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Gorleben: NO RISK NO FUN

Im November dieses Jahres sollen wieder 12 Castoren ins Wend-land rollen. Wie jedes Jahr wird der Atommüll über Schiene und Straße ins Zwischenlager nach Gorleben gebracht. Diese Transporte sind bei weitem nicht die einzigen in der BRD, aber diejenigen, die am meisten Aufmerksamkeit erregen. Sie sind seit vielen Jahren ein Kristallisationspunkt der Anti-Atom Bewegung. Dies ist ein Aufruf an alle Linksradikalen und Autonomen, sich an den Protesten rund ums Wendland wieder entschlossen und massiv zu beteiligen.

*they make plans - we make trouble*
Seit 25 Jahren steht Gorleben für einen vielfältigen, hartnäckigen und kontinuierlichen Widerstand gegen Atomkraft, Staat & Polizei. Die ersten Transporte wurden von Protesten, von erst 3.000, später um die 10.000 Menschen begleitet, militante und gewaltfreie Widerstandsformen liefen nebeneinander, machten den Widerstand unübersichtlich und von Polizei und Bundesgrenzschutz nur schwer kontrollierbar. Von Massenmilitanz bis zur Einzelaktion fand sich alles in der breiten Bewegung wieder. Die Tage um den Transporttermin galten als Happening für Konspirati-vität und Aktionismus, aber auch als Ansatz für gruppenübergreifendes und geplantes Handeln. Als das gelten sie auch heute noch: Nach wie vor kommen viele DemonstrantInnen zur Castor-Blockade im Wendland zusammen, im letzten Jahr waren es 2.000 bis 3.000 Menschen. Über die Jahre haben sich jedoch mittlerweile Rituale eingeschlichen und der Widerstand droht berechenbar zu werden, wenn wir dem nicht mit mehr Präsenz und neuen Ideen entgegenwirken. Zwar werden noch immer massenhaft Bullen eingesetzt, doch die Proteste bringen sowohl die Schergen als auch die Atomlobby nur selten in Bedrängnis. So konnte im November 2003 die Straßenstrecke sogar bei Nacht befahren werden; ein Novum, was bis dato noch nicht gewagt wurde.

*change the game - not the player*
Auch in den Zusammenhängen der Autonomen, die sich zum Teil maßgeblich aus dem Anti-Atom-Widerstand entwickelten, gab es Zeiten, in denen sich umfangreicher, geplanter, koordinierter und massenhafter im Wendland eingemischt wurde. In den letzten Jahren zeigte sich ein grundsätzlicher Rückgang in der Präsenz von autonomen Gruppen, bzw. organisierten linksradikalen Zusammenhängen. Oft fehlt uns die Motivation und auch die Kraft, durchweg präsent und spürbar zu sein. Viele von uns haben sich neuen Themen zugewandt, bzw. sich andere Schwerpunkte gesucht. Beispielsweise sind Antifa- und Antira-Arbeit, Kämpfe gegen staatliche Repression oder städtische Umstrukturierung in letzter Zeit zu wichtigen Feldern unserer Politik geworden. Damit ist die Frage nach unserem Part im Kampf gegen die Atomkraft in den Hintergrund gerückt. Zumal die Atomenergie seit dem Energiekonsens kein offizielles Staatsziel mehr ist und mit dem vermeintlichen Ausstieg auch viel von der politischen Aufladung des Themas verblasst ist. Nichtsdestotrotz äußern Teile der radikalen Linken Interesse an diesem Thema, insbesondere an den Aktionstagen in Gorleben. Eigeninitiative, Aufbau militanter Struktu-ren sowie die Vernetzung mit den Strukturen vor Ort sind jedoch auf der Strecke geblieben. Die Spaltungsversuche (und -erfolge) von staatlichen Institutionen und Medien trugen ihr Übriges zur Frustration bei.

