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Gipfelinfo: Evian / Thessaloniki / Göteborg

Gipfelinfo - Meldungen über globalisierte Solidarität
und die Proteste gegen unsolidarische Globalisierung
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- Soliaktion in Barcelona: Seit 5 Tagen in 45m Hoehe
- Genfer Polizeidirektorin verantwortlich für Sachschäden etc
- Offener Protest-Brief an Schweizer Botschaft (wg.G8-Gipfel-Vorkommnissen)
- Thessaloniki: Bericht vom Mittwoch dem 18.
- Joint Venture gegen Globalisierungskritiker
- "Anderes Europa" ruft nach Thessaloniki

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Soliaktion in Barcelona: Seit 5 Tagen in 45m Hoehe

Seit 5 Tagen haengen Aktivisten in Barcelona von der Schweizer Botschaft mit den
Forderungen nach einer unabhaengigen Untersuchung, der Uebernahme saemtlicher
anfallender Kosten und der Dienstsuspendierung verantwortlicher Polizisten.

In Solidaritaet mit den Repressionsopfern des G8, insbesondere mit Martin und
Gesine, die beinahe umgekommen waeren, als das Seil ueber der Autobahnbruecke
durchgeschnitten wurde.

Die schweizer Botschaft ist nur wenig am Dialog interessiert, die Aktivisten
bleiben halten weiterhin durch, der oeffentliche Druck steigt...

Kontakt aubonne gruppe:  dontletmedown@web.de

Barcelona, Schweizer Botschaft: 2 Aktivisten seit 5 Tagen in 45 m Hoehe
Seit 5 Tagen haengen 2 Companeros von der Fassade der Schweizer Botschaft
in Barcelona. Heute um 8 h sind es 110 Stunden.

Eine Gruppe von 10 Aktivisten besetzte letzten Freitag das Buero der
Schweizer Botschaft in Barcelona. Gleichzeitig seilten sich 2 Kletterer
von dem 12 stoeckigen Gebaeude ab.
Heute, 5 Tage spaeter, ist die Besetzung immer noch nicht beendet. Die
Gruppe im Buero wurde Samstag Nacht von der spanischen Polizei geraeumt,
die Kletterer jedoch haengen immer noch aussen am Gebaeude.

Die Aktion wurde gestarted in Solidaritaet mit den von der Repression
waehrend des G8 Gipfels betroffenen Menschen, insbesondere mit Martin und
Gesine. Diese hatten sich, jeder auf einer Seite, auf der Autobahnbruecke
Aubonne von einem quer ueber die Autobahn gespannten Seil abgeseilt, um
die Delegierten auf ihrem Weg nach Lausanne zu stoppen. Es handelte sich
um eine gut geplante Aktion, die den Umstaenden entsprechend sicher war,
bis die Polizei eintraf, und den Verkehr wiedereroeffnete, indem sie
gefaehrlicherweise das Seil anhoben und die Autos passieren liessen. In
einem Moment von unglaublicher Kaltbluetigkeit, zog ein Polizist ein
Messer und schnitt das Seil durch! Martin fiel 25 m in die Tiefe, ist
jetzt im Krankenhaus, und Gesine konnte gerade noch gerettet werden, weil
die Aktivisten auf der Bruecke im letzten Mom ent das Seil festhielten.

Die Aktion in Barcelona ist darauf gerichtet, die Schweizer Behoerden fuer
ihre unglaubliche Vorgehensweise waehrend des Gipfels zur Verantwortung zu
ziehen.

Die Forderungen der Kampagne an die Schweitzer Behoerden beinhalten eine
Untersuchung der Polizeiinterventionen waehrend des Gipfels, insbesondere
des Vorfalls auf der Bruecke.
Ausserdem wird gefordert, dass alle anfallenden medizinischen und legalen
Kosten vom Kanton de Vaud uebernommen werden und Schadensersatz gezahlt
wird, sowohl alle an der Aktion beteiligten von dem Vorwurf der
Verkehrsstoerung befreit werden.
Gegen den Polizisten laeuft bereits ein Untersuchungsverfahren.

Die Schweizer Botschaft verweigert, auf diese Forderungen einzugehen und
ist nur wenig dialogbereit. Die Kletterer sind bestimmt: ? Wir kommen erst
runter, wenn unsere Forderungen erfuellt sind!?

