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Hannover: Aufruf zur ANOMALISIERUNG DES ALLTAGSLEBENS


Aufruf zur

ANOMALISIERUNG DES ALLTAGSLEBENS

Interventionistisches Radioballett in der Hannoveraner Innenstadt

“Wenn die Leute nicht mehr ihre Alltäglichkeit leben können, beginnt
eine
Revolution“
Henri Lefebvre (1968)

Alltag. Wenig scheint normaler als der Alltag deutscher Innenstädte.
Passanten
bummeln durch die Straßen, Konsumenten kaufen Waren und Leute betteln am
Rand
begleitet von Straßenmusikanten. Ein Schauspiel ohne Regisseur und
Zuschauer
vor der Kulisse bunter Schaufenster. In der Konsumzone sind alle Gesten
und
Bewegungen konform. Für die Normalität des Alltagslebens müssen weder
Zwang
noch Kontrolle ausgeübt werden. Im Strom der Menschen zu spazieren
scheint
normal. Vor einem Laden stehen zu bleiben scheint normal. Am Rand der
Strasse
zu sitzen scheint normal. Die Normalität beherrscht unsichtbar alle
Gesten und
Bewegungen.

Anomalie. Aufgrund dieser Normalität ist gemeinhin kein anderer Alltag,
kein
Alltag jenseits des Konsums vorstellbar. Wie aber entsteht die
Normalität des
Alltagslebens? In der zerstreuten Wiederholung immer gleicher Gesten,
die
sorgfältig eingeübt werden: Flanieren, am Schaufenster stehen blei-ben,
den
Laden betreten und mit einer Tragetasche wieder herauskommen, weiter
flanieren. Jede vereinzelte Abweichung vom konformen Verhalten
erscheint
als bestätigende Ausnahme von der Regel: Alle anderen machen es ja
richtig –
und ist es daher nicht richtig, wie es ist? Was aber passiert, wenn die
Abweichungen
massenhaft werden? Wenn die zerstreute Wiederholung der immer gleichen
Gesten durch eine andere, gleichzeitige Zerstreuung ersetzt wird? Was
passiert,
wenn die anomale Geste zur Regel und die normale Geste zur Ausnahme
wird? Wenn
eine neue, unkontrollierbare Situation das Alltagsleben in der
Konsumzone
anomalisiert?

Radioballett. Das Radiokollektiv LIGNA lädt in die Hannoveraner
Innenstadt ein,
um diese Frage praktisch zu beantworten. Auf Radio Flora, 106,5 MHz wird
ein
Programm ausgestrahlt, in dem Vorschläge für Übungen in abweichendem
Verhalten
gemacht werden. Die HörerInnen sind aufgerufen, dieses Programm mit
transportablen Radios mit Kopfhörern in den Fußgängerzonen zu hören, die
vom
Kröpcke ausstrahlen. Die alltäglichste Geste kann anomal werden, wenn
sie von
vielen gleichzeitig, zerstreut und ohne sichtbare Absprache durchgeführt
wird:
Immer gehen alle vorwärts, mit einem Mal gehen viele rückwärts.
Massenhafte
anormale Gesten können die Normalität des Alltagslebens nachhaltig
stören. Das
Radioballett ermöglicht die Irritation des Alltagslebens mitten im
Alltag. Je
mehr HörerInnen zerstreut über die Konsumzone von der Norm abweichende
Gesten
durchführen, desto wirksamer wird die Anomalisierung des Alltagslebens
sein.

Kommt zum LIGNA-Radioballett in die Fußgängerzonen rund um den Kröpcke!
Zerstreut Euch! Weicht ab!
Übt Euch in Normalität – Anomalisiert das Alltagsleben!
Es gibt keine richtige Norm im Falschen!

Samstag, 19. Juni 2004, Radio Flora 106,5 MHz
Die Sendung beginnt um 14 Uhr, das Radioballett um 15 Uhr.
Radiogeräteverleih ab 14 Uhr im Schauspielhaus Hannover
Im Rahmen von Theaterformen 2004 / REpublicACTION
Nachfragen / Kommentare gerne unter:  radioballett@gmx.de

Infoveranstaltung mit LIGNA: Radiowellen infiltrieren öffentlichen Raum
mit
vielen Film- und Hör-Beispielen am 12. Juni um 20 Uhr im Kino am
Sprengel.

 

07.06.2004
Radiokollektiv LIGNA   [Aktuelles zum Thema: ÖffentlicherRaum]  Zurück zur Übersicht

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