nadir start
 
initiativ periodika archiv adressbuch kampagnen aktuell

Magdeburg: Aufruf zu den Direct Action Days

Direct Action Days in Magdeburg

In den letzten zwei Wochen gab es mehrere Vorbereitungstreffen und
Ativitäten im Vorfeld der Direct Action Days. Auch die Polizei scheint schon
unruhig zu werden. Vor allem wegen eines angekündigten Molli-Workshops vor
dem LKA in Magdeburg. Mit einigen subversiven Kommunikationsstrategien
wurden schon jetzt diese Tage eingeläutet. Was das ganze soll und worum es
eigentlich geht, jetzt im folgenden:

Ab Mittwoch, 22.10.03 wird zu Aktionen und Workshops kreativen Widerstands
aufgerufen. Anlass ist das §129a-Verfahren gegen Magdeburger AktivistInnen.
Ziel ist es, eine größere Aktionsfähigkeit emanzipatorischer AktivistInnen
zu schaffen, indem (für die hiesige Szene) neue Aktionsformen erprobt werden
und um damit aus dem eigenen normierten Verhalten ein Stück weit
auszubrechen. In diesen Tagen wollen wir Grundlagen direkter Aktion
erarbeiten und Fähigkeiten entwickeln. Dabei werden gewiss immer ein paar
Leute da sein, die in der einen oder anderen Aktionsform Erfahrungen haben
und diese den anderen vermitteln. Es sind mehrere Workshops zu einigen
konkreten Aktionsformen geplant; weitere Themen sind gewiss auch möglich.
Mit diesen Veranstaltungen wollen wir auch unseren eigenen Aktions-Horizont
erweitern. Und wer weiß, vielleicht hält die Motivation auch über die
Aktionstage hinweg an und kann zur politischen Praxis werden. Vielleicht
sieht Magdeburg dann in mancherlei Hinsicht anders aus, als vorher...

"Wir" sind keine Gruppe oder Organisation; wir wollen einfach unsere eigenen
Möglichkeiten entwickeln und auch anderen AktivistInnen die Möglichkeit dazu
bieten (und laden dazu auch offensiv ein!). Unsere Mittel können z.B. in
subversiver Kommunikation / Kommunikationsguerilla, kreativer
Antirepression, verstecktem Theater und anderen kreativen Strategien liegen.
Wir finden es wichtig, dass eine große Zahl von Leuten die Fähigkeiten zu
den verschiedensten Aktionsformen hat und üben kann, weil so die
Widerständigkeit im Alltag - nicht nur bei Großaktionen - steigen kann. Wir
möchten aktionsfähig sein, wenn Eltern in unserer Nähe erziehen, wenn
rassistische Polizeikontrollen stattfinden, wenn es zu sexistischen Anmachen
kommt, wenn der alltägliche Sicherheitswahn zum Tragen kommt.

Viele "Methoden" müssen geübt werden und die Fähigkeit, aus alltäglichen
Situationen Aktionen mit politischer Vermittlung zu machen, wird sich erst
mit der Zeit einstellen. Deswegen laden wir schon jetzt zu einem
fortführenden Direct Action - Seminar im November (21.-23.11.) in
Halle/Saale ein. Wer daran Interesse hat, kann mehr Infos unter 01 62-860 89
49 bzw. bekommen.

