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Hamburg: GEGEN EINE WELT DER KRIEGE! DEMONSTRATION - FREITAG 21.02.03 - 15.30 UHR - GÄNSEMARKT

Am Freitag, den 21. Februar findet in Hamburg eine Demonstration gegen
den sich ankündigenden Krieg gegen den Irak. Auftakt ist 15.30 am
Gänsemarkt.
Diese Demonstration wendet sich ebenso gegen die kriegstreiberische
Politik der US-Administration wie gegen die Kalküle Deutschlands und
anderer europäischer Staaten, die unter dem Deckmantel der Friedensliebe
knallharte Geopolitik betreiben.

Echte Lösungen kommen von unten...

Aufruf:

GEGEN EINE WELT DER KRIEGE

Die US-Administration bereitet seit einem Jahr propagandistisch und
militärisch einen Krieg gegen den Irak vor. Aber was sie ebenso plakativ
wie schwammig "Krieg gegen den Terror" nennen, ist offensichtlich der
Teil einer Strategie zur Sicherung der US-amerikanischen Hegemonie.

Die USA sind seit Ende des Ost-West-Konflikts die alleinige Supermacht
auf der Welt. Diese Position wollen sie behaupten und ausbauen. Die
Kontrolle des Nahen Ostens und seiner bedeutenden Öl-Vorkommen ist Teil
dieser Strategie und der tatsächliche Grund für den Krieg gegen den Irak.
Die Anschläge vom 11.9.2001 haben diese Entwicklung lediglich erheblich
beschleunigt, denn der "Krieg gegen den Terror" gibt den hegemonialen
Strategen ein hervorragendes Propagandainstrument an die Hand. Sie
benutzen die Betroffenheit und Empörung, die die Anschläge ausgelöst
haben, zur Legitimation militärischer Intervention.

Einige EU-Staaten, insbesondere die BRD und Frankreich, stellen sich
gegen diesen Krieg, denn die US-Intervention bedroht die strategischen
Interessen Europas im Nahen und Mittleren Osten. Die entstehende
politische Europäische Union ist noch schwach, und kurzfristige
taktische Vorteile sind vielen Regierungen wichtiger als langfristige
Positionierungen. Aber wie auch immer dieses transatlantische und
innereuropäische Kräftemessen ausgeht: es werden keine moralischen
Widersprüche verhandelt, sondern politische und - vor allem -
wirtschaftliche.

Die UNO ist in diesem Schauspiel Bühne, Geisel und Waffe zugleich. Die
hehren Grundsätze, auf denen ihre moralische Legitimationskraft beruht,
spielen in Wirklichkeit keine Rolle. Ebenso wird eine demokratische
Ordnung im Nachkriegs-Irak bestenfalls ein Abfallprodukt sein,
vielleicht aber auch nur ein frommer Wunsch - in der Wahl ihrer
Handlanger waren diese Mächte nie sehr wählerisch.

Die US-Administration führt mit kaum verhüllter Offenheit das Recht des
Stärkeren wieder in das legitime Instrumentarium moderner Machtausübung
ein. Sie wird mit Sicherheit viele Nachahmer finden, unter ihren
Verbündeten wie unter ihren Feinden. Unter dieser Eskalation werden
viele politische und soziale Prozesse zu leiden haben - und Menschen,
weit über den Irak hinaus.

Wir müssen den Kampf um die gerechte Ordnung der Welt in die eigenen
Hände nehmen: sowohl um die Verteilung der materiellen Ressourcen und
Reichtümer dieser Welt, als auch um die individuellen Chancen jeder und
jedes Einzelnen auf soziale und politische Entwicklung, Gestaltung und
Teilhabe. Der eigentliche Kriegsgrund sind nicht
Massenvernichtungswaffen, Terroristen oder gar der Kampf gegen das
"Böse". Grundlage (auch) dieses Krieges ist die Verfasstheit unserer
Gesellschaften, die auf Entfremdung und Vernutzung , auf Ausbeutung und
Unterdrückung fußen.

H i e r müssen wir ansetzen.


EIN ANGEKÜNDIGTER KRIEG

Seit nunmehr fast einem Jahr mobilisiert die US-Administration
propagandistisch und militärisch zu einem neuen Krieg gegen den Irak.
Dessen angebliche Notwendigkeit begründet sie nicht mit Beweisen,
sondern mit Behauptungen: Saddam Hussein sei unberechenbar, er strebe
nach Massenvernichtungswaffen und habe sie auch schon eingesetzt, er
unterhalte Verbindungen zu Al Kaida, er sabotiere die
Waffen-Inspektionen durch die Vereinten Nationen und er bedrohe die
Sicherheit der USA.