*this is not a game - this is reality*
Nach wie vor sind die Autonomen ein wichtiger Teil des Anti-Atom-Widerstandes, so wie der Kampf gegen die Atomkraft ein Teil unseres linksradikalen Selbstverständnisses ist. Doch ein gemeinsamer Widerstand mit dem Minimalkonsens gegen Atomkraftnutzung ist uns zu wenig! Zu den Castortransporten ins Wendland kommen verschiedene Menschen zusammen. So manche von den DemonstrantInnen entlang der Transportstrecke sind empört über die massenhafte Polizeipräsenz und die Einschränkungen der ihnen zugeteilten Rechte. Aber die Schikanen der Staatsgewalt sind für viele andere Menschen alltägliche Lebenssituation, da sie als ImmigrantInnen, Obdachlose oder DrogenkonsumentInnen nicht in die kapitalistische Verwertbarkeit passen und täglich Opfer struktureller oder direkter rassistischer Gewalt werden. Wer nur über den Ausnahmezustand während der Castortransporte klagt, scheint nicht zu realisieren, wie sehr die gesellschaftliche Situation von Rassismus, Sexismus und Antisemitismus geprägt ist. Seit Jahren stagniert in Teilen der Anti-Atom-Bewegung die inhaltliche Kritik am kapitalistischen Gesamtkonstrukt, bleibt bei der quasi personalisierten Kritik an den großen Betreiberfirmen und der Regierung stehen und richten den Fokus lediglich auf den Aspekt Umweltschutz. Als Teil der autonomen Gruppen ziehen wir hieraus jedoch nicht etwa die Konsequenz diesen Teilbereich aufzugeben und nicht mehr ins Wendland zu fahren. Im Gegenteil, vielmehr sehen wir hier einen Raum, um weiterführende gesellschafts- und staatskritische Inhalte darzustellen. Dabei suchen wir nicht ein neues revolutionäres Subjekt im Wendland. Aber es gibt hier eine Anzahl von Menschen, die offen für produktive Kritik sind, weil sie hinter der Fassade der vermeintlichen Demokratie zumindest die Auswirkungen der kapitalistischen Wirtschaftsordnung ausgemacht haben und diese nicht hinnehmen wollen. Hier können wir anknüpfen, ein Stück zusammen gehen und neue Strukturen schaffen aus denen eine gemeinsame Gegenkraft entstehen kann.
we want to destroy the whole bakery
Klar ist jedenfalls, dass es beim Protest in Gorleben allein nicht bleiben darf, auch die geplante Erweiterung der Urananreicherungsanlage in Gronau, die Wiederaufbereitungsanlagen bei La Hague und Sellafield, der Uranabbau in Australien und die hunderte Atomkraftwerke weltweit dürfen nicht aus unserem Blickfeld geraten. Atomkraft bedeutet Krieg nach außen, indem der Besitz von Atombomben als Drohpotential angestrebt bzw. aufrechterhalten wird und uranhaltige Geschosse eingesetzt werden, wie beispielsweise im Golfkrieg. Solange AKWs, und Forschungsreaktoren laufen, hält sich auch Deutschland die Option auf die Herstellung von Atombomben offen. Atomkraft heißt auch Krieg nach innen, weil hier das Demonstrationsrecht kontinuierlich ausgesetzt wird, ganze Regionen in Belagerungszustand gesetzt werden. Der Einsatz einer Technologie, die Krankheit, Tod und Verwüstung für Menschen und Umwelt bedeutet, – zum Zweck der Gewinnmaximierung – offenbart ein zutiefst menschenfeindliches Verständnis.
Aber bei der ausschließlichen Auseinandersetzung mit Atomkraft dürfen wir ebenso wenig stehen bleiben. In ihr zeigt sich, wie an vielen anderen Punkten auch, wie eine bürgerliche Demokratie funktioniert, wie wirtschaftliche Interessen sich durchsetzen, wie Staat, Kapital, Wirtschaft und Politik miteinander verfilzt sind. Es ist daher von grundlegender Bedeutung, den Kampf gegen die Atommafia in einen Zusammenhang mit dem kapitalistischen System zu stellen. Diese Zusammenhänge wollen wir in Form von Flugblättern, Infoveranstaltungen und Protesten thematisieren. Dabei begreifen wir auch militante Aktionen als eine logische Antwort auf den Polizeistaat. Militanz bedeutet für uns verantwortungsvolles, geplantes, organisiertes und zielorientiertes Vorgehen gegen die manifestierten Herrschaftsstrukturen. Denn die Atommafia ist nicht ein Fehler dieses Systems, sondern ein konsequenter Ausdruck davon.