[indymedia.de, von Aubonne Gruppe - 18.06.2003 18:29]


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Genfer Polizeidirektorin verantwortlich für Sachschäden etc

In einer Sitzung des des Grossen Rates hat Micheline Spoerri offiziell
zugegeben, dass es der Polizei untersagt war, gegen die Verursacher der
Sachbeschädigungen während des G8 am frühen Sonntagmorgen in der Genfer
Innenstadt vorzugehen. Der Grund: Hätte es keine Krawalle gegeben, hätte die
Stadt Genf die auswärtigen PolizeibeamtInnen aus eigener Tasche bezahlen müssen.
Die Polizei, aufgebracht durch Vorwürfe in den Medien, die Sachschäden
zugelassen zu haben, hatte bekanntlich darauf u.a. mit Schockgranaten deutlich
überreagiert.
EINSATZBEFEHL: "UNBEHELLIGT SCHAUFENSTER EINSCHLAGEN LASSEN"

Nun ists offiziell: Die zunächst laut Spoerri zunächst nur mit 16 Mann in der
Innenstadt vertretene "überforderte" Polizei durfte gemäss Einsatzbefehl auch
dann noch nicht gegen Sachbeschädiger vorgehen, nachdem längst eine Verstärkung
mit weiteren 120 Mann engetroffen war. (Der Genfer Polizeikommandant hatte sich
bekanntlich zuvor noch mit dem Märchen herauszureden versucht, seine Mannen
seien durch die Kritik an den Polizeiübergiffen vom 29.3.03 im Bahnhof
Genf-Cornavin "gehemmt gewesen", von ihren Einsatzmitteln gebrauch zu machen,
siehe Kommentar "Traumatisierte" Genfer Polizei + mehr Lügen:
 http://de.indymedia.org/2003/06/54092.shtml .) In der Folge beklagten sich auch
Genfer Richter, ihnen seien mit den (inzwischen wieder freigelassenen
Verhafteten) vom G8 "nur kleine Fische" zugeführt worden.

FINANZIELLE HINTERGRÜNDE

Was zunächst unglaublich klingen mag, hat letztlich handfeste finanzielle
Hintergründe: Genf hatte lange mit der Berner Bundesregierung um zusätzliche
Polizeikräfte gestritten (und dabei dauernd Schreckensszenarien eines von
200'000 "ausländischen Chaoten" überranten "brennenden Genfs" heraufbeschworen).
Auch als über 700 Beamte aus der übrigen Schweiz zugesprochen wurden, gab
Spoerri noch nicht locker: 1000 zusätzliche deutsche BeamtInnen müssten her,
damit Genf nicht im Chaos versinke. Schliesslich gab die Bundesregierung nach.
Es wurde jedoch vereinbart, dass Genf die zusätzlichen BeamtInnen (alleine die
deutsche Verstärkung kostet 4 Millionen Franken) aus eigener Tasche bezahlen
müsse, falls sich ihre Anwesenheit nicht nachträglich rechtfertigen lasse.

Ein Fakt, der mittlerweile auch in den schweizer Medien aus naheliegenden
Gründen schlicht nicht mehr erwähnt wird: Schliesslich könnte sich sonst jedeR,
der/die 1+1 zusammenzählen kann, selber ausrechenen, weshalb es unter diesen
Umständen wohl einfach zu Ausschreitungen mit Sachschäden "kommen musste". (Die
Sachschäden, welche die Stadt allenfalls mitzutragen hat, sind immer noch weit
kleiner als der Betrag, der ohne Sachschäden für die auswärtigen PolizistInnen
hätte bezahlt werden müssen.)

So ist es auch höchst zweifelhaft, dass die nun einberufene
"Ausserparlamentarische Untersuchungskommission" irgend etwas zu Tage fördern
wird, was ihrer Auftraggeberin, der Stadt Genf, zu einem finanziellen Nachteil
gereichen würde.

