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Paris: Iranischer Oppositioneller in Lebensgefahr

Iranischer Oppositioneller in französischer U-Haft in Lebensgefahr

Willkür in Paris verstößt gegen französisches Recht

Von Ursula Hoppe

(Paris/Teheran) Die Losung der französischen Revolution "Freiheit,
Gleichheit, Brüderlichkeit" scheint im krassen Gegensatz zur tatsächlichen
juristischen Praxis in der Metropole Paris zu stehen.

Erst jetzt wurde die Verhaftung von Ahmad Fahimi, politischer
Verantwortlicher des "Vereins der Sympathisanten der Guerillaorganisation
Volksfedayin" in Paris bekannt. Er befindet sich im berüchtigten Gefängnis
Fresnes und ist von der Außenwelt völlig isoliert.

Fahimi, besser bekannt unter dem Namen Khosrow, lebt seit acht Jahren als
anerkannter Flüchtling in Frankreich. Als offizieller Repräsentant seiner
Organisation stand er mit den französischen Behörden bei der Regelung von Visa
- Angelegenheiten iranischer politischer Flüchtlinge, Anmeldung von
Veranstaltungen undsofort regelmäßig in Kontakt. Bei seinem letzten Besuch,
am 18. September 1998, wurde Khosrow in der Polizeiprefektur von Paris
festgenommen. Er trat sofort in einen unbefristeten Hungerstreik.

Obwohl sein Anwalt, Jacques Verges auf einer Pressekonferenz in Luxemburg
mitteilte, daß sein Mandant nun in einem lebensbedrohlichen Zustand in ein
Gefängniskrankenhaus eingeliefert worden sei, streitet dies der französische
Botschafter in einem Brief vom 21. Oktober ´98 ab: "Darüber hinaus gibt die
Gesundheit von Herrn Khosrow nach Informationen die mir vorliegen,
keineswegs Anlaß zur Sorge. Entgegen manchen Gerüchten ist er nicht in den
Hungerstreik getreten."

Freunde von Khosrow befürchten jedoch, daß er "seine Sehkraft oder sein
Gehör verlieren könne. Er schwebt in akuter Lebensgefahr." Wie die
Organisation der Volksfedayin in einem Schreiben an den Generalsekretär der
Vereinten Nationen Kofi Annan feststellt, erfolgte die Verhaftung u.a. in
der Folge einer Reise des französischen Außenministers Védrine nach Teheran
und aufgrund verschiedener Absprachen zwischen der französischen Regierung
und dem Regime der Islamischen Republik Iran.

Im Februar dieses Jahres hatten die EU-Außenminister auf lukrative Geschäfte
und Investitionen in der iranischen Ölindustrie und im Wettlauf mit ihren US
- amerikanischen und anderen Konkurrenten dem Regime in Teheran nach den
Worten des früheren Außenminister Kinkel eine "bestimmte positive
Entwicklungen der letzten Monate" bescheinigt und versucht, "eine
vorsichtige schrittweise Öffnung gegenüber dem Iran zu formulieren". So habe
die französische Regierung, nach Auffassung der Volksfedayin, aus
wirtschaftlichem Interesse im Laufe der letzten Jahre neun führende
Persönlichkeiten der iranischen Opposition - mit Wohnsitz in Frankreich -
Anschlägen des iranischen Regimes geopfert. Außerdem bestehen exakte und
detaillierte Informationen über den Direktor der Sepah - Bank in Paris, der
ein exponierter Agent des iranischen Geheimdienstes in Frankreich sein soll
und in Sachen politischer Bildung zuständig sei. In einem Schreiben an die
Uno heißt es weiter: "Nunmehr verhaftet und inhaftiert die französische
Regierung aus nichtigen Gründen und auf ein einfaches Verlangen von
Geheimdienstagenten und Terroristen des Regimes der IRI iranische
Oppositionsführer sowie politische Aktivisten. Um die IRI zufrieden zu
stellen, versuchen französische Stellen gegenwärtig durch ein Komplott einen
aktiven Kämpfer der iranischen Opposition mundtot zu machen".

Die Vorgänge, auf die sich die Verhaftung von Khosrow beziehen, liegen nach
Angaben seines Rechtsanwaltes Vergès dreieinhalb Jahre zurück und beziehen
sich auf Unregelmäßigkeiten in der iranischen Sepah-Bank. Die französische
Justiz eröffnete derzeit ein Doissier zu diesen Vorfall, daß sie dann aber
wieder schloß. Sonderbar sei ebenso, daß die französischen Behörden in der
gesamten Zeit, in denen Khosrow als offizieller Vertreter seiner
Organisation zum französischen Innenministerium nie mit Beschuldigungen
konfrontiert worden sei, die nun zur Begründung seiner Verhaftung
herangezogen würden. Eine gesetzliche Grundlage für seine Verhaftung sei
nicht erkennbar, so Vergés; denn es handle sich in dieser Sache um eine nur
die iranische Seite betreffende Angelegenheit, durch das das französische
öffentliche Interesse nicht berührt werde. Auch könne bei einem anerkannten
politischen Flüchtling in Frankreich, der seit Jahren vor dem IRI-Regime auf
der Flucht ist, nicht die Absicht der Fluchtgefahr unterstellt werden. Und
zur Erzwingung einer Aussage darf ein Beschuldigter nach französischem Recht
nicht verhaftet werden. In der Verhaftung von Khosrow liege ein Verstoß
gegen französisches Recht und gegen internationale Abkommen über
Menschenrechte, so Vergés.

Wenn die Behörden eines Landes anfangen zu lügen, muß nach Überzeugung der
Volksfedayin das Schlimmste befürchtet werden.

Die französischen Behörden fühlen sich offenbar durch die iranischen
Oppositionellen irritiert, weil diese nicht aufhören, Unterlagen und
Dokumente über geheime Geschäfte zwischen Paris und Teheran zu
veröffentlichen und die Umtriebe iranischer Spitzel und Killer auf
französischem Territorium öffentlich zu machen. Vor drei Monaten z. B. haben
sie durch ihren Anwalt Vergès Strafanzeige gegen vierzehn Agenten der
SAWAMA, des iranischen Geheimdienstes in Frankreich erstattet.

Hintergrund: Die Volksfedayin-Guerilleros sind eine linksgerichtete
Organisation, die auf Gewalt verzichtet hat und das Teheraner Regime mit
politischen Mitteln bekämpft. Vor einigen Jahren hatte sie eine iranische
Regierungsbank in Paris infiltriert und aus den Archiven der Bank Dokumente
veröffentlicht, welche in peinlichem Ausmaß die Regierungszusammenarbeit
zwischen Paris und Teheran offenlegt, einschließlich französischer
Waffenverkäufe an Teheran.

Solidaritätsbriefe sind für Menschen im Gefängnis oft die einzige Tür nach
draußen. Schreibt deshalb an:

< Ahmad Fahimi
Prison des Fresnes
Alleé des Thuyas
944261 Fresnes Cedex
RF

Quelle: "Depeschen" Nr. 48/ Dezember 1998

 

11.12.1998
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