Direct Action hat vor allem zwei Anliegen: Aufmerksamkeit schaffen, indem
Menschen aus ihrem Alltagstrott und -denken kurzzeitig gerüttelt werden, und
die Vermittlung politischer Inhalte, Kritiken und vor allem Visionen. Die
meisten üblichen Aktionsformen machen entweder das eine oder das andere. Nur
selten schaffen AktivistInnen es, ihre wichtigen Inhalte den Menschen
drumherum zu vermitteln, weil eben die meisten Leute, die bisher nicht
politisiert sind, keinen Bock haben seitenlange theoretische Abhandlungen
ohne besonderen Anlass zu lesen bzw. überhaupt erst an einen Infostand zu
kommen. Oder es gibt eine spektakuläre Aktion (wie bei vielen
Castortransporten gewesen), leider wird aber nichts neues vermittelt (dass
es gegen Atomkraft geht, war vorher schon klar - Kritik an Herrschaft bzw.
Visionen für ein herrschaftsfreieres Leben sind dagegen so gut wie Thema).
Direct Action will einen "Erregungskorridor" erzeugen, der dann mit
politischen Inhalten gefüllt werden kann (und wird). Dazu gibt es viele
Möglichkeiten - prinzipiell ist der Kreativität keine Grenze gesetzt.
Überhaupt gewinnt politische Bewegung oft erst durch eine gewisse
Unberechenbarkeit (z.B. welche Aktionsformen wo und wann zum Einsatz kommen
werden - worauf die Herrschenden sich also einzustellen haben) an
Schlagkraft. Subversive Aktionsformen forcieren diese Unberechenbarkeit.
Legale und illegale, vorhersehbare und völlig unerwartete Aktionen machen es
z.B. den Repressionsorganen schwerer, zielorientiert zu handeln. Kreativer
Widerstand bedeutet aber nicht automatisch bessere Erfolge in der
politischen Arbeit; steigert aber doch die Chancen dazu. Wichtig ist immer
auch, nicht unvorbereitet in Aktionen hereinzuschlittern, wie es leider bei
vielen Aktiven die Regel ist. Schon im Vorfeld sollte mensch sich Gedanken
über den möglichen Ablauf machen und auch die Reaktionen des
Repressionsapparates einplanen und unter Umständen sogar zum Teil der Aktion
machen.

Kreative Antirepression ist ein Aktionskonzept, das als Ergänzung zum
üblichen (und notwendigen!) Repressionsschutz gesehen werden kann. Letzterer
hat zum Ziel Repressalien möglichst zu vermeiden, zu umgehen oder zu
mindern. Das hat oft auch eine verminderte Handlungsfähigkeit zur Folge,
weil auf repressive Maßnahmen nur reagiert wird. Kreative Antirepression
will offensiv mit Repression umgehen, sie an manchen Stellen bewusst (und
überlegt!) herausfordern, um sie ad absurdum zu führen. Manchmal kann sie
sogar Repression verhindern, wenn die Exekutive keinen Bock darauf hat, dass
ihre als Zwangsmittel gedachten Maßnahmen zur Aktion gemacht werden. Klar
ist, dass das nicht immer funktionieren wird und mensch nicht darauf hoffen
sollte. Wichtiger ist, das Ende einer Aktion nicht schon nach der
Veranstaltung zu sehen, sondern die Repression als Teil der Aktion zu
verstehen und zu gestalten. Dabei kann (und sollte) mensch genau so weit
gehen, wie sie/er es sich zutraut und bereit ist, staatlichen Druck in Kauf
zu nehmen. Mit der Zeit und mit einiger Übung können solche Umgangsformen
dann offensiver und vielleicht noch kreativer werden. Nicht vergessen werden
sollte auch bei kreativer Antirepression die Grundforderung des
Repressionsschutzes: keine Aussagen zur Sache!

Subversive Kommunikation kann Herrschaftsverhältnisse demaskieren und auf
unkonventionellem Weg Visionen und Kritik vermitteln und vor allem zum
Selbst-Denken anregen. Ein Mittel ist beispielsweise die
Überidentifizierung. Hier wird z.B. mit Forderungen nach mehr Polizeigewalt
und Überwachung Kritik an selbiger vermittelt. Beim versteckten Theater
agieren mehrere Leute in unterschiedlichen Rollen und regen als scheinbar
Unbeteiligte Diskussionen über Herrschaft und Alternativen an. Mit
gefälschten Schreiben offizieller Behörden können Aktivitäten dieser in den
öffentlichen Mittelpunkt gezogen werden. Eine Ausstellung zu solchen
Aktionsformen ist vom 22. bis 25.10. im Thiembuktu, Thiemstr. 13,
Magdeburg-Buckau, zu sehen.