BEAMTINNENFRUST & POLIZEIGEWALT

Nebeneffekt dieses "Kuhhandels": Betroffene Geschäftsleute, die nicht verstehen
konnten, wie die Polizei wortwörtlich tatenlos zuschaute, wie ihre Geschäfte
zerstört wurden, hatten sich in den lokalen Medien lautstark über die
Tatenlosigkeit der Polizei beschwert, was -- im Gegensatz zu den
deutschschweizer Medien -- zu scharfen Leitartikeln und bissigen Kommentaren
führte. (Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht bekannt, dass der Einsatzbefehl den
betroffenen BeamtInnen verhaften von SachbeschädigerInnen buchstäblich
untersagte.) Bei manchen PolizeibeamtInnen scheint dies offensichtlich zu einem
nicht unerheblichen Frustpotenzial geführt zu haben, dem einige darauf u.a. mit
"Schockgranaten" Luft verschafften -- mit den bekannten Folgen. Dass Spoerri
dazu ausführt, auch bei der Demo am Sonntag (an der u.a. der Medienschaffende
Guy Smallman gezielt mit "Schockgranaten" gejagt und verletzt wurde) "sei wegen
den zahlreichen Schaulustigen kein Einsatz gegen gewalttätige Demonstranten
möglich gewesen", setzt dieser schier unglaublichen Arroganz der Macht nur noch
die Krone auf. Hingegen erklären diese Hintergründe, weshalb auch noch an den
darauffolgenden Tagen immer wieder Medienschaffende Opfer von gezielten
Übergriffen wurden (vgl. z.B.  http://de.indymedia.org/2003/06/53637.shtml ,
inbesondere die Bilder "Journalist wird verhaftet, verprügelt und sein Band
beschlagnahmt" / "Wunde am Kopf des Journalisten").

PARALLELEN ZU GENUA

- Auch in Genua stellte sich bekanntlich schon die Frage, weshalb eine kleine
Gruppe stundenlang unbehelligt Sachbeschädigungen verüben konnte, die nachher
seitens der Obrigkeit als Rechtfertigung für später erfolgte Polizeiübergriffe
instrumentalisiert wurden.

- Auch in Genua wurde dies (nebst inzwischen geruichtlich bestätigter
Vorspiegelung falscher Tatsachen) schon zum Anlass für die Stürmung des IMC mit
noch viel massiveren Übergriffen genommen -- auch aus Genf gab es jedoch die
bekannten Bilder von Verletzten und zerstörten IMC-Räumen mit Blutflecken am Boden.

- Wetten, dass auch in Genf kein einziger Polizist verurteilt werden wird? Und
alle Magistraten Spoerri für ihren gelungenen finanziellen Schachzug
applaudieren werden?

13.6.03 22:10 - Agenturmeldung
Genfer Polizeidirektorin übernimmt Verantwortung für Verwüstungen
GENF - Die Genfer Polizeidirektorin Micheline Spoerri hat vor dem Genfer Grossen
Rat die Verantwortung für die eingeschlagenen Schaufenster übernommen.
Globalisierungsgegner hatten am Samstagabend vor der G-8-Demonstration von der
Polizei unbehelligt gewütet.
Die für den G-8-Gipfel in Genf stationierten Polizeikräfte seien zum grossen
Teil an den heiklen Punkten wie dem Flughafen stationierten gewesen, sagte
Spoerri vor dem Genfer Kantonsparlament. Für die Sicherung des Stadtzentrums
seien nur rund 16 Beamte zur Verfügung gestanden.

Diese wurden rund eine Viertelstunde nach dem ersten Alarm, gegen 23.15 Uhr,
durch rund 120 Beamten verstärkt, die sich auf Pikett befanden. Deren Aufgabe
bestand vor allem darin, Plünderungen von eingeschlagenen Schaufenstern zu
verhindern.

Gemäss Micheline Spoerri sind die Globalisierungsgegner bei ihrer Aktion vom
alternativen Kulturzentrum Usine aus gestartet. Dorthin seien sie wieder
zurückgekehrt und in der Menge der Usine-Besucher untergetaucht. Eine
Polizeiaktion in der Usine wäre wegen den vielen Besuchern zu gefährlich gewesen.

Auch bei der Grossdemo vom Sonntag sei wegen den zahlreichen Schaulustigen kein
Einsatz gegen gewalttätige Demonstranten möglich gewesen. Erst am Sonntagabend
konnte in der Usine auf Anordnung von Staatsanwalt Daniel Zappelli eine Razzia
durchgeführt werden. (sda)
Quelle:  http://tagi.ch/dyn/news/newsticker/106172.html?art=newsticker

Schweiz 14.6.03 10:01 -- Tages-Anzeiger Online
Untersuchung zu Anti-G-8-Demos
Die Genfer Abgeordneten stimmten am Freitag fast einstimmig für eine
Ausserparlamentarische Untersuchungskommission zur Untersuchung der Unruhen am
Rande des G- 8-Gipfels.
Die Kommission wurde vom Regierungsrat in Absprache mit dem Grossratsbüro
gegründet. Es wird ihre Aufgabe sein, die Handlungen der Regierung, von Justiz
und Polizei im Rahmen der Organisation und Durchführung der
Anti-G-8-Demonstrationen zu überprüfen.
Die Genfer Polizeidirektorin Micheline Spoerri hatte zuvor vor dem Genfer
Grossen Rat die Verantwortung dafür übernommen, dass Globalisierungsgegner am
Samstagabend vor der G-8-Demonstration von der Polizei unbehelligt Schaufenster
einschlagen konnten.
Quelle:  http://tagi.ch/dyn/news/schweiz/285535.html
Homepage::  http://PigBrother.info

