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Köln: Gegen Kriegsvorbereitung und Ausnahmezustand: BRD raus aus der NATO!

Gegen Kriegsvorbereitung und Ausnahmezustand: BRD raus aus der NATO!

Der Anschlag bisher unbekannter TäterInnen auf das
US-Verteidigungsministerium Pentagon und auf das Banken- und
Finanzzentrum World Trade Center in New York bietet der US-Regierung,
aber auch den Regierungen der EU-Länder eine Möglichkeit, ihre
imperialistischen Interessen im Nahen Osten, in Zentral-asien und
weltweit offensiver zu verfolgen. Wie bereits im Angriffskrieg auf
Jugoslawien 1999, das der unge-hemmten Ausbreitung imperialistischer
Ambitionen in Südosteuropa entgegenstand, muß die Verteidigung der
"Zivilisation" gegen das "Böse" als Legitimation für einen Angriffskrieg
herhalten.

Die zum Einsturz gebrachten Türme des World Trade Center (WTC) - Symbole
des weltweiten Kapitalismus - stürzten die Herrschenden in den
NATO-Ländern in Legitimationsprobleme. Der Schein ihrer Unangreifbarkeit
und Unverwundbarkeit drohte zu bröckeln. Sie antworteten mit einer
"Anti-Terror-Koalition" und kündigten einen "Feldzug der Gerechtigkeit"
gegen das "Böse" an. Dieser Feldzug bedeutet eine imperialistische
Generalmobilmachung und ist gleichzeitig eine Aufforderung zur
präventiven Kapitulation der Staaten des Trikont. Die
"Anti-Terror-Koalition" eröffnet die Option, immer und überall Truppen
stationieren zu können und einen Kern der neuen NATO-Strategie von 1999
zu verwirklichen, nämlich den "freien Zugang zu Ressourcen und Märkten
zu sichern". Die Verteidigung der sogenannten Freien Welt ist nichts
anderes als die Verteidigung der sozialen Ungleichheit und Unterdrückung
im Weltmaßstab.

Imperialistische Generalmobilmachung

Die europäischen Mitkonkurrenten fürchten, durch ein militärisches
Vorpreschen der US-Regierung auf eine Rolle als Erfüllungsgehilfen
festgenagelt zu werden. BRD-Außenminister Fischer (Grüne) begründete
dementsprechend die schnelle Zustimmung zum NATO-Kriegsbeschluß mit
einer "Umarmungsstrategie", mit der "der Gefahr eines US-Alleinganges
frühzeitig begegnet worden" sei, was den deutschen Rivalen eventuell
schon vorschnell aus dem Rennen geworfen hätte. "Eingebunden in die
NATO-Struktur" seien die USA nun "zu stärkeren Konsultationen mit den
Partnern ange-halten" (in: Kölner Stadtanzeiger vom 19. September 2001).
Diese Hoffnung trügt: Die USA ignoriert bisher die militärischen
Potentiale von NATO bzw. Bundeswehr und verzichtet trotz des Drängens u.
a. von Scharping (SPD) darauf, den "Bündnisfall" auszurufen (siehe
Kölner Stadtanzeiger vom 27. Sep-tember 2001). Die BRD erhält als
Trostpreis die Kommandogewalt über die NATO-Interventionstruppen in
Mazedonien, um ihren Hinterhof auf dem Balkan abzurunden.

Ungeachtet der bestehenden innerimperialistischen Interessensgegensätze
zwischen USA und EU/BRD soll die NATO als imperialistisch-militärische
Eingreifzentrale der kapitalistischen Zentren die UNO als Ordnungsmacht
ersetzen. Beim Beschluß über die jetzt anlaufenden Kriegsvorbereitungen
und den "NATO-Verteidigungsfall" blieben folglich diejenigen
Repräsentanten der imperialistischen Staaten direkt unter sich, gegen
die noch vor kur-zem 250.000 Menschen in Genua demonstrierten und die
dort ihre Bereitschaft zeigten, politische GegnerInnen und KritikerInnen
von ihrem Staatsapparat umbringen zu lassen.