Die Regierung Saddam Husseins ist zweifellos ein grausames und
gewissenloses Regime. Sie hat zwei Angriffskriege geführt und
innerstaatliche Opposition stets brutal unterdrückt. Sie unterdrückt
ethnische Minderheiten. Sie ist in der eigenen Bevölkerung gefürchtet
und verhasst. Sie hat hunderttausende Menschenleben auf dem Gewissen.
Es gäbe noch vieles, was sich gegen dieses Regime vorbringen ließe. Aber
all dies rechtfertigt noch lange keinen Krieg gegen den Irak. Sind die
Argumente, die die US-Administration vorbringt, deshalb so schlecht?

Dass das Regime Saddam Husseins unberechenbar sei, ist eine unbelegte
Behauptung: den Krieg gegen den Iran 1980-1988 hat es mit ausdrücklicher
Unterstützung der USA und Europas geführt, die daran interessiert waren,
die islamische Revolution im Iran zu schwächen. Der Überfall auf Kuwait
wurde den USA durch den Irak im voraus angekündigt - und diese hat ihm
seinerzeit, 1990, ihr Desinteresse signalisiert.
Es ist richtig, dass der Irak schon Massenvernichtungswaffen, genauer
Giftgas, eingesetzt hat: z.B. 1986 in Halabja gegen kurdische
Aufständische. Er tat das mit dem Wissen und der stillen Billigung der
ihn damals unterstützenden US-Militärberater.
Dass der Irak auch weiterhin nach Massenvernichtungswaffen strebt, ist
bisher nicht belegt. Aber das ficht die US-Regierung in ihren
Kriegsvorbereitungen nicht an - im Gegenteil: nicht etwa die Entwaffnung
Iraks, sondern der Sturz Saddam Husseins wurde von US-Vizepräsident
Cheney schon im Sommer 2002 als eigentliches Kriegsziel genannt. Dabei
könnte selbst der Fund von Massenvernichtungswaffen keinen
Präventivkrieg rechtfertigen, solange der Irak sich nicht sichtbar
anschickt, sie einsetzen zu wollen.
Für eine Verbindung zu Al Kaida wurden immer wieder Beweise angekündigt,
aber vorgelegt wurden sie nie. Dass gerade die USA, die sich in den 80er
Jahren als große Förderer der Gotteskrieger in Afghanistan hervortaten,
diesen Vorwurf erhebt, hat an sich schon fast etwas groteskes.
Die Berichte der UN-Waffeninspektoren im Irak werden von der
US-Regierung so manipulativ und verzerrt wiedergegeben, dass sich die
Inspektoren wiederholt zu Gegendarstellungen genötigt sahen.
Die Behauptung schließlich, die Sicherheit der USA sei durch den Irak
gefährdet, bezeichnet z.B. die New York Times schlicht als „peinlich“.


WIEDER GEHT ES UM ÖL

Die eklatanten Widersprüche in der Kriegs-Rhetorik der USA erhärten die
Vermutung, dass ihr eigentliches Ziel ein weit materielleres ist: die
Kontrolle über die Ölreserven des Irak.
Öl ist seit über 100 Jahren der zentrale Treibstoff der
industrialisierten Wirtschaften. Während aber die weltweit bekannten
Öl-Vorkommen unter den Bedingungen des derzeitigen Raubbaus nur noch
wenige Jahrzehnte halten, ist ein ebenso kostengünstiger Ersatzstoff
nicht in Sicht. Die Kontrolle über die sich verknappenden Öl-Vorkommen
verspricht also erhebliche wirtschaftliche Extra-Profite und politische
Macht.

Die derzeitige US-Administration, die auch personell eine große Nähe zum
US-Öl-Business hat, hat schon kurz nach ihrem Regierungsantritt die
langfristige Sicherung des Öl-Versorgung zu ihrem strategischen Ziel
gemacht. Ihre Bemühungen richten sich v.a. darauf, sich nicht von einer
bestimmten Region abhängig zu machen. Ihr Problem ist aber, dass in
vielen Öl-reichen Regionen gleichzeitig eine große politische Ablehnung
der USA vorherrscht.
Dass die Eroberung und Besatzung Iraks islamistische Bewegungen im Nahen
und Mittleren Osten stärken wird ist jedem klar. Auf den Wegfall des in
diesem Fall von einem Umsturz durch radikale Islamisten besonders
gefährdeten jahrzehntelangen engen Bündnispartner Saudi-Arabien hat man
sich aber schon eingestellt. Die Reduktion der Öl-Lieferungen aus
Saudi-Arabien ist schon eingeplant.
Ein wichtiger Lieferant soll hingegen Kolumbien werden. Kolumbien wird
im Rahmen des sog. „Plan Colombia“ unter dem Vorwand des „Kriegs gegen
den Terror“ - in diesem Fall ein direkter Nachfolger einer inzwischen
schon fast vergessenen Einrichtung des ausgehenden 20. Jahrhunderts, des
„Kriegs gegen Drogen“ - schon seit Jahren mit milliarden-schweren
Militärsubventionen bedacht. Deren Zweck ist es, die starke und
bewaffnete Opposition gegen unhaltbare soziale Zustände in Kolumbien zu
unterdrücken und zu besiegen und damit den US-Öl-Konzernen die Ruhe zu
verschaffen, die sie für die Ausbeutung der kolumbianischen Öl-Reserven
brauchen.
Für die Absicherung eines auszuweitenden Öl-Imports aus Afrika, v.a. aus
Angola und Nigeria, werden bereits Insel-Staaten vor der
westafrikanischen Küste besucht, die sich als Stützpunkte für
US-Militärbasen eignen könnten.