[indymedia.ch, PigBrother, 15.06.2003 01:09]


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Offener Protest-Brief an Schweizer Botschaft (wg.G8-Gipfel-Vorkommnissen)

Sehr geehrter Herr Botschafter
Am Sonntag ,den 1.6. befand ich mich abends im "Unabhängigen Medienzentrum" in
der "lŽUsine"/Genf.
Ich sass ca. seit 10 Min. am Computer, als das Gebäude von vermummten und
verkleideten Polizisten gestürmt wurde.
Ohne jede Vorwarnung oder Erklärung wurde ich und ca.10 weitere Menschen die im
Gebäude waren (z.T. in der Küche beschäftigt oder auf Tee oder Essen wartend)
festgenommen.
Ich wurde auf den Boden gedrückt und meine Fragen wer sie seien und was sie
wollten bzw. mir vorwerfen ,wurden mit Tritten ,Schlägen und Stössen (mit einem
ausziehbaren Metallschlagstock) beantwortet.
Ich konnte keine Namen oder Nummern der beteiligten Beamten erfahren und bekam
Schläge und mein T-shirt über den Kopf gezogen.
Nebenbei wurden mir Plastikfesseln so fest angelegt ,dass meine Hände
anschwollen und taub wurden (diese wurden nach meiner Beschwerde -später-
zweimal abgeschnitten und durch neue ersetzt ,die fast genauso fest anlagen.
Die Folgen (Taubheitsgefühle und Striemen) davon spürte ich noch ca. 7
Tage.
Als ich zu den anderen Verhafteten runter in die Vorhalle geführt wurde sah ich
2 Verletzte mit Blut am Kopf.
Unweigerlich erinnerte mich dieser Übergriff an den Überfall auf das
"Medienzentrum" in Genua (2001 ,jedoch nicht so brutal).
Nach einer "Leibesvisitation" auf der Polizeiwache ,bei der wir sogar
unseren nackten Hintern zeigen mussten ,wurde ich und 2 weitere ca. 10 Kilometer
aus Genf hinausgefahren und ausgesetzt mit dem Hinweis es gäbe ja Busse.
Bei dem ganzen Vorfall wurde meine Jacke und Rucksack beschädigt (eingerissen).
Ich bin natürlich nicht so naiv zu glauben ,dass ich Schadenersatz bekomme oder
die zuständige Einsatzleitung bzw. das Überfallkommando zur Rechenschaft gezogen
wird.
Jedoch ist es mir wichtig dass diese Vorkommnisse öffentlich werden .
Ich schliesse mich deshalb dem Protest der ATTAC-Bewegung an ,die bereits einen
Besuch bei Ihnen in Berlin gemacht haben.
Vor allem muss ich noch den "verbrecherischen Vorgang" des Abschneidens -durch
Polizeibeamte- eines unter einer Brücke (zw.Genf und Lausanne) hängenden
Aktivisten erwähnen ,der dabei schwer verletzt wurde.
Ich und die Lesenden dieses offenen Briefes sind sehr an einer Stellungsnahme
von Ihnen interessiert.

Mit freundlichen Grüssen
Jürgen Hahnel

[indymedia.ch, Jürgen Hahnel, 17.06.2003 10:44]


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Thessaloniki: Bericht vom Mittwoch dem 18.

Eine Aktion, die Schule machen koennte: ploetzlich loesen sich aus der Menge der
Passanten drei Leute und schlagen mit einer bereitgelegten Eisenstange die
Scheibe einer Video-Ueberwachungsanlage, von denen in der letzten Zeit 40 Stueck
in Thessaloniki aufgestellt wurden, ein. Dass weitere 10 Aktivisten im Umkreis
von 20 Metern die Aktion sichern, bemerkt von den Umstehenden niemand. Zwar
werden ein paar "Hey"-Rufe eines Opis laut, doch die Passanten einschliesslich
der beiden Verkehrspolizisten gegenueber sowie des zufaellig anwesenden
Fernsehteams sind viel zu ueberrascht, um so schnell reagieren zu koennen. Die
Beteiligten hatten sich aus mehreren heimischen und internationalen
Zusammenhaengen spontan zusammengerauft.