Spielball Zentralasien

Ein Angriff und eine dauerhafte militärische Präsenz der USA in
Afghanistan würde das Kräfteverhältnis im Kampf um die öl- und
rohstoffreiche Region Zentralasien verändern. Hier liegen die neuen
ökonomischen und geopolitischen/geostrategischen Interessen des
deutschen, europäischen und US-Kapitals und der NATO: Die größten
Erdölvorkommen der Welt, am Kaspischen Meer mit geschätzten 14 bis 30
Milliarden Tonnen Erdöl, große Erdgas- und Lager weiterer Bodenschätze.
Dabei findet um die Region vom Balkan über den Kaukasus bis nach
Zentralasien gleichzeitig ein heftiger Konkurrenzkampf zwischen den
verschiedenen kapitalistischen Zentren bzw. der Russischen Föderation
und der VR China statt. Für die USA stellt der Süden der ehemaligen
Sowjetunion eine "Zone des nationalen Interesses" (Brzezinski) dar. Sie
strebt an, u. a. Usbekistan, Tadschikis-tan und Turkmenistan aus dem
Einfluß des übermächtigen Nachbarn Russische Föderation zu lösen. Die
jetzt angestrebte militärische Kooperation bei einem möglichen Angriff
auf Afghanistan würde dieses strategische Ziel befördern.

Rassismus und Ausnahmezustand

Im "Deutschen Herbst" 1977 wurden demokratische Grundrechte auf Beschluß
der damaligen SPD-Exekutive zeitweise außer Kraft gesetzt und
Protestbewegungen (z. B. der Anti-AKW-Widerstand) massiv bespitzelt und
kriminalisiert. Die Anschläge in den USA werden heute als Vorwand
genommen, um erneut einen Ausnahmezustand zu begründen. Wer sich gegen
die Medienhetze vom "Endkampf zwischen Gut und Böse" stellt, wer nach
Fakten und Beweisen fragt und wer die mörderische Rolle der USA und NATO
in der Welt thematisiert, der/dem drohen Denunziation und Repression.
Schlimmeres wird für Nichtdeutsche geplant, u. a. eine Regelanfrage
beim Verfassungsschutz für alle Einreisenden, Verweigerung von Asyl
bei "Terrorismus"-Verdacht, der sich u. a. auf die "Informationen" (d.
h. auf die Anschuldigungen) der Regierungen der Herkunftsländer von
Flüchtlingen stützen kann - kein kurdischer Flüchtling würde danach
noch Asyl erhalten! - und neue Restriktionen für EinwanderInnen. An
einigen Hochschulen wurden bereits die privaten Daten ausländischer
Studierender "aus dem arabischen Raum" zur Auswertung an die
Landeskriminalämter weitergegeben (siehe Frankfurter Rundschau vom 27.
September 2001).

Innerhalb der BRD und der EU sollen elektronische Kommunikationsmittel
stärker überwacht und Datenbestände ausgetauscht werden. Die EU-Polizei
Europol soll exekutive Befugnisse erhalten. Die CSU fordert die
unbefristete Speicherung aller Telekommunikations-Verbindungsdaten und
der Bewegungsprofile von Handy-NutzerInnen. Der
SPD-Verteidigungsexperte Wieczorek und Stoiber (CSU) schlugen bereits
die Zusammenlegung von Eliteeinheiten des BGS, Bundeswehr und der
Geheimdienste zu einer Nationalgarde vor - das wäre die Wiederkehr einer
GeStaPo!

Nach den Anti-Gipfel-Protesten in Genua war es für die Herrschenden
schwieriger, ihre Pläne für die Verschärfung von Repression und
Überwachung, für die Einrichtung einer Sicherheitsdiktatur zu
verfolgen. Der in Teilen antikapitalistische Antrieb dieser Bewegung und
ihr Eintreten für Solidarität und gegen soziale Ungleichheit steht in
Zusammenhang mit Interessen ausgebeuteter und verarmter Menschen sowohl
in der BRD und EU-Europa, als auch weltweit und konnte nicht im
Handumdrehen kriminalisiert werden. Die mehrere Tausend Toten in New
York und Washington D.C. können nun dafür mißbraucht werden, um diese
Vorhaben ohne Reibungsverluste und ohne allzuviel Kritik auch der
bürgerlichen Öffentlichkeit umzusetzen. Selbst die Erhöhung einiger
Verbrauchssteuern für die Finanzierung des Ausbaus des Militär- und
Polizeiapparats werden klaglos hingenommen.

