ihrer Ermordung in Krügers Amtsgerichtsgefängnis eingekerkert waren." (6) Und weiter heißt es in den Zeugenaussagen: "Nach jeder Visite durch Krüger im Gefängnis wurden die Inhaftierten sortiert und ein Teil von ihnen zur Hinrichtungsstätte in das 'Tal des Todes' gefahren, wo sie ermordet wurden." (7) Die Überlebenden bezeugten, daß Krüger "der Schreck des Gefängnisses" (8) war.

Um es noch einmal zu verdeutlichen: Dr. Hans Krüger war Faschist und Nationalsozialist aus vollster Überzeugung. Frühzeitig bekannte er sich zu Hitler und nahm natürlich auch - wie er selber angab - am 9. November 1923 am Hitlerputsch gegen die Weimarer Republik teil. Ab 1933 war er aktives Mitglied der NSDAP und verschiedener anderer nationalsozialistischer Organisationen. Besonders aktiv war Krüger in dem nach 1933 von den Nazis gegründeten und dominierten "Bund Deutscher Osten" (BDO), der ganz speziell in den osteuropäischen Ländern die subversive Wühlarbeit koordinierte und somit maßgeblich an der Vorbereitung des faschistischen Angriffskrieges von Nazideutschland beteiligt war. Der "Bund der Vertriebenen" kann durchaus als die Nachfolgeorganisation des faschistischen "Bund Deutscher Osten" bezeichnet werden, und zwar gerade auch aufgrund vielfältiger personeller Kontinuitäten aus der Zeit des Nationalsozialismus.
Am 16. Oktober 1963 wurde der erste BdV-Präsident Dr. Hans Krüger von dem damaligen Bundeskanzler Ludwig Erhard als "Vertriebenenminister" ins Bonner Kabinett berufen. Allerdings mußte Krüger schon nach drei Monaten seinen Hut nehmen. Enthüllungen der DDR und Polens über seine Nazivergangenheit lösten weltweite Proteste aus und zwangen den Bonner Kanzler zur Entlassung Krügers. Trotz allem behielt Krüger weiter sein Mandat und saß weiterhin als Abgeordneter für die CDU-Fraktion im Bundestag.

Deutschtümelei und Trachtentanz ... Deutschtümelei und Trachtentanz

Diese etwas ausführlichere Beschreibung des ersten BdV-Präsidenten soll ein wenig verdeutlichen, welche Leute in Westdeutschland sofort wieder das Ruder an sich rissen. Es ist offenkundig, daß an der Spitze der westdeutschen Revanchistenverbände und -ministerien Personen standen, die sich schwerer Verbrechen gegen den Frieden und die Menschlichkeit schuldig gemacht hatten. Diese Tatsachen werden im offiziellen BdV-Werbefaltblatt (natürlich) schlichtweg unterschlagen, obwohl sie u.E. zum besseren Verständnis der Vertriebenenpolitik beitragen würden.
Weitere Präsidenten des BdV nach Krüger waren Wenzel Jaksch (Vorsitzender der Seliger-Gemeinde, 1953-66 hessischer SPD-MdB), am 1. Februar 1964 gewählt und am 27. November 1966 tödlich verunglückt, der vor 1945 "Führer der Sudetendeutschen Sozialdemokraten" war, und Reinhold Rehs (12. März 1967 bis zum 15. März 1970). Im Gegensatz zum folgenden vierten BdV-Präsidenten Herbert Czaja waren Jaksch und Rehs eher unauffällig.

... über Czaja ...