Der Aktionspegel steigt an. Vor der EU-Vertretung kam es zu einer
Protestkundgebung, auch ein 15-koepfiges Plakatierer-Team zog kleisternd durch
die Stadt, lediglich von ziviler Polizei beobachtend begleitet. Doch auch sonst
beginnt sich die Stimmung in der Stadt nun merklich zu aendern. Zumindest bei
den Besitzern der Geschaefte mit den Auslagen fuer die Upper-Class geht die
Panik um. Dutzende von Schlossereien sind unterwegs, um die Schaufenster mit
Wellblechen zu verbarrikadieren. So duerften manche Bezirke wie der
Kudamm-aehnliche Abschnitt der Hauptstrasse Egnazia bis Samstag zu
Aluminiumschluchten verarbeitet sein. Das ist hier eine voellig neue Reaktion.
Zwar waren symbolische Angriffe auf Banken und Geschaefte in der Vergangenheit
nicht selten, doch diese Angst hat eine neue Dimension, die auch nicht wenige
Aktivisten ueberrascht.

Die Polizei hat nun an eingen Stellen mit 15-Mann-Trupps Position bezogen. Dabei
ist jeweils einer mit einer MP bewaffnet, ansonsten tragen die Beamten
Plastikschoner und teilweise auch Helme am Guertel. Auch die mit Gittern
versehenen Wasserwerfer der Feuerwehr, die sonst Braende loeschen, werden an
praegnanten Stellen praesentiert. Manche Polizisten ueben sich bereits im
Drangsalieren von mutmasslichen Demonstranten. So wurde das UK-Indymedia-Team
angepoebelt, geschubst und getreten. Dabei sind dies wohl noch heimische Cops,
die im Moment noch im Einsatz sind. Besonders brutal duerften Einheiten aus der
Athener Gegend agieren, da in Griechenland ein ethnischer Konflikt zwischen
diesen beiden Metropolen schwelt, der von der ueberwiegenden Mehrheit auf dem
"Schwaben-Badenser-Niveau", von Fussballhooligans und Robocops jedoch mit
Knueppeln ausgetragen wird. Es wird erwartet, dass die Athener Bullen den
"Bulgaren" mal so richtig zeigen, wo es lang geht. Vereinzelte Forderungen
rechter Politiker nach dem Einsatz von Polizei-Einheiten aus anderen
europaeischen Laendern - auch aus Deutschland - konnten sich im Gegensatz zum
Gipfel in Evian nicht etablieren.

Bereits gestern abend waren kleinere Polizei-Einheiten zwischen Campus und
Innenstadt mit Traenengas-Gewehren aufmarschiert. Etwa 2000 Menschen besuchten
das Konzert der bekannten griechischen Underground-Band Deus X Machina, die
Stimmung war hoellisch gut. Ab dem spaeten Abend waren immer mehr internationale
Gaeste auf dem Uni-Gelaende eingetroffen, auch die Jugend der Stadt war fuer
einen Arbeitstag am Anfang der Woche gut praesent. Auch sonst war auf dem Campus
einiges los. an mehreren Stellen sassen Leute diskutierend in ihren kleinen
Zelt-Camps, Neugierige schlenderten durch die Gegend, Besetzer und studentische
Aktivisten begannen mit den Vorbereitungen fuer die Demonstrationen - malten
Transparente im Akkord. Insgesamt waren stets wohl 3000 Menschen im
Universitaetsbezirk unterwegs.

Der Chef-Hausmeister wusste wohl, warum er beim Besuch mit seiner Frau ein
entspanntes Laecheln herumtragen konnte. Zwar hat das Parolen-Spruehen einen
ganz schoenen Umfang angenommen, doch das Aufrauemen klappt mit Unterstuetzung
der offiziellen Putzkolonne so gut und so schnell, wie die Infrastruktur mit
Essens- und Getraenkeversorgung. Zwar ist dies keine gut organisierte Volxkueche
mit stets erhaeltlichem warmen Essen, doch man findet in der Umgebung zur Not
haufenweise kleine Buden mit preisguenstigen Snacks und Speisen. Direkt an die
Uni grenzt das Studentenviertel mit vielen alternativen Laeden.