Zweierlei Opfer

Die Opfer der Anschläge und die private Trauer um ihren Tod werden von
Staat und Medien für politische Herrschaftszwecke instrumentalisiert.
Getrauert wird nicht um die Menschen, sondern um "Amerika" (zu dem sich
die USA kurzerhand ernannt haben). Nicht einige tausend Individuen und
Lebenswege wurden zerstört, sondern "die Zivilisation", der "Westen"
usw. seien angegriffen. Insofern seien neue Massaker, Kriegshandlungen,
Bombardierungen von Wohnhäusern und Massenvertreibungen, verursacht
durch US-Marschflugkörper oder Bundeswehr-Tornados, als sogenannte
Kollateralschäden gerechtfertigt. Gleichzeitig nutzen Teile des
US-Kapitals die Anschläge, um öffentliche Subventionen in Milliardenhöhe
zu kassieren und Massenentlassungen durchzuführen. Tatsächlich hat nicht
der Zusammensturz des WTC plötzlich eine ökonomische Krise verursacht,
sondern die "new economy" befand sich bereits lange vor dem 11.
September im freien Fall...

Nichts macht die Doppelmoral im Umgang mit dem "Wert" oder "Unwert" von
Menschenleben deutlicher als die Realität, daß täglich mehr als
Hunderttausend Menschen an den Folgen von Hunger sterben, die meisten
davon in den Ländern des Trikont. Sie gehen an den Auswirkungen des
kapitalistischen Weltmarktes, an ihrer systematischen Enteignung von
Boden und Produktionsmitteln zugrunde. Leisten sie Widerstand gegen das
ihnen zugedachte Schicksal, werden sie brutal unterdrückt, gefoltert,
vergiftet und ermordet - z. B. beim US-initiierten Militärputsch in
Chile am 11. September 1973 oder durch den Vietnamkrieg. Ihr Tod gilt
nicht als Mord, sondern ist akzeptierte Normalität
Genauso wie bei der Ausbreitung der AIDS-Pandemie im südlichen Afrika
geht auch ein Großteil der Todesopfer infolge sogenannter
"Naturkatastrophen" häufig auf kapitalistische Ursachen zurück, z. B.
bei den Überschwemmungen in Zentralamerika nach dem Hurrikan
"Mitchell", bei den Erdbeben in der Türkei und in Indien. Aus
Profitgründen wurden die verelendeten Menschen in baufälligen Gebäuden
und auf erdrutschgefährdeten Hängen untergebracht.
Und mit voller Berechtigung weisen die EinwohnerInnen von Bagdad und
oder Belgrad darauf hin, daß ihre Städte über Monate hinweg einem
vergleichbar brutalen US- und NATO-Bombardement ausgesetzt gewesen
sind.

Das Leben dieser Menschen ist nach kapitalistischen Kriterien (und das
sind immer auch u. a. eugenische und rassistische) eben weniger wert als
das des Teils der in New York und Washington D.C. Umgekommenen, die
partiell zur militärischen oder ökonomischen Führungsschicht der USA
zählten. Und schließlich war im Gebäudekomplex des WTC ein Haufen fixes
Kapital vergegenständlicht, um das einige ökonomisch Geschädigte wohl
tatsächlich "trauern".