Herbert Czaja wurde am 15. März 1970 von der BdV-Bundesversammlung zum Nachfolger von Rehs (der nicht mehr kandidierte) gewählt. Seine Präsidentschaft endete am 23. April 1994. Mit Czaja, der langjähriges MdB war, stand ein Deutschtümler und völkisch-nationalistischer CDU-Hardliner 24 Jahre lang an der Spitze des BdV. Als gleichzeitiger Sprecher der "Landsmannschaft der Oberschlesier" fand er sich mit der Nachkriegsordnung in Europa, die in dem Potsdamer Abkommen von den Alliierten festgelegt worden war, nicht ab. Das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 existiert für ihn weiter, und dementsprechend zieht sich Czajas politisches Handeln wie ein brauner Faden durch die letzten Jahrzehnte.
Die im 2+4-Vertrag von der Bundesregierung anerkannte polnische Westgrenze (Oder-Neiße-Grenze) ist für Czaja ein rotes Tuch. So skandierte er auf dem "Tag der Oberschlesier" im Juli 1992 lauthals: "Anpasser, Maulwürfe, Wühlmäuse, Verzichtler gibt es überall! Aber wir lassen uns unser Oberschlesien nicht nehmen, weder von Warschau noch von Bonn!". Im Februar 1990 drohte Czaja laut TAZ mit "anhaltenden nationalistischen Unruhen" und auf dem Bundestreffen der "Oberschlesier" im Juni 1990 peitschte er auf einer Kundgebung zigtausende Ewiggestrige ein: "Die Oberschlesier verlangen nicht Gebiete Polens und keine 'Eroberung' " Es gehe "um ein Viertel von jenem Deutschland, das der Versailler Vertrag uns belassen hat, [...] um alte deutsche Provinzen, Regionen und Stämme, in denen über acht Jahrhunderte Deutsche unerhört Wertvolles geleistet haben." Nach dem "völker- und menschenrechtlichen Delikt der Massenvertreibung" seien ein "Ausgleich" und vorweg "wirksame Volksgruppenrechte unabdingbar". Sonst drohe der "Unruheherd des Revisionismus". (TAZ, 25.6.90)
Für die 'Antikommunistische Weltliga' (WACL) war Czaja in der BRD der Ansprechpartner: "Wir stehen in Verbindung mit sämtlichen Vertriebenenverbänden. Der maßgebende Mann ist für uns dabei deren Präsident, der Bundestagsabgeordnete Dr. Czaja" - so sagte der BRD-Delegierte im WACL Schall im Juni 1988. (Quelle: BdV-Organisationsprofil, Lupe e.V. 1995)
Inzwischen bekleidet Herbert Czaja keine politischen Ämter mehr, er hat sich gewissermaßen zur Ruhe gesetzt. Dafür hat der "Vertriebenenrentner" ein Buch mit dem Titel "Unterwegs zum kleinsten Deutschland? Marginalien zu 50 Jahren Ostpolitik" auf den Markt geschmissen. Die über 1000 Seiten zeigen es uns noch einmal ganz klar, Herbert Czaja ist und bleibt ein erzreaktionärer Revanchist.

... bis Wittmann

Wie auch kaum anders zu erwarten war, hat Czaja einen würdigen Nachfolger gefunden. Am 23.4.1994 wurde der bayerische CSU-Bundestagsabgeordnete und gebürtige Sudetendeutsche Fritz Wittmann in Berlin zum neuen BdV-Chef gewählt.

Fritz Wittmann Fritz Wittmann

Die Grenzen Deutschlands sind für Wittmann diejenigen von 1937 (SZ, 26.7.89), und Schlußstriche lehnt Wittmann mit Verweis auf "Sitte und Treue" ab, was er besonders bezüglich des "deutschen Eigentums an Grund und Boden" in den östlichen Nachbarländern verstanden wissen will. In diesem Zusammenhang drohte er in seiner Einstandsrede als BdV-Präsident, "das verletzte Rechtsbewußtsein der Heimatvertriebenen zu heilen" (TAZ, 25.4.94)
Der BdV wird also auch unter Wittmann nicht nur das bleiben, was er immer gewesen ist - nämlich eine friedensgefährdende Vereinigung -, er wird dieses Potential künftig auch nutzen, um durch völkisch-revanchistische Wühlarbeit Osteuropa nach Kräften zu destabilisieren. Die Konsequenz kann da nur lauten: Die Machenschaften von BdV und anderen Revanchistenverbänden aufdecken und bekannt machen!


Anmerkungen:

(1)
In dem Buch "Deutschtum erwache!" von W. von Goldenbach und H.-R. Minow (Berlin 1994) taucht Dr. Max Hildebert Boehm u.a. als "VdA-Rechtsextremist des Weimarer Außenministeriums" (S. 200 f.) sowie als "geopolitischer Volksbiologe" und "Propagandist der nationalsozialistischen Rassegesetze" (S. 263) auf.
(2)
Kurt Hirsch: Rechts von der Union, S. 172, München 1989.
(3)
ebenda, S. 173
(4)
Kurt Hirsch, a.a.O., S. 176
(5)
ebenda, S. 176
(6)
Braunbuch: Kriegs- und Naziverbrecher in der Bundesrepublik, S. 291. 2. überarbeitete Auflage, Berlin 1965
(7)
ebenda
(8)
ebenda