Drei Workshops und zwei weitere Veranstaltungen sollen in diese Themen
einführen und verschiedene Sichten auf unser konventionelles Handeln werfen.
Außerdem gibt es eine provokative Aktion vor dem LKA, bei der aller
Voraussicht nach Methoden der kreativen Antirepression praktiziert werden
können. Angekündigt wurde diese Aktion als "Molli-Workshop". Hintergrund
ist, dass einer der auslösenden Anschläge für das §129a-Verfahren ein
Molli-Wurf gegen das LKA-Gebäude war. Schon bevor diese Aktion groß beworben
wurde, hat die Polizei sich misstrauisch nach dieser Veranstaltung zu
erkundigen versucht. Wenn sich unsere FreundInnen und HelferInnen so
verhalten wie immer, werden sie versuchen, diese Aktion mit martialischem
Auftreten zu unterbinden. Damit ermöglichen sie uns den Einsatz kreativer
Aktionsmittel, um dieses Herrschaftsinstrumentarium bloßzustellen und ihr
Agieren ins Leere laufen zu lassen. Lieber ein Prozess als gar keine Aktion!
Anders gesagt: die angedrohten Repressalien werden wir für weitere kreative
Aktionen umnutzen. So weiten sich die Möglichkeiten, das LKA und überhaupt
die Polizei als Repressionsorgan öffentlich in Frage zu stellen und
womöglich einen gesellschaftlichen Diskurs anzuregen. Das schlauste wäre,
wenn die Polizei nicht eingreifen würde (dann wäre kreative Antirepression
schwieriger) - das geht aber nicht. Schließlich könnte ja sonst was
passieren...

Ganz besonders möchten wir zur Diskussion über die Abschaffung von Knast,
Justiz und Polizei einladen. Die Formel in der linken Argumentation lautet
meist "Freiheit für alle (linken) politischen Gefangenen". Warum nicht
"Freiheit für alle Gefangenen"? Ist Knast doch gut, obwohl er Mittel zur
Durchsetzung von Herraschaft ist? Manche "Linke" fordern ja sogar mehr
Befugnisse und Repressionsapparate, um die Demokratie zu schützen (z.B.
Internationaler Strafgerichtshof). Es sollte also eine spannende
Auseinandersetzung über politische Forderungen, Sachzwänge und Sinn & Zweck
von Knast geben. Wir wollen versuchen, diese Diskussion im "Fishbowl"-Modell
zu führen. Dabei gibt es einen kleinen Kreis von Leuten, die diskutieren und
einen größeren, der zuhört. Wer diskutieren will, löst eine Person aus dem
inneren Kreis ab (die dann nur noch ihren Gedanken zu Ende formulieren
kann). Durch diese Methode ist eine bessere Diskussion als im Plenum möglich
und außerdem zeigen sich sehr schön die Dominanzverhältnisse beim Reden (wer
ist wie oft im Kreis, reden mehr "Männer" als "Frauen", etc.) und lassen
sich leichter ausschalten. Sollten weniger Leute kommen, könnten einzelne
Aspekte in Kleingruppen diskutiert werden.

22.10. 20.00 Uhr Thiembuktu: Workshop "Einführung in Direct Action"
23.10. 17.00 Uhr Thiembuktu: Workshop "Subversion, Kommunikationsguerilla,
verstecktes Theater, Fakes, etc."
23.10. 19.00 Uhr Thiembuktu: Workshop "Kreative Antirepression"
24.10. 15.00 Uhr LKA (Lübecker Str. 53-63, Magdeburg-Neustadt):
Molli-Workshop
24.10. ab 18.00 Uhr Thiembuktu: vegetarisch/vegane Volxküche
24.10. 18.00 Uhr Thiembuktu: Infoveranstaltung "Tipps & Tricks" (z.B. zu
Fingerabdrücken, Schlössern, Telefonüberwachung + und was ihr sonst an
Fragen habt) 24.10. 20.00 Uhr Thiembuktu: Diskussion "Knast, Justiz, Polizei
abschaffen!?"