Alle Diversifikations-Bestrebungen kommen nicht an dem Fakt vorbei, dass
im Gebiet vom Persischen Golf nördlich bis zum Kaspischen Meer und
östlich bis Zentralasien 75% der weltweiten Reserven an Öl und 33% des
Erdgases lagern. Durch eine dauerhafte starke militärische Präsenz im
Irak würde die USA zusammen mit den neuerdings in Afghanistan und in den
zentralasiatischen Ex-Sowjet-Republiken stationierten Truppen eine
umfassende militärische Kontrolle der ganzen Region erreichen.
Speziell der Irak besitzt, ähnlich wie Saudi-Arabien, sehr große
Öl-Vorkommen, die zudem leicht abbaubar und von hoher Qualität sind.
Dieses Öl ließe sich über eine Pipeline durch den angrenzenden
Nato-Mitgliedsstaat Türkei rasch aus dem instabilen Mittleren Osten an
das von der US-Marine kontrollierte Mittelmeer transportieren.

Es geht nicht nur um strategische Interessen: auch die konkreten
Geschäfte kommen in den Kriegsvorbereitungen nicht zu kurz. Aufgrund des
UNO-Embargos liegen zur Zeit große Teile der irakischen Öl-Vorkommen
brach. Der Irak hat aber schon für die Zeit nach der Aufhebung der
Handelsbeschränkungen bedeutende Konzessionen vergeben, v.a. an den
französische Öl-Multi ElfTotalFina und an den russischen Öl-Konzern
Lukoil. Weitere Konzessionäre sind die holländische Shell, die
italienische Eni und die spanische Repsol. Dabei geht es um
Investitionssummen von ca. 40 Milliarden Dollar. Die Konzerne aus den
Ländern der Hauptkriegsgegner seit 1991, USA und Großbritannien, gingen
hingegen weitgehend leer aus.
Lukoil hat sich schon bei der US-Regierung rückversichert, dass seine
Konzessionen auch im Falle eines Sturzes des Regimes Saddam Husseins
gültig bleiben. Die russische Regierung hat ihrerseits noch keine
schwerwiegenden Bedenken gegen einen Krieg gegen Irak vorgebracht. Im
Falle der französischen ElfTotalFina dürfte der Bestand der Konzessionen
vom weiteren Verlauf des Kräftemessens zwischen Frankreich und den USA
auf der Bühne des Weltsicherheitsrats abhängen. Frankreichs Präsident
Chirac hat sich immerhin ein Hintertürchen offengehalten und in seiner
Weihnachtsansprache 2002 der französischen Öffentlichkeit bedeutet, das
auch ihre Armee sich für einen Einsatz bereit halten muss.


ERSTER, ZWEITER UND DRITTER GOLFKRIEG

Im ersten Golfkrieg von 1980 bis 1988 griff der Irak den Iran mit dem
Ziel an, sich am iranischen Öl zu bereichern. Die westlichen Staaten
unterstützten den Irak, weil sie sich davon den Sturz der als bedrohlich
empfundenen islamisch-fundamentalistischen Regierung Irans erhofften.
Der Irak konnte den Iran nicht besiegen und entging nur knapp einer
schweren Niederlage.

Im August 1990 besetzte der Irak Kuwait. Die USA organisierten daraufhin
eine internationale Koalition zur Vertreibung des Irak aus Kuwait. Im
Januar 1991 begann der Angriff auf den Irak. Die konventionellen
irakischen Truppen wurden weitgehend zerstört, ebenso die zivile
Infrastruktur wie Brücken, Wasser- und Energieversorgung. Die irakischen
Eliteverbände, die wichtigste militärische Stütze des Regimes Saddam
Husseins, blieben intakt.