Neben den Anti-Autoritaeren, die die theologische Fakultaet besetzt halten,
logiert der blackbloc aus dem Umfeld der "Schwarzen Katze", einem besetzten Haus
am Rande des Migrantenviertels, in der philosophischen Fakultaet. "Die glauben
eher an eine Bewegung und wir an das Individuum", charakterisiert ein
Jung-Anarcho vor der "Philosophischen" den Unterschied. Auffallend ist jedoch
auch die Altersdifferenz zu den meisten der Anti-Autoritaeren. Die beiden
Fluegel der Anarchisten haben sich allerdings gut arrangiert.

Auch die Zusammenarbeit zu anderen Fraktionen auf dem Gelaende ist gegeben, wenn
auch auf kleiner Flamme. Gegenueber den Leuten der Kampfinitiative, die die
Poytechnische Schule besetzt haelt, ist dies jedoch auch ein gewisser Schutz.
Dieses Gebaeude wird mit Unterstuetzung der Studentenvertretung genutzt. Hier
sind ohnehin mehrere kleine Besetzungs-Initiativen taetig, von einem Uni-Buero
der "Schwarzen Katze", das schon seit ueber drei Jahren besetzt gehalten wird,
ueber eine Theater- und eine Fotogruppe bis zur Fachschaft der Architekten, die
ziemlich aktiv und radikal ist. Bei einer kaputtgebauten Stadt wie Saloniki ist
dies jedoch nicht verwunderlich.

Dass die Besetzungen von der Polizei derart geduldet werden, hat einen
Haupthintergrund: am 17. November 1973 wurden bei einem Studentenaufstand in
Athen gegen die Militaerdiktatur mindestens 23 Studenten getoetet. Anlaesslich
des Jahrestages wird in Athen jedes Jahr zum Angedenken das Polytechnische
Institut besetzt, ein Eindringen der Polizei auf Gebiet von Universitaeten wird
auch von weiten Teilen der etablierten Politik als Sakrileg betrachtet. Die
Aktivisten von Indymedia Thessaloniki rechnen jedoch spaetestens fuer Samstag
mit einer Polizei-Aktion zumindest in dem von ihnen besetzten Jura-Trakt, in dem
sich auch das Medical und das Legal-Team eingerichtet haben. Das Uni-Tabu ist
denen schon lange ein Dorn im Auge. Die Oeffentlichkeit wurde mit Hysterie in
Stimmung gebracht, es kommen wohl ueber 100.000 in die Stadt, es wird etwas mehr
kaputt gehen als sonst - die Lage ist also guenstig, es zu brechen.

Bis dahin werden jedoch das Kulturangebot auf zwei Buehnen, die vielfaeltigen
Meetings und Hearings sowie die politische Agitation in der Stadt weiter gehen
und es tut mir leid, dass ich mangels Platz und Zeit vorlaeufig nur einen
Ueberblick geben kann. Der Verweis auf die Geruechtekueche und der Apell an die
Leser, Infos vorsichtig zu geniessen und am Ball zu bleiben, betrifft uebrigens
auch mich. So war auf einem Bild gestern irrtuemlich der Eingang zum
Messegelaende als Uni-Eingang betitelt und die Einschaetzung der ruhig
bleibenden Geschaeftsleute war ebenfalls falsch, was hier allerdings auch
Etliche ueberrascht hat. Einen Blick auf Aktivitaeten der Kommunisten, des
reformistischen Griechischen Sozialforums (GSF) oder Berichte von anderen Camps
weiter weg kann ich gar nicht geben.

Zwei Probleme bremsen hier: die Leute mit guten Info-Background sind meistens
vollkommen beschaeftigt, die anderen koennen nicht so gut Auskunft geben und das
Englisch der Meisten ist - hauptsaechlich die Aussprache betreffend - auch nicht
besonders gut.

[indymedia.de, von Armin Reich - 18.06.2003 22:22]


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Joint Venture gegen Globalisierungskritiker

