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Berlin: DDR-Buergerrechtler widersprechen Joachim Gauck in Offenem Brief

                          

Gruppe Internationale InfoDienst Presseinformation betrifft: Gauck-Interview im "Tagesspiegel" vom 7. 11. 1999 - DDR-Buergerrechtler widersprechen Joachim Gauck in Offenem Brief Offener Brief an Joachim Gauck Heute hoeren wir von Ihnen, nun sei in Deutschland erreicht, wofuer damals die Opposition in der DDR und die Buergerbewegungen des Herbstes 1989 gekaempft haben. Zwar seien im Osten und im Westen die Verhaeltnisse noch verbesserungsbeduerftig, ja sogar mitunter kritikwuerdig, aber nun sei es jedem Buerger moeglich, im demokratischen Rechtsstaat durch taetige Mitwirkung alles zum Besseren zu wenden. Nur sei es schade, dass das noch nicht alle verstanden haben. Kommt Ihnen das nicht irgendwie bekannt vor? Erinnern sie sich noch, wie uns in der DDR die Verhaeltnisse schoengeredet wurden? Dass wir uns als "Sieger der Geschichte" in der DDR seinem Staatswesen und dessen Zielen durch aktive Mitarbeit wuerdig zu erweisen hatten? Erinnern sie sich noch an die Forderungen der Buergerbewegungen des Herbstes? Wir wollten nicht nur die Stasi aufloesen, sondern wir wollen ueberhaupt keine Geheimdienste mehr. Wir wollen auch in keinem demokratischen Abhoerstaat leben. Wir wollten nicht nur reisen, sondern wir wollen auch ein Land, in dem Fluechtlinge nicht wie Ballast verwaltet und "entsorgt" werden, sondern wo gleiches Recht fuer alle gilt. Wir wollten nicht nur den Warschauer Pakt verschwinden sehen, sondern wir wollen ueberhaupt keine Militaerbloecke mehr, die ueber die Armeen ihrer Mitgliedsstaaten fuer Kriegseinsaetze verfuegen. Wir wollten statt dessen ein kollektives Sicherheitssystem, das alle Armeen baendigt, ob sie nun gegen ihr eigenes Volk oder andere Voelker das Feuer eroeffnen. Wir wollen weder Waffenexporte noch Unterstuetzung fuer Diktaturen, in denen wie in der Tuerkei ein ganzes Volk geknechtet wird. Wissen Sie noch, was in dem Verfassungsentwurf des Runden Tisches stand? Er enthielt viele unserer Forderungen von damals. Pruefen Sie bitte nach, was davon heute Wirklichkeit ist. Erinnern sie sich noch an die Sozialcharta des Runden Tisches? Und erinnern Sie sich daran, warum und auf wessen Veranlassung dies alles beim Einigungsprozess im Papierkorb verschwand. Wir wollten nicht nur mehr Mitbestimmung, wir wollten Teilhabe und Selbstbestimmung. Wir wollten nicht nur die papierne Freiheit, sondern auch soziale Gerechtigkeit. Fragen Sie die vielen Arbeitslosen, fragen sie vor allem auch die Frauen aus der ehemaligen DDR, was sie von der Koexistenz von Meinungsfreiheit und Obdachlosigkeit, von Versammlungsfreiheit und Erwerbslosigkeit, von Reisefreiheit und Sozialhilfebeduerftigkeit halten. Aber Sie denken heute, wir sollten als Buerger des beigetretenes Viertels bescheidener sein. Dieser Zug zur Bescheidenheit ging uns damals, im Herbst 1989, vollstaendig ab. Und es wird Zeit, dass wir nicht nur in Neufuenfland, sondern in ganz Deutschland diese Unterwuerfigkeit abschuetteln. Nur wer die Neigung zur Anpassung und das Vertrauen in Parteien und Ministerien, die unsere Angelegenheiten zu unserem Schaden verwalten, ueberwindet, wird etwas veraendern. Auf Sie und viele unserer alten Mitstreiter, die in Amt oder Mandat ihren Frieden mit dem Bestehenden gemacht haben, muessen wir wohl verzichten. Vorerst aber sprechen wir Ihnen das Recht ab, sich auf uns zu berufen, wenn Sie ueber die Opposition in der DDR sprechen. Unterschriften Katrin Bastian, Judith Demba, Bernd Gehrke, Renate Huertgen, Thomas Klein, Silvia Mueller, Sebastian Pflugbeil, Christina Schenk, Reinhard Schult, Bettina Wegner Berlin, den 8. 11. 1999 Rueckfragen: Bernd Gehrke, Tel. 030-447 31 600, e-mail: Bernd.Gehrke@t-online.de

 

11.11.1999
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