Auch nach dem militärischen Ende des Krieges ging der Angriff auf das
zivile Leben des Irak weiter - der dritte Golfkrieg begann. Der
UN-Sicherheitsrat verhängte ein Handelsembargo über Irak, das nach
Einschätzung der UNESCO eine halbe Million Kinder das Leben kostete. Die
US-Außenministerin Madelaine Albright dazu: „Ich denke, es ist eine
harte Entscheidung, aber den Preis ist es nach unserer Ansicht wert“.
Ziel des Embargos war offiziell die Abrüstung des Irak, tatsächlich
sollte der Sturz Saddam Husseins erzwungen werden. Die irakische
Bevölkerung wurde zu diesem Zweck als Geisel genommen.
Das Embargo hat die Macht von Saddam Hussein eher gestärkt als
geschwächt. Vor allem die totale Verelendung und die angespannte
Versorgungslage gaben dem Regime die Möglichkeit, über die staatliche
Nahrungsmittelverteilung die Loyalität der Bevölkerung zu erpressen.
Auch ständige militärische Angriffe aus der Luft - 1999 z.B. trafen in
US-amerikanischen und britischen Angriffen 3000 Raketen mehr als 1000
Ziele im Irak - konnten das Regime nicht stürzen oder zum Einlenken zwingen.

Das UN-Embargo konnte und kann das wirtschaftliche Leben des Irak
strangulieren, aber es konnte nicht verhindern, dass der Irak für die
Zeit danach umfangreiche Geschäfte mit Konzessionen für fast alle
bekannten Öl-Vorkommen im Irak machte. Diese Konzessionen gingen fast
ausnahmslos an europäische Öl-Multis. Die Konzerne der Hauptkriegsgegner
USA und Großbritannien blieben außen vor...


PLÄNE FÜR EINEN DEMOKRATISCHEN IRAK?

Die Kriegsziele der USA zeichnen sich inzwischen deutlich ab: Saddam
Hussein soll gestürzt und der Irak für mehrere Jahre von US-Truppen
besetzt werden. Die Besatzung dient der Installation und Stabilisierung
einer Regierung, deren Hauptaufgabe die Sicherstellung des Öl-Exports zu
US-Konditionen sein wird. Außerdem wird ein bedeutender Teil der
Interventionstruppen auf Dauer im Irak stationiert bleiben und die ganze
Region bedrohen. Es spricht einiges dafür, dass dieser Plan so
durchgesetzt werden kann und wird.
Die politische Durchsetzbarkeit einer US-hörigen Regierung wird dadurch
erleichtert, dass die irakische Gesellschaft seit Jahrzehnten
laizistisch und sozialstaatlich orientiert ist, der radikale Islamismus
indessen wenig Anhänger und kulturelle Wurzeln hat, und die politische
Macht außerhalb der regierenden Clique sich auf verschiedene Stämme
verteilt.

Wer sich von einem Krieg gegen den Irak die Ablösung der Hussein'schen
Diktatur durch eine westlich geprägte Demokratie verspricht, könnte
enttäuscht werden. Auf der Prioritätenliste der US-Regierung wird die
demokratische Legitimation der Nachfolge-Regierung jedenfalls eine
nachrangige Rolle spielen. Wie wenig wählerisch westliche Regierungen in
der Wahl ihrer Bündnispartner und Statthalter sind, hat nicht zuletzt
ihre Unterstützung für Saddam Hussein im ersten Golfkrieg des Irak gegen
den Iran gezeigt, von Waffen-Lieferungen über militärische Beratung und
satellitengestützte Front-Aufklärung bis hin zur Billigung des Einsatzes
eben jenes Giftgases, das nun als Vorwand für einen neuerlichen Krieg
gegen den Irak herhalten soll. Und die derzeitige US-Administration hat
wiederholt zu verstehen gegeben, dass sie sich für Wiederaufbau und
„nation-building“ im Grunde nicht zuständig hält.

Schon einmal haben die USA und ihre Verbündeten eine Chance für einen
demokratischen Neuanfang im Irak bewusst verstreichen lassen. Als im
Golfkrieg 1991 die irakische Front zusammengebrochen war und die
Truppenverbände sich ungeordnet auflösten und flohen, rief der
US-Präsident zum Volksaufstand gegen Saddam Husseins Regime auf.
Tatsächlich erhoben sich v.a. im Norden und Süden des Irak die Menschen
gegen das diktatorische Regime. Als sie dann allerdings von Elitetruppen
und der Luftwaffe der irakischen Regierung angegriffen und bombardiert
wurden, hielten die USA und ihre Verbündeten still und ließen die
Aufständischen im Stich. Man hatte entschieden, dass ein erheblich
geschwächter Saddam Hussein den eigenen Zielen förderlicher wäre als ein
unberechenbarer Neuanfang des irakischen Volkes. Diese Entscheidung
haben cirka 300.000 Iraker mit ihrem Leben bezahlt.