Außerdem wird zu diversen Demonstrationen und Kundgebungen am 25.10.
aufgerufen. Ein paar Beispiele:

9.00 Uhr Demo gegen lange Demorouten: Wer hat schon Lust auf diese
ewig-langweiligen Latsch-Demos? Ewige Demorouten, Behinderung des
Straßenverkehrs (was bei allem Klimakollaps durch den Autoverkehr nun
wirklich unangebracht ist), Beschäftigung der Polizei (als hätten die nichts
besseres zu tun - TerroristInnen oder illegale EinwandererInnen jagen), ...
Deswegen eine letzte lange Demo gegen lange Demorouten durch Magdeburg! Die
Demo beginnt um 9°° und endet gegen 21°°.
11.11 Uhr Gegen die bewusste Irreführung d.Polizei: das Maß ist voll! Es
reicht! Schluss mit der bewussten Irreführung der Polizei! Das muss ein Ende
haben! Demobeginn: 11.11 Uhr
12.00 Uhr Demo gegen jegliche Polizeipräsenz: diese Demo richtet sich gegen
jegliche Polizeipräsenz - Abschaffung des Repressionsapparates und aller
anderen Herrschaftsinstitutionen!
16.00 Uhr Demo gegen Polizeigewalt: anlässlich des gewalttätigen
Polizei-Einsatzes während der Anti-§129a-Demo demonstrieren wir vor der
Bereitschaftspolizei in Magdeburg-Cracau. Anschließend gibt es eine
symbolische Besetzung der Kasernen.
16.30 Uhr Demo gegen Auflösung der Anti-129a-Demo: nachdem die Polizei die
Anti-§129a-Demo an diesem Tag aufgelöst haben wird, gibt es eine Demo
dagegen
18.00 Uhr Fake-Demo: am Abend noch soll es eine "Fake-Demo" geben
19.00 Uhr Kundgebung gegen Verhaftungen: gegen die Verhaftungen, die im
Laufe der Anti-§129a-Demo vorgenommen sein werden, gibt es dann eine
Kundgebung vorm Polizeiknast
irgendwann: zuviele Demos am 25.10.: Gegen viel zu viele Demos am 25.10.
ruft der ADACMD zur PKW-Demo vom Uniplatz über den Breiten Weg bis zur
Stadtautobahn-Auffahrt "Damaschkeplatz" auf. Denn diesen ganzen
Demonstrationen behindern den Autoverkehr - und das kann doch niemand
ernsthaft wollen.

(Quelle:  http://www.termine-online.net/)

Die offiziellen Soliveranstaltungen für die §129a-Verhafteten sollten auch
nicht vergessen werden:

24.10. 21.00 Uhr BWA: Soli-Liedermacher-Abend mit Paul der Geiger und Gregor
Hause
25.10. 14.00 Uhr Bahnhofsvorplatz: Bundesweite Demonstration gegen §129a
25.10. 20.00 Uhr Jugendzentrum Knast: Soli-Konzert
25.10. 21.00 Uhr Heizhaus: Soli-Konzert mit ALBINO (HipHop aus Hamburg),
HITBACK (HipHop aus Bielefeld) und Totalverlust (Punk aus Schönebeck)

Ideen, Aktionsberichte und Materialien für direkte Aktionen, kreative
Antirepression, Knast, subversive Kommunikation etc. finden sich auf
 http://www.direct-action.de.vu/.

BWA: Blaue Welt Archiv, Thiemstr. 13, Magdeburg-Buckau; mit Straßenbahnen
2/8 Richtung Westerhüsen/Buckau bis Thiemstr. Thiembuktu: siehe BWA
Heizhaus: Harsdorfer Str. (nahe Olvenstedter Platz) Jugendzentrum Knast: am
Moritzplatz, Magdeburg-Neustadt


e-Mail::  da-md@gmx.de ¦ Homepage::  http://www.direct-action.de.vu ¦ Telefon:
: 01 62-860 89 49

 

21.10.2003
"Direct Action - Tage Magdeburg"    [Schwerpunkt: 129a-Verfahren in Sachsen-Anhalt]  Zurück zur Übersicht

Zurück zur Übersicht