Die deutsche Justiz ermittelt in Amtshilfe gegen elf AktivistInnen, die 2001 in
Schweden demonstrierten
BERLIN taz Zwei Jahre nach den Protesten gegen den EU-Gipfel in Göteborg
ermittelt die deutsche Justiz in Amtshilfe für ihre schwedischen Kollegen noch
immer gegen Globalisierungskritiker aus ganz Deutschland. Von elf laufenden
Ermittlungsverfahren in sechs Bundesländern berichteten Verteidiger und
Betroffene am Montag in Berlin. In zwei Fällen verhängten Gerichte in Berlin und
Bremen "auf einer fragwürdigen rechtlichen Basis," wie Wolfgang Kaleck,
Vorsitzender des Republikanischen Anwaltsvereins, betont, Haftstrafen auf Bewährung.
Den 24-jährigen Germanistikstudenten Timm K. verurteilte das Landgericht Berlin
im März wegen "schweren Landfriedensbruchs" und "versuchter gefährlicher
Körperverletzung" zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf drei Jahre
Bewährung. Der Vorwurf: Timm K. habe bei einer Anti-Gipfel-Demonstration Steine
auf eine Bank und Polizeibeamte geworfen. Der bis dato unbescholtene Student
erfuhr erst Anfang Januar, dass gegen ihn wegen seiner Teilnahme an den
Protesten in Göteborg ermittelt wurde. Da durchsuchten Berliner Polizisten seine
Wohnung, ein Haftrichter ordnete 34 Tage Untersuchungshaft an.
Im Mai vergangenen Jahres hatte die Göteborger Staatsanwaltschaft nach beendeter
Auswertung von hunderten Stunden Videomaterial und Personenkontrolldaten ihre
Ergebnisse an die deutschen Strafverfolger weitergeleitet. Die Behörden gehen
davon aus, dass der deutsche Straftatbestand "schwerer Landfriedensbruch" mit
dem schwedischen "gewalttätigen Aufruhr" gleichzusetzen ist und die Prozesse
deshalb in Deutschland geführt werden können.
Das hält Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck für fragwürdig. Er kritisiert, die
deutschen Staatsanwaltschaften würden das übersandte Beweismaterial - zumeist
Videoaufnahmen von Krawallsituationen - nicht sorgfältig auf Widersprüche
prüfen. Die stecken wie so oft im Detail: So behauptet die Staatsanwaltschaft,
dass Steine in Heckscheiben von Polizeiautos geflogen seien, Videos zeigen
dagegen eine zerbrochene Frontscheibe. Bedenklich sei auch, dass die
Verteidigungsmöglichkeiten erheblich eingeschränkt seien, weil die Betroffenen
im Falle einer Verurteilung sämtliche Reise- und Unterbringungskosten für die
schwedischen Zeugen der Anklage übernehmen müssten. Im Fall von Timm K. bot die
Staatsanwaltschaft zwölf Zeugen auf - mit zwei Ausnahmen allesamt schwedische
Polizeibeamte. Deren schriftliche Aussagen hatten wenig Bezug zum Tatvorwurf,
beschrieben aber in dramatischem Tonfall den Göteborger "Ausnahmezustand".
Für die 26-jährige Monica K. haben die schwedisch-deutschen
Joint-Venture-Ermittlungen schon jetzt Konsequenzen. Zu den Protesten gegen den
G-8-Gipfel in Genua durfte die Berlinerin aufgrund eines Ausreiseverbots der
Innenbehörde gegen vermeintlich gewaltbereite Demonstranten nicht fahren.
Stattdessen musste sie sich täglich bei der Polizei melden. Eine Entscheidung,
die im Nachhinein vom Verwaltungsgericht Berlin zwar für rechtswidrig befunden
wurde, allerdings knapp zwölf Monate zu spät. " HEIKE KLEFFNER

[taz Nr. 7081 vom 18.6.2003]


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"Anderes Europa" ruft nach Thessaloniki