Der heutige US-Verteidigungsminister Rumsfeld reiste 1983 im Auftrag von
US-Präsident Reagan in den Irak, um mit Saddam Hussein die
Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen vorzubereiten. Der damalige
Mittelostexperte der US-Regierung, Geoffrey Kemp, sagte dazu später - in
Abwandlung einer wohlbekannten Maxime US-amerikanischer Machtpolitik:
"Wir waren nicht naiv. Wir wussten, dass Saddam ein Schurke war. Aber er
war unser Schurke." Der Aufbau demokratischer Staaten kann solchen
Herren gewiss nicht vertrauensvoll überlassen werden.


DIE HALTUNG EUROPAS

Einige europäische Staaten, v.a. Deutschland und Frankreich, verhalten
sich deutlich ablehnend zur Kriegspolitik der Bush-Administration. Diese
unerwartete Opposition hat allerdings vor allem machtpolitische Gründe:
sie richtet sich grundsätzlich gegen das US-amerikanische
Hegemonie-Projekt. Es geht um die Aufteilung der geopolitischen
Einflusssphären - und auch der Kriegsbeute Irak. Die gegenwärtigen
Absetzbewegungen von den USA sind ein Vorbote künftiger Konflikte, in
denen Europa den USA zunehmend größere Stücke vom globalen Kuchen
abtrotzen werden will.

Die Kontrolle der USA über die größten Öl-Vorkommen der Welt kann den
europäischen Staaten nicht recht sein. Aber die USA stören auch
empfindlich die europäischen Pläne für eine Freihandelszone im
Mittelmeerraum und in den Nahen und Mittleren Osten hinein. Erst wenn
der israelisch-palästinensische Konflikt im gegenseitigen Einvernehmen
beigelegt werden kann und die arabischen Gesellschaften das Gefühl einer
gleichberechtigten Beziehung zu Europa haben, sind diese Pläne
realistisch. Die konfrontative Struktur der US-Hegemonialpolitik macht
die dafür notwendigen politischen und gesellschaftlichen Prozess unmöglich.

Da die europäischen Staaten längst nicht mit der militärischen Macht der
USA mithalten können, sind sie bemüht, den Konflikt auf für sie
günstigere Ebenen zu verlagern: die UNO, internationale Verträge,
Verhandlungslösungen, "weiche" Machtausübung durch wirtschaftlichen
Einfluss, Angebote der Zusammenarbeit auf verschiedensten Ebenen etc.

Aber Europa formiert sich heute nicht nur auf wirtschaftlichem sondern
auch auf außen-politischem und militärischem Gebiet zunehmend zu einer
eigenständigen Weltmacht. Die EU betreibt den Aufbau von Streitkräften,
die zumindest in regional und politisch begrenzten Konflikten unabhängig
von NATO und USA international agieren können. Die Etablierung
europäischer Truppenverbände unter dem Label
"Kriseninterventionskräfte", die jetzt auf das Jahr 2004 vorgezogen
wurde, ist ebenso Teil dieser Aufrüstung wie die Anschaffung größerer
Transportflugzeuge, neuer Flugzeugträger, eines eigenen
Satellitennavigationssystems etc. Diese Projekte werden gegen den zum
Teil recht undiplomatisch vorgetragenen Widerstand der US-Administration
vorangetrieben.

Speziell die BRD nutzt jede sich bietende Gelegenheit, um wieder
militärische „Verantwortung“ zu übernehmen und ihre Nazi-Vergangenheit
endgültig abzuschütteln. Selbst im Fall des von ihr so vehement
abgelehnten Krieges gegen den Irak ist sie militärisch beteiligt: durch
die in Kuwait stationierten Fuchs-ABC-Spürpanzer, durch
AWACS-Besatzungen, durch die Gewährung von Überflugrechten an die USA,
durch Unterstützung bei der Versorgung verletzter Soldaten im Krieg.
Bisher hat die BRD immer vermieden, eine Kriegsbeteiligung offen mit
eigenen Interessen und Machtansprüchen in Verbindung zu bringen. Jetzt
ist es ihr "Nein" zum Krieg, das ihre Interessen auf die Tagesordnung
bringt. Von jetzt an muss die Rechnung mit der BRD gemacht werden. Wie
lange wird es noch dauern, bis sie selbst zum Mittel des Krieges zur
Durchsetzung ihrer Macht- und Profitinteressen greift?