Zivilisation und Fundamentalismus - ein Wechselbalg

Die Anschläge in New York und Washington D.C. demonstrierten zwar die
Angreifbarkeit einer imperialistischen Zentrale, haben aber keinen
emanzipatorische Charakter. Im Gegenteil: Sie sind Gewalthandlungen,
wie sie auch jeder autoritäre bürgerliche Staat im Zweifelsfall
durchführt, wenn er dies zur Verfolgung seiner absolut gesetzten Ziele
für notwendig hält. Er spricht durch sein Gewaltmonopol massenhaft
Todesurteile über andere Menschen aus und vollstreckt sie. Er reduziert
seine eigenen Anhänger, Soldaten und Märtyrer auf Kanonenfutter und
definiert andere Menschen als "nationale Kollektive" und
"Volksangehörige", die daraufhin pauschal angegriffen und vernichtet
werden können. Das Gerede vom besonders unethischen "Terrorismus"
verschleiert, daß brutale Gewaltanwendungsformen der beschriebenen Art
ständig von "zivilisierten" Staaten praktiziert werden und diese dann
als "Verteidigung der Menschenrechte" definiert werden - wie z. B. von
Scharping, Fischer und Schröder beim NATO-Angriffskrieg gegen
Jugoslawien.

Kein Wunder also, daß in der BRD ausgerechnet die konsequentesten
Anhänger eines starken Staates, also FaschistInnen und AntisemitInnen
ihre Genugtuung über die Zerstörung des "Herz" des "globalen
Kapitalismus und (...) des weltlichen Jahwe-Kultes, des Mammonismus"
(NPD-Anwalt Horst Mahler) ausdrückten. Auch die NPD Schleswig-Holstein
feierte den "kriegerischen Befreiungsschlag der freien Welt".

Krieg ja - aber ohne uns

Parallel zur Aufrüstung und Militarisierung durch eine große Koalition
im Bundestag - einschließlich des PDS-Bürgermeisterkandidaten für
Berlin, Gysi, der "in der Tat begrenzte militärische Aktionen für
statthaft" hält (in: Berliner Zeitung vom 17. September 2001) - fand der
letztjährige Aufstand der Anständigen gegen "Extremismus" seine
Fortsetzung in "Solidarität mit Amerika"-Aufmärschen. Darin wurden
einerseits nationale Kollektive auf gemeinsame Emotionen gegen den
"Terrorismus" eingeschworen, verkörpert im Zerrbild des
radikalislamistischen Orientalen. Gleichzeitig versuchen sich die
Herrschenden in der BRD und ihre rotgrünen VerwalterInnen als
vorsichtigere und besonnenere imperialistische Alternative zu den USA
und zu deren angeblicher "rachsüchtiger" und "Cowboy"-Mentalität zu
profilieren: Schröder distanziert sich augenfällig von "Abenteuern". Die
USA möge "sich nicht von archaischen Mustern und Gefühlen wie Rache und
Vergeltung leiten lassen", malt der "Friedenspolitische Ratschlag"
(Kassel) an die Wand. Mit klassischen antiamerikanischen Klischees
spielen auch reaktionäre Antikriegsaufrufe, die "Kein deutsches Blut
für US-Interessen" fließen lassen wollen. Nationalistisch gefärbte
Aufrufe zur Besonnenheit sind kein Grund zur Beruhigung, sondern darin
spiegelt sich wider, daß aufgrund der weiterhin bestehenden
militärischen Schwäche der EU im Vergleich zu den USA der
BRD-Imperialismus seine Ambitionen mit dem Schein menschenrechtlicher
Argumente verkleiden muß.
Am Image des "zivilgesellschaftlichen", freundlicheren Imperialismus
stricken Teile der bürgerlichen und rotgrün orientierten
Friedensbewegung mit, die das internationale Gewaltmonopol der NATO und
ihrer Tribunale befür-worten und die lediglich Vorbehalte gegen einen
aktiven Kampfeinsatz der Bundeswehr pflegen.

Es ist (leider) nicht die NATO, die bedroht ist, sondern es ist die
NATO, die weltweit durch Militäreinsätze, Interventionen und Krieg die
mörderische Weltwirtschaftsordnung aufrecht erhält.

Kampf dem imperialistischen Krieg
BRD raus aus NATO und WEU; Auflösung der Bundeswehr
Offene Grenzen und gleiche soziale Lebensbedingungen für alle Menschen

Antikriegsplenum Köln (28.9.2001) (Kontakt:
 Antikriegsplenum-Koeln@gmx.de)

 

04.10.2001
Antikriegsplenum Köln   [Aktuelles zum Thema: Antimilitarismus]  [Schwerpunkt: WTC / Pentagon]  Zurück zur Übersicht

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