*ready, steady ...*
Von der anderen Seite betrachtet kämpfen linksradikale Zusammenhänge in vielen Bewegungen. Aber um der einseitigen Konzentration auf Teilbereichskämpfe zu entkommen sollten wir uns von Zeit zu Zeit an einem Punkt geschlossen dem Staat entgegenstellen. Auch wenn unsere Utopien für ein schöneres, gerechteres Leben wahrscheinlich sehr unterschiedlich sind, so sind wir uns doch einig, dass wir uns Stück für Stück, Stein für Stein der Abschaffung des Kapitalismus, nationaler Konstrukte, rassistischer und patriarchaler HERRschaftsstrukturen annähern wollen.
Der Transport von atomaren Materialien ist Voraussetzung für den Weiterbestand der Atomanlagen, der Atomenergie bis hin zur Option auf die militärische Nutzung der Atomkraft. Auf den Schienen und den Straßen bieten sich strategisch günstige – wenn auch nicht einzig mögliche – Angriffspunkte. Wenn wir es schaffen, dass wir durch dezentrales und vielfältiges Intervenieren die Unberechenbarkeit der Bewegung wieder ein wenig zu verstärken, haben wir schon eine Menge gewonnen!
Wir gehen von dem Grundgedanken aus, den ökonomischen wie politischen Preis, den die Atomlobby und der Staat für die Durchführung der Transporte zu zahlen haben, immens zu erhöhen. Damit ist auch eine wesentliche Erhöhung materieller Schäden gemeint. Wenn wir unsere Präsenz im Wend-land reflektieren bleibt das Fazit, dass staatlicherseits immer noch eine große Anzahl von Schergen aufgefahren werden muss um die Transporte zu schützen und dass es weiterhin direkte Aktionen im Vorfeld und wäh-rend der Castortransporte geben kann. Dies und viel mehr spricht dafür, dass linksradikale Zusammenhänge sich wieder einmischen und der direkten Konfrontation mit den HERRschenden Verhältnissen auch im Wendland nicht weiter aus dem Weg gehen.

*... go!*
Wie in den letzten Jahren auch, wird es vor Ort eine Infrastruktur geben, die wir nutzen können: Scheunen, Infopunkte, Vokü.
Alles Weitere liegt auch an uns. Also organisiert euch, überlegt euch Möglichkeiten und Wege der direkten Intervention, der Verwirrung! Vergesst nicht, das Jahr hat viele Tage und nicht nur Anfang November gilt es, sich einzumischen. Lasst uns der Atomlobby deutlich machen was wir von ihr halten. Neben BGS und Bullen, Bahn und Siemens sind noch viele andere für die Weiterführung der Atomgeschäfte verantwortlich. Deshalb sollten die Angriffspunkte unserer Aktionen nicht nur die Standorte und Transporte sein, sondern das ganze Spinnennetz der Betreiber, Firmen und Institutionen, die den Betrieb der Atomkraftwerke überhaupt möglich machen.


* Deutschland zerlegen, den Atomstaat demontieren!
* Schraube für Schraube, Schiene für Schiene!
* no risk, no fun!


Achtet auf weitere Ankündigungen!


mar - militante atomkraftgegnerinnen reloaded

 

13.10.2004
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