Die EU ist noch längst kein homogenes Gebilde. Das strategische Projekt
der EU ist die Schaffung eines staatlichen Gebildes, das der USA und
anderen, kommenden Großmächten des 21. Jahrhunderts machtpolitisch
gleichberechtigt gegenübertreten kann. Im realpolitischen Alltag
verfolgen die europäischen Regierungen oft kurzfristige Interessen, die
den strategischen Anforderungen des Projekts EU zuwiderlaufen. Es ist
aber allen klar, dass die EU perspektivisch den nationalen Interessen
nicht widerspricht, sondern sie entscheidend stärkt.

In ihren grundsätzlichen Zielen sind sich die Kernstaaten des
kapitalistischen Weltsystems jedoch einig. Die Sicherung des
uneingeschränkten Zugangs zu "lebensnotwendigen" Ressourcen hat die NATO
- und damit die USA und Europa - schon 1991 in ihr Programm aufgenommen.
Das ziel der Sicherung und des Ausbaus westlichen Wohlstands auf Kosten
der Schwächeren auch im globalen Maßstab ist nicht nur unumstritten,
sondern strukturell in den Metropolen-Gesellschaften verankert.

Dieser Konflikt zwischen Europa und den USA zeigt aber auch, dass viel
davon abhängt, wie weit die Gesellschaften bereit sind, Kriege zur
Durchsetzung vom Machtinteressen zu akzeptieren. Auch in den USA ist
dies kein bruchloser Prozess: das zeigt sich zum Beispiel daran, dass
eine Mehrheit der US-Amerikaner einem Krieg gegen den Irak nur unter der
Bedingung eines Mandats durch die UNO zustimmen würde. Auch das
kollektive Trauma der US-Bevölkerung durch die Attentate vom 11.
September 2001 kann von der US-Administration offenbar nicht für jeden
Krieg instrumentalisiert werden.


MIT ODER OHNE DEN SEGEN DER UNO

Die Kriegspropaganda gegen den Irak stößt nirgendwo in den westlichen
Gesellschaften auf große Begeisterung. Eine Legitimation durch die UNO
würde nicht nur der US-Regierungen die innenpolitische Durchsetzung
erleichtern. Die UNO wird angesichts des offenen Hegemonialstrebens der
USA von vielen Menschen als moralisches Gegengewicht empfunden, nach dem
Motto: „wenn die UNO zustimmt, dann muss doch was dran sein“. Diese
Haltung übersieht, dass die UNO keineswegs ein überparteiliches Gremium
ist, sondern im Gegenteil massiv von den Interessen der Hauptakteure
beeinflusst wird.

Die USA z.B. haben als wirtschaftliche, politische und militärische
Supermacht vielfältige Möglichkeiten, das Abstimmungsverhalten andere
Staaten zu beeinflussen. Wo sich der Einsatz militärischer Mittel
verbietet, wie z.B. bei Bündnispartnern, bleibt die Möglichkeit mit
ihrem Entzug zu drohen. So wurde der kolumbianische
UN-Sicherheitsrat-Vorsitzende mit der Drohung des Entzugs von Militär-
und Wirtschaftshilfe im Dezember 2002 gezwungen, den Bericht des Irak an
die UN-Waffenkontrollkommission gegen alle Abmachungen und
Gepflogenheiten der US-Vertretung zu übergeben, bevor irgendein anderes
Mitglied des Sicherheitsrats Einblick gewinnen konnte. Aber so
sprichwörtlich „bei Nacht und Nebel“ dieser Vorgang war, so harmlos ist
er auch im vergleich zu dem, was sich sonst noch hinter verschlossenen
Türen abspielt.

Auch den anderen Akteuren im geopolitischen Poker dient die UNO v.a. als
Bühne und als Druckmittel. Ob Frankreich von seinem Vetorecht im
UN-Sicherheitsrat gegen einen Angriff auf den Irak Gebrauch machen wird,
dürfte hauptsächlich von seinen langfristigen Interessen im Rahmen der
EU und seinen kurzfristigen Interessen an der Sicherung der
französischen Öl-Konzessionen im Irak bestimmt werden. Dass die
Kriegsbefürworter die Zustimmung der UNO propagandistisch gut gebrauchen
können, ist Teil der französischen Verhandlungsmasse.

Die US-Regierung hat jedoch vielfach wiederholt, dass sie den Irak auch
ohne UN-Mandat angreifen wird und die Geschichte zeigt, dass man diese
Drohung ernst nehmen muss. 1999 hat die NATO einen Krieg gegen
Rest-Jugoslawien ohne UN-Mandat geführt. Damals musste die VR China als
Quittung für ihre Missbilligung dieses Krieges die angeblich
versehentliche Bombardierung ihrer belgrader Botschaft hinnehmen.