Globalisierungskritiker sehen wachsende Repression
Vor dem am Freitag beginnenden EU-Treffen im griechischen Thessaloniki wird
europaweit zu Gegenveranstaltungen mobilisiert. Unterdessen macht den Kritikern
die juristische Aufarbeitung vergangener Gipfelproteste zu schaffen.
Den beschaulichen Flecken auf der Halbinsel Chalkidiki im Norden des Landes
dürfte die amtierende griechische EU-Ratspräsidentschaft mit Bedacht als
Veranstaltungsort des EU-Gipfels gewählt haben: Hier, 100 Kilometer von der
Metropole Thessaloniki entfernt, sollen die Staats- und Regierungschefs der
Europäischen Union zwei Tage ungestört von Protesten über den jüngst vorgelegten
Entwurf für eine EU-Verfassung beraten können. Das nach langem Tauziehen vom
Verfassungskonvent verabschiedete Papier war auf dem politischen Parkett
überwiegend als Schritt in die richtige Richtung begrüßt worden.
Ungeachtet dessen haben europaweit Initiativen zu Gegenveranstaltungen
mobilisiert: Der Verfassungsentwurf, so die Kritik, missachte wichtige
demokratische Grundrechte und räume sozialen Belangen zu wenig Raum ein. Zudem
fordern Gegner wie Befürworter des europäischen Einigungsprozesses
Volksabstimmungen über eine künftige EU-Verfassung. Die in der European
Referendum Campaign zusammengeschlossenen rund 100 Organisationen sorgen sich
vor allem um die demokratische Legitimierung eines europaweiten Grundgesetzes.
Im Zentrum der kommenden Proteste in Thessaloniki wird ein dreitägiger
Gegengipfel stehen, auf dem nach dem Willen des organisierenden griechischen
Sozialforums das "andere Europa, das Europa der Bewegungen" zu Wort kommen wird.
Das Forum wird unter anderem von der im Parlament vertretenden Koalition der
Linken "Synaspismos" unterstützt und hat in den letzten Wochen auch
Unterstützung von Medien und Gewerkschaften erhalten. Darüber hinaus haben
antikapitalistische Organisationen zu einem internationalen Camp in die
zweitgrößte griechische Stadt geladen, antiautoritäre und anarchistische Gruppen
machen für die "Bewegung Saloniki 2003" mobil. Zu der für Freitag geplanten
zentralen Demonstration gegen das EU-Treffen erwarten die Organisatoren
Zehntausende Teilnehmer.
Unterdessen wächst der staatliche Druck auf EU- und Globalisierungskritiker. Für
den kommenden Gipfel wird erneut mit einer Einschränkung der Demonstrations- und
Meinungsfreiheit gerechnet, nachdem die Behörden erklärt hatten, Proteste würden
zwar möglich sein, "aber nicht wo und wie man will". Bei vorangegangenen Treffen
von Staats- und Regierungschefs war die Polizei immer wieder gegen
Demonstrationen vorgegangen.
Darüber hinaus verschärfen offenbar die staatlichen Ermittlungsbehörden ihr
Vorgehen gegen die "Gipfelstürmer". Am Montag informierten in Berlin betroffene
Globalisierungskritiker und Rechtsanwälte über die sich verstärkende Repression
im Zuge der hochkarätigen Politveranstaltungen. So sind beispielsweise auch noch
zwei Jahre nach dem EU-Gipfel im schwedischen Göteborg, bei dem es zu massiven
Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Demonstranten gekommen war,
europaweit immer noch zahlreiche Strafverfahren anhängig.
Im Frühjahr verurteilte ein Gericht einen Berliner Göteborg-Demonstranten wegen
angeblicher Steinwürfe zu einer verhältnismäßig hohen Strafe von zwei Jahren
Haft auf Bewährung. Einreiseverbote, Meldeauflagen und Einträge in
internationale Dateien der Ermittlungsbehörden betreffen inzwischen immer mehr
Globalisierungskritiker. Vorfälle wie die gezielten Polizeischüsse auf
Protestierende, bei denen in Göteborg mehrere Menschen zum Teil schwer verletzt
worden waren, wurden dagegen nach wenigen Wochen ohne Konsequenzen zu den Akten
gelegt.
Scharfe Kritik am juristischen Vorgehen gegen alternative Bewegungen äußerte am
Montag Wolfgang Kaleck, Rechtsbeistand von Betroffenen und Vorsitzender des
Republikanischen Anwaltvereins. Offenbar solle "der Spielraum oppositioneller
Kräfte im europäischen Maßstab immer mehr beschränkt" werden. Dabei werde die
Doppelmoral der Regierenden deutlich: Ausgerechnet jene, die die vielerorts
geforderte "europäische Öffentlichkeit" mit - wenn auch kritischem und bisweilen
radikalem - Leben füllten, würden durch die wachsende Repression zum Schweigen
gebracht, sagte Kaleck.

[Neues Deutschland, 17.06.03]

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gipfelsoli infogruppe

Die AutorInnen der Beiträge, so sie nicht von uns verfasst sind, sind
mit eckigen Klammern versehen. Wir können leider keine Verantwortung
für die Richtigkeit der Beiträge übernehmen. Auch geben die Beiträge
nicht zwangsläufig unsere Meinung wieder.

Kontakt, Kritik, Beiträge:  gipfelsoli@nadir.org

 

19.06.2003
gipfelsoli-infogruppe   [Aktuelles zum Thema: Globalisierung]  [Schwerpunkt: G8 Treffen in Evian]  Zurück zur Übersicht

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