DER KRIEG FÜR DAS GUTE HAT GESCHICHTE

Der Krieg der NATO gegen Ex-Jugoslawien 1999 wurde noch mit angeblichen
Menschenrechtsverletzungen begründet. Es wurden v.a. ethnische
Säuberungen angeführt, die Vertreibung der albanischen Bevölkerung durch
die Serben. Tatsächlich hat diese Vertreibung erst nach Beginn der
NATO-Angriffe eingesetzt. Es ist zudem wahrscheinlich, dass die USA die
Spannungen im Kosovo, die der NATO dann als Kriegsgrund dienten, durch
Waffenlieferungen an beide Seiten geschürt hat.
Eine besonders widerliche Propaganda-Lüge hat der deutsche
Verteidigungsminister mit der Behauptung von serbischen
Konzentrationslagern verbreitet. Diese Behauptung wurde später
widerlegt, der Minister wurde aber erst viel später wegen eines kleinen
Korruptionsskandals zum Rücktritt gezwungen. Wer deutsche Regierungen
von „besonderer deutscher Verantwortung“ reden hört, sollte daran
denken, mit welcher Infamie sie sich noch heute die „besondere“ deutsche
Geschichte zunutze machen.
Der Jugoslawien-Krieg war auch ein Krieg der besonders zynischen
Wortschöpfungen: "Kollateralschaden" wurde es genannt, wenn ein Zug mit
Flüchtlingen von einer Brücke gebombt wurde, und Menschen hießen
„Weichziele“.

Wie schon im Golfkrieg gegen den Irak 1991 und wie auch danach im Krieg
gegen Afghanistan war die militärische Überlegenheit der USA und ihrer
Verbündeten ungeheuer, die Zahl der eigenen Gefallenen minimal. Die
westlichen Militärapparate investieren viel Geld in „intelligente“
lenkbare Bomben, ferngesteuerte Drohnen und vom Radar nicht erfassbare
Flugzeuge. Zudem setzen sie aber auch immer noch B-52-Bomber für
Flächenbombardements ein, entwickeln Aerosol-Bomben, die großflächig
alles verbrennen etc. All diese Waffen dienen nicht so sehr dem
„chirurgischen Eingriff“, sondern vielmehr dem Zweck, die eigenen
Truppen möglichst weit aus dem kampfgeschehen herauszuhalten. Denn
nichts fürchten westliche Regierungen so sehr wie den Umschwung der
öffentlichen Meinung zuhause durch zu viele „eigene“ Tote. Den Preis für
diese Zurückhaltung zahlt v.a. die Zivilbevölkerung der angegriffenen
Staaten - denn so präzise sind die intelligenten Bomben und Drohnen und
Raketen dann doch nicht.

Trotz ihrer ohnehin schon überwältigenden militärischen Überlegenheit
haben die USA und ihre Verbündeten in den Kriegen gegen den Irak und
gegen Jugoslawien mit einem Uranmantel gehärtete schwere Munition
eingesetzt, die zur Verstrahlung der Umgebung und einer Vervielfachung
der Leukämie-Fälle in der Zivilbevölkerung geführt hat. Diese Munition
wurde für den Afghanistan-Krieg noch einmal „verbessert“: das verwendete
Uran ist jetzt Natur-Uran, kann also nicht mehr juristisch zweifelsfrei
der Munition zugeordnet werden


AUSGANG OFFEN

Der angekündigte krieg gegen den Irak provoziert noch viel weitergehende
Gefahren.

Welche Schlussfolgerungen werden z.B. die sich in einem
nationalistischen Konflikt gegenüberstehenden Atommächte Indien und
Pakistan aus dem von den USA demonstrativ zur Schau gestellten Recht des
Stärkeren ziehen?

Welche Folgen wird diese Politik für den israelisch-palästinensischen
Konflikt haben? Stärkt sie nicht auch dort die Hardliner, die
rücksichtslos nur die (vermeintlich) eigenen Interessen verfolgen?

Soll die imperialistische Neuordnung der Region mit Kriegen gegen den
Iran, gegen Syrien weitergeführt werden? Wie soll sich die iranische
Opposition angesichts dieser äußeren Bedrohung gegen ihre Regierung
stellen können?

Wer will sich darüber wundern, dass sich die - durch die so offen zur
schau gestellte Arroganz der macht erzeugte - Ohnmacht, Demütigung und
Verzweiflung ihr Ventil auch in reaktionären Kräften wie Al Kaida sucht
und in Terror im Stil des 11. September 2001? Der fundamentalistische
Islamismus jedenfalls wird mit Sicherheit gestärkt werden und mit ihm
der Anti-Islamismus in den westlichen Staaten. Die Muslime und
insbesondere die muslimischen Frauen werden darunter zu leiden haben.

Es stellt sich sogar die Frage, ob die Stärkung
radikal-fundamentalistischer Kräfte von der US-Administration bewusst
einkalkuliert wird. Schließlich können diese durch ihre inakzeptablen
Aktionen und Ziele immer wieder neue Rechtfertigungen für den von
US-Präsident Bush angekündigten weltweiten und jahrzehntelangen „Krieg
gegen den Terror“ liefern - wo und wie es gerade ins strategische
Konzept passt.

Der Zynismus, der aus dem "Krieg gegen den Terror" einen Krieg um noch
mehr Pfründe macht, ist jedenfalls nicht zu überbieten. Man kann davon
ausgehen, dass er die politische und soziale Entwicklung nirgendwo auf
der Welt zum Besseren hin beeinflussen wird.


ENTWICKLUNG!

Gegen die imperiale Kriegsmaschine zu protestieren, sie zu behindern und
ihr das propagandistische Deckmäntelchen zu entziehen ist das eine - und
eine Selbstverständlichkeit! Mindestens ebenso wichtig und ungleich
schwerer ist es jedoch, ihre tiefliegenden Grundlagen anzugreifen und
dagegen Utopien und Praktiken für ein anderes Leben zu entwickeln und
umzusetzen!

Die überwiegende Mehrzahl aller Menschen kann vom "lebensnotwendigen"
Wohlstand und den „vitalen Interessen“, die die NATO-Staaten für sich
reklamieren, gerade mal träumen. Sie hat dazu keinen Zugang und sie hat
auch in der nächsten oder übernächsten Generation keine Perspektive auf
einen Zugang zu diesem Reichtum und zu diesem Ausmaß an individuellen
Freiheiten und Entwicklungsmöglichkeiten. Wenige schaffen der Sprung in
die Emigration in die kapitalistischen Kernstaaten oder in die lokalen
Eliten des globalisierten Regimes, aber selbst das ist keine positive
Perspektive.

Wer kann Angesichts dieser Verhältnisse akzeptieren, dass
Rüstungsausgaben im Umfang von hunderten von Milliarden Dollar bzw. Euro
jährlich Entwicklungshilfe und Gesundheits- und
Armutsbekämpfungsprogramme im Wert von ein paar Groschen
gegenüberstehen? Es wäre schon viel gewonnen, wenn die Unsummen, die
jetzt in die Rüstung fließen, verwendet würden für: Anti-Aids-Programme,
Schuldenstreichung, Förderung kleiner landwirtschaftlicher Betriebe,
Anti-Analphabetismus-Kampagnen, Abbau der Agrar-Import-Schranken der EU,
Umweltschutz, Abschaffung der Kinderarbeit und der Sklaverei, beliebig
ergänzbar. Die UNO fordert 50 Milliarden Dollar, um die Armut auf der
Welt in den nächsten 15 Jahren zu halbieren. Das und noch viel mehr wäre
möglich, wenn sich die Kernstaaten des weltweiten kapitalistischen
Systems nur ein kleines bisschen bewegen würden.

Aber damit reden wir immer noch von Hilfen und Unterstützung, die den
rahmen der herrschenden Verhältnisse nicht antasten - aber nicht von
wirklichen, substanziellen Veränderungen, die sich in den
kapitalistischen Metropolen entwickeln müssen:
Von mehr sinn im Leben als dem Geiern nach immer mehr Konsum, von
Subjekt-Werdung statt Selbstvernutzung im durchindustrialisierten
Alltag, von Lust auf Einmischung und Begegnung, von Respekt und vom
Bedürfnis nach Nähe, die es nur innerhalb gerechter Verhältnisse geben kann.


Solange sich die westlichen Gesellschaften dieser Herausforderung nicht
stellen und ihre Haltung zum eigenen Leben, zu Sinn und Ziel ihrer
Existenz grundlegend umwälzen, wird auch weiterhin in ihrem Namen und
mit ihrer stillen Zustimmung überall auf der Welt Krieg geführt und an
ihren Grenzen gemordet werden. So wie es diese Zivilisation seit über
500 Jahren tut.

Dass alle Menschen die gleichen Rechte an den materiellen Reichtümern
dieser Welt und die gleichen Chancen zur Gestaltung ihres Lebens und der
Welt haben, muss erkämpft werden - mit unserer Verweigerung, unserem
Eingreifen, unserer Solidarität, unserer Entwicklung.

Wir kämpfen dabei auch um unsere eigene Würde und um unsere eigene Lust
am Leben!

Kein Krieg gegen den Irak!
Sofortige Aufhebung des Embargos auf alle nicht-militärischen Güter!
Kein Frieden mit Deutschland und der EU!

 

11.02.2003
Vorbereitungskreis   [Aktuelles zum Thema: Antimilitarismus]  [Schwerpunkt: Der angekündigte Krieg]  Zurück zur